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Landtag, 8. Sitzung vom 24.11.2021, Wörtliches Protokoll  -  Seite 24 von 68

 

Ich möchte einige zentrale Erkenntnisse aus dieser Studie herausgreifen. Erstens, die Geschichte der Stiftung war seit ihrer Errichtung außerordentlich bewegt. Der Bau musste errichtet werden, es folgten der Erste Weltkrieg und der Zusammenbruch der Monarchie. Dies alles hatte zur Folge, dass die Anstalt am Rosenhügel gerade einmal zwei Jahre strikt im Sinne des Stifters Nathaniel von Rothschild für Nervenleidende - das war die Diktion der Zeit - betrieben wurde. Also nur zwei Jahre wurde sie eigentlich entsprechend dem ursprünglichen Stiftungszweck betrieben.

 

Zweitens, die Stiftung wurde nie als jüdische Stiftung eingestuft, weil die Begünstigten immer die gesamte Bevölkerung und nicht explizit Jüdinnen und Juden waren. Deshalb kann aus Sicht der Historiker auch nicht von einer Arisierung gesprochen werden. Das hätte zugetroffen, wäre das eine jüdische Stiftung für jüdische MitbewohnerInnen der Stadt gewesen, dem war aber nicht so.

 

Drittens, im Schlusskapitel empfiehlt die ExpertInnenkommission die Anbringung von Gedenktafeln, wie sie ursprünglich dem Stiftungsbrief entsprechend im Benützungsübereinkommen von 1963 zwischen den die Stiftung vertretenden Magistratsabteilungen vorgesehen war. Es wird von der Kommission empfohlen, den Namen des Stifters Nathaniel von Rothschild sowie das Datum der Stiftungsgründung gut sichtbar an jedem Pavillon anzubringen und somit ein dauerhaftes Zeichen des Gedenkens an das humanitäre Wirken des Stifters sicherzustellen.

 

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass der Bericht einen profunden Einblick in die bewegte Geschichte der gemeinnützigen Rothschild-Stiftung für Nervenkranke und damit auch in ein Stück Wiener Geschichte gibt. Mit der Beauftragung einer ExpertInnenkommission ist die Stadt ihrer Verantwortung zur Aufarbeitung der eigenen Geschichte nachgekommen, wie zuvor auch schon mit der Untersuchung der Wiener Straßennamen und der Ehrengräber.

 

Ich denke, dass in Zeiten, in denen die Wissenschaft immer wieder auch von politischer Seite hinterfragt wird und ihre Bedeutung in Abrede gestellt wird, wir gut beraten sind, wirklich ein klares Commitment zu einem Handeln von wissensbasierter Politik abzugeben, einem Handeln in sehr schwierigen Bereichen. Wir haben hier auf das Wissen und die Recherche von HistorikerInnen vertraut, und das ist für mich ein ganz wichtiges Commitment für eine Wissenschaftsstadt und für eine andere Politik, wie wir uns das in anderen Bereichen auch wünschen und wie es eigentlich dem Wissensstand unserer Gesellschaft auch entspricht. - Ich danke Ihnen.

 

Präsident Mag. Manfred Juraczka: Ich danke der Frau Landesrätin für ihren Teil der Mitteilung und erteile nun Herrn LR Peter Hacker das Wort für seinen Bericht.

 

11.24.44

Amtsf. StR Peter Hacker|: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Landesrätin! Sehr geehrte Abgeordnete! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch ich möchte mich noch einmal ausdrücklich für die Möglichkeit bedanken, dass wir hier im Landtag gemeinsam Seite an Seite über das Ergebnis dieses gemeinsamen Auftrages berichten können.

 

Ich freue mich sehr, dass die ExpertInnenkommission trotz der zweifelsohne schwierigen Ausgangslage nun ihren umfassenden und qualitativ sehr anspruchsvollen Bericht fertigstellen konnte, der uns einen bis jetzt einmaligen Blick in die Geschichte der Rothschild’schen Stiftung für Nervenkranke liefert. Ich kann wirklich empfehlen, einen Blick in den Bericht zu machen, weil er sehr beeindruckend ist, weil er beeindruckend ist, uns einen Blick in die Geschichte unserer Stadt zu geben.

 

Es wurden aus meiner Sicht unglaubliche Dokumente gefunden und man muss auch den vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern danken, die in den Archiven nach diesen Dokumenten gesucht haben und sie gefunden haben. Nur mit solchen Mitarbeitern, die in den Archiven unserer Stadt in den unterschiedlichsten Bereichen nach solchen Dokumenten suchen, ist es dann möglich, einen solchen Bericht in Händen zu halten. Ich kann es offen und ehrlich sagen, ich war tief beeindruckt, diese Dokumente zu sehen und tief beeindruckt, dass sie gefunden wurden und so wunderbar zu einem derartigen Bericht zusammengefügt werden konnten.

 

Es ist ein Dokument über das außergewöhnlich humanitäre Wirken von Nathaniel Freiherr von Rothschild, der über seinen Tod hinaus die gesundheitliche Versorgung von jenen Mitbürgerinnen und Mitbürgern in Wien feststellen und sicherstellen wollte, die auf Grund chronischer und unheilbarer Leiden erwerbsunfähig und mittellos waren. Das ist schon ein sehr ungewöhnlicher Akt, auch jetzt noch zurückblickend betrachtet, und er hat auch ein unglaubliches Finanzvolumen zur Verfügung gestellt, aus dessen Erträgen dann das, was er haben wollte, finanziert hätte werden sollen. Im Stiftbrief, also im Gründungsakt der Stiftung von 1907, wurde festgehalten, dass zwei Anstalten auf Basis eines medizinischen Expertengutachtens errichtet werden sollten, und diese sollten nicht, wie es damals üblich war, als große Unterbringungsstätten, sondern als aus damaliger Sicht moderne Pavillons errichtet werden. Im Stiftbrief ist auch festgehalten - ich zitiere: „Auf den Pavillons ist mein Name als Stifter mit dem Datum der Stiftung ersichtlich zu machen.“ - Darauf hat uns die Expertenkommission auch im Bericht und in ihrem Resümee aufmerksam gemacht und sie hat empfohlen, diesem Versäumnis nachzukommen.

 

Daher brauchen wir gar nicht darüber zu diskutieren, das haben wir von Anfang an gesagt. Ich habe das auch gesagt, als wir den Beschluss zur Einrichtung und Bestellung der Kommission hier gefasst haben. Es war von Anfang an klar, dass das Ergebnis dieses Berichtes richtungsweisend für den weiteren Umgang mit dem Erbe der Familie Rothschild sein wird. Diese Empfehlung und diesem damaligen Versprechen werden wir selbstverständlich auch nachkommen. Wir brauchen darüber auch gar nicht zu diskutieren, ich habe bereits den Auftrag erteilt, diese Tafeln zu formulieren, diese Tafeln zu gestalten. Ich habe selbstverständlich den Auftrag erteilt, sie auch anzubringen, allerdings nur mit Zustimmung oder in Absprache mit dem Bundesdenkmalamt. Die

 

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