Landtag, 6. Sitzung vom 13.09.2021, Wörtliches Protokoll - Seite 22 von 34
sage ableiten lässt. Lässt sich daraus ableiten, dass alle einen Förderbedarf haben, dass die alle kein Deutsch sprechen? Man muss ehrlich sagen: wahrscheinlich nicht. Wo ich aber bei Ihnen bin, ganz klar: Deutsch, sehr gute Deutschkenntnisse sind natürlich ein Um und Auf. Da bin ich wirklich ganz bei Ihnen. Wo ich aber nicht mehr bei Ihnen bin, ist, dass es ein Entweder-oder sein muss.
Man kann exzellent Deutsch können und trotzdem zu Hause eine andere Sprache sprechen. Glauben Sie mir, ich weiß, wovon ich spreche. Sprachenvielfalt und die Aussage, dass 50 Prozent der Schülerinnen und Schüler Wiens nicht Deutsch als Umgangssprache haben, heißt einfach einmal grundsätzlich, dass sie einfach mehrsprachig sind.
Das ist etwas Großartiges, das ist eine große Sprachenvielfalt in dieser Stadt. Natürlich, das muss gefördert werden, weil es gerade auch, das wissen wir evidenzbasiert, dem Spracherwerb hilft, wenn man die eigene Erstsprache gut kann. Durch einen massiven Ausbau der Sprachförderung in elementaren Bildungseinrichtungen erhalten Kinder mit nichtdeutscher Erstsprache einen frühen und spielerischen Zugang zur deutschen Sprache. Genau das tun wir. Wir wollen Kinder dabei unterstützen, und wie Sie wissen, erhöhen wir die Anzahl der Sprachförderkräfte von derzeit rund 300 auf 500 Personen.
Wenn wir schon bei Sprache sind, das ist anscheinend gerade Ihr Lieblingsthema: Während Sie Informationsbroschüren und Verhaltensregeln ausschließlich in deutscher Sprache abfassen lassen wollen, um Schwierigkeiten in der Verständigung - anders kann ich es mir nicht erklären - noch zu erhöhen und noch weiter aufs Tapet zu bringen, wollen wir Sprachbarrieren abbauen. Man muss sich nur vorstellen, was das während der Corona-Zeit bedeuten würde, wenn uns Menschen nicht verstehen würden.
Wenn wir beim Bildungssystem sind, dann betrifft das natürlich vor allem auch die Eltern. Eltern prägen die schulische Laufbahn ihrer Kinder, wir wissen das. Was nützt es uns also, wenn Eltern die Pädagoginnen und Pädagogen nicht verstehen? Ich frage mich wirklich, wie Kindern damit gedient ist. Damit ist Kindern überhaupt nicht gedient.
Für zugewanderte Eltern, die mit dem österreichischen Schulsystem nicht vertraut sind, haben wir daher in enger Kooperation mit der Bildungsdirektion in Wien diverse Angebote - etwa Videodolmetsch, um die Kommunikation zwischen Eltern und Pädagoginnen und Pädagogen in Bildungseinrichtungen zu erleichtern und Sprachbarrieren zu überwinden - und weitere Projekte in der Elternarbeit geschaffen, die allesamt ein Hebel zur Erreichung von Bildungsgerechtigkeit sind, weil sie Eltern mit einbeziehen und diesen gemeinsam mit ihren Kindern einen gemeinsamen Raum geben, in dem sie hinsichtlich des Schulalltages, aber auch in Fragen der Erziehung oder im Familienleben unterstützt werden.
Ihr Antrag zu den Deutschförderklassen spiegelt wiederum Ihre Sicht auf Integration wider, nämlich einfach nur zu separieren und abzusondern. Deutschförderklassen stehen in keinster Weise in irgendeiner Form in einer Beziehung oder in einem Verhältnis, wenn es um das Wort Chancengerechtigkeit geht. Es ist vielmehr so, dass sie auf überholten pädagogischen Konzepten beruhen. Kinder werden durch separate Deutschklassen stigmatisiert und ausgegrenzt, und was Kinder brauchen, damit schließt sich bei mir auch der Kreis, ist eine integrative Sprachförderung im Rahmen des Unterrichts. Soviel dazu, um auch auf Ihre Anträge einzugehen.
Was mir für die kommenden Debattenbeiträge wichtig wäre: Bitte schauen wir auf die Bedürfnisse der Kinder, auf die Bedürfnisse aller Kinder, nicht nur bestimmter Kinder. Und wenn wir über langfristige Maßnahmen sprechen, was anscheinend ein großes Anliegen der GRÜNEN ist, dann sprechen wir bitte über die Bedürfnisse aller Kinder heute, in zwei Jahren, in drei Jahren, in zehn Jahren, aller Kinder, die unsere Unterstützung und unsere Stärkung auf ihrem Weg zur Chancengerechtigkeit, auf ihrem Weg in ihrem Bildungsprozess benötigen. Danke.
Präsident Ing. Christian Meidlinger: Danke schön. Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau StRin Pühringer, und ich erteile ihr das Wort.
StRin Mag. Judith Pühringer: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrter Herr Stadtrat! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe ZuschauerInnen via jetzt hoffentlich wieder funktionierenden Livestream!
Ja, ich bin sehr froh, dass wir den Herbst im Landtag gemeinsam ganz im Zeichen der Schülerinnen und Schüler in Wien starten. Sie haben nämlich unsere ganze Sorge, unsere Bemühungen und Maßnahmen und unsere ganze Solidarität auch in Bezug auf die Pandemie, gerade bei den Unter-Zwölf-Jährigen, mehr als verdient. Was sie aber ebenso verdient haben, ist ein Bildungs- und Schulsystem in Wien, das die besten Rahmenbedingungen für ihr Lernen, für ihre Neugier, für ihre Begeisterung zur Verfügung stellt.
Wir haben heute schon sehr viel über die Ressourcen im Bund gehört, und es gab schon sehr viele Appelle auch an uns, an den Bund, diese Ressourcen auch zur Verfügung zu stellen. Vielleicht kann ich es an dieser Stelle noch einmal wiederholen: Das Land Wien hat dank der grünen Regierungsbeteiligung im Bund so viele LehrerInnenposten und LehrerInnenplanstellen zur Verfügung gestellt bekommen wie noch nie. Es sind 130 LehrerInnen mehr.
Es sind nicht nur Planstellen, die zur Verfügung gestellt werden. Es sind in Summe über 300 Millionen EUR mehr an Mitteln während Corona zur Verfügung gestellt worden und noch einmal 20 Millionen EUR zusätzlich für die sogenannten außerordentlichen Kinder mit besonderem Förderbedarf, und diese Mittel sind zum allergrößten Teil auch nach Wien gegangen. Auch die psychosoziale Unterstützung der SchülerInnen, mit einem Drittel vom Bund und einem Drittel von der EU gefördert, soll ebenfalls dauerhaft eingerichtet werden.
So viel zum Bund, so viel zu den Ressourcen, die vom Bund zur Verfügung gestellt werden, und jetzt zu Wien: Ich frage mich schon, und das fragen sich viele Eltern, das fragen sich DirektorInnen, LehrerInnen, die
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