Landtag, 8. Sitzung vom 24.11.2021, Wörtliches Protokoll - Seite 28 von 68
Der vorliegende Bericht der Expertenkommission ist mit 300 Seiten und 15 Kapiteln sehr umfangreich, sehr interessant zu lesen und behandelt die Geschichte der Rothschild’schen Stiftung. Es gilt ein besonderer Dank an die Leitung, Frau Univ.-Prof. Dr. Reiter-Zatloukal, dass das sehr umfangreich und sehr genau analysiert wurde. Die Entwicklung der Rothschild’schen Stiftung kann man in diesem Bericht gut nachlesen. Das einzige Manko ist, dass dieser Bericht 1962 endet und das, was nachher passiert ist, nicht so genau beleuchtet wurde.
Der in den USA lebende Nachfahre der Wiener Rothschild-Linie kämpft um sein Vermächtnis. Der Urgroßenkel von Nathaniel Rothschild heißt Geoffrey Hoguet. Er ist seit 22. März 2021 auch österreichischer Staatsbürger und fordert sein Recht im Bezirksgericht Hietzing ein. Dieser Sache wollen wir nicht vorgreifen. Das ist nicht Sache und Gegenstand des Wiener Landtages.
Kurz noch zur Geschichte der Rothschild’schen Stiftung: Nathaniels Bruder Albert hat 1907, zwei Jahre nach seinem Tod, in dessen Auftrag die Nathaniel Freiherr von Rothschild’sche Stiftung für Nervenkranke gegründet und mit 20 Millionen Kronen ausgestattet, heute entspricht das 120 Millionen EUR. Dies ermöglichte 1912 die Gründung der Nervenheilanstalt am Rosenhügel und zwei Jahre später des Maria-Theresien-Schlössels in Döbling. Wie Kollege Weber schon gesagt hat, der Zweck war, mittellose Österreicher ohne Rücksicht auf Nationalität, politische Richtung und Konfession, die unter psychischen und neurologischen Problemen litten, zu behandeln und zu unterstützen. Das ist aus heutiger Sicht eine sehr weitsichtige und sehr zukunftsorientierte Ausprägung seines Gedankens. Diese Gründung, geprägt von gesellschaftspolitischer und sozialer Verantwortung, soll auch für nachfolgende Generationen zur Verfügung stehen. Das steht auch im Stiftungsbrief - wie Sie gesagt haben, Herr Kollege Weber -: Nicht nur die Nervenheilanstalt zu gründen, sondern auch zu erhalten.
Auf diesen Punkt möchte ich kurz zu sprechen kommen: Wie auch schon erwähnt wurde, bestand bis 1938 das ursprüngliche Stiftungskuratorium aus zwölf Personen, neun davon von der Familie Rothschild, zwei Mitglieder vom Land Niederösterreich und eines vom Land Wien. Die Stiftung wurde 1938 in der NS-Zeit aufgelöst und das Bar- und Immobilienvermögen der Stadt Wien übertragen. 1956 wurde auf Grund des Urteils der Rückstellungskommission die Rechtspersönlichkeit der Stiftung wieder gegründet und auch ihre ursprüngliche Satzung wiederhergestellt, bis auf die Einsetzung des Kuratoriums im ursprünglichen Zustand. Es wurde der Stadt Wien das Vorverkaufsrecht auf alle Liegenschaften der Stiftung auf Grund eines Vergleichs zugestanden. Und jetzt sage ich Ihnen, wer sich da verglichen hat. Es hat sich die Stadt Wien mit der Stadt Wien verglichen. Das ist eine ganz eigene Konstruktion gewesen, und es ist eine sehr fragwürdige Konstruktion. Nach dem Verkauf des Maria-Theresien-Schlössels 2002 erfolgte 2017 eine Änderung der Stiftungssatzung, die die Stadt Wien als Letztbegünstigte des Stiftungsvermögens eingesetzt hat.
Apropos Maria-Theresien-Schlössel: Die Magistratsabteilung 40 verkauft als Stiftungsverwaltung an die Stadt Wien das Maria-Theresien-Schlössel, das seither profitabel vermietet wird, und der Erlös dieser Stiftung wurde notabene zur Sanierung des Otto-Wagner-Spitals eingesetzt im Wissen, dass das Otto-Wagner-Spital zum größten Teil schon wieder geschlossen ist und dort das Areal zum Bau von Wohnbauprojekten verwertet wurde. Ich frage Sie, meine Damen und Herren, ist das ein sauberer Umgang mit Stiftungsvermögen? Ich sage Ihnen: sicher nicht!
Es stellen sich daher drei wesentliche Fragen. Erstens: Wieso wurden bei der Wiedererrichtung der Stiftung nach dem Krieg die Nachkommen der zur Emigration gezwungenen Familie Rothschild wiederholt übergangen? Ist es ein adäquater Umgang mit dem jüdischen Erbe und ein richtiger Umgang mit der Ungerechtigkeit, die den Juden während der Zeit des Nationalsozialismus widerfahren ist?
Zweitens: Warum musste Geoffrey Hoguet bis heute um die Einsicht in die Aktenstücke immer wieder kämpfen und sogar gerichtlich vorgehen? Das zeigt ja augenscheinlich, dass da etwas verschwiegen oder vertuscht werden soll.
Drittens: Warum fällt es der Stadt Wien immer wieder so schwer, historisch und moralisch das jüdische Erbe betreffend reinen Tisch zu machen? Auch wenn die Frau Stadträtin gesagt hat, es handelt sich da nicht um eine jüdische Stiftung, glaube ich, dass sie sich irrt.
Diese Fragen sind bis jetzt ungelöst und befinden sich allerdings in der Verantwortung der Stadt Wien, wie Sie auch im Abschlussbericht der Historikerkommission der Republik Österreich im Jahr 2004 nachlesen können. Die Stadt Wien bereitet seit 2020 den Verkauf dieses Grundstücks vor. Die Abteilungen der Neurologie werden sukzessive in die Klinik Hietzing oder andere Kliniken übersiedelt und damit wird für weitere Verwertung freigemacht. Es liegen uns Akten aus dem Jahr 2018 vor, die eine Grundstücksteilung des Neurologischen Zentrums am Rosenhügel zum Gegenstand haben, und weiters Baupläne aus den 80er Jahren, wo dort dann Gemeindebauten errichtet werden sollen. Dafür müssten außerdem noch 172 Bäume gefällt werden, und das historische Erbe würde damit vernichtet werden.
Egal, wie der Rechtsstreit zwischen Geoffrey Hoguet und der Stadt Wien ausgehen möge, die neue Wiener Volkspartei tritt vehement dafür ein, dass das Neurologische Zentrum am Rosenhügel als Neurologisches Zentrum erhalten bleibt. Wir sprechen uns vehement gegen eine Umwidmung des Areals aus. Das Areal soll im Sinne des Stifters Nathaniel von Rothschild weiterhin zur Behandlung neurologischer und psychischer Probleme dienen. Das ist vor allem jetzt in Zeiten der Pandemie wichtig, in denen die Anzahl der psychischen Erkrankungen deutlich ansteigen wird.
Die Angst von Geoffrey Hoguet und den Nachkommen des Stifters Albert Freiherr von Rothschild, dass die Stiftung endgültig aufgelöst wird, ist nachzuvollziehen und auch von Seiten der Expertenkommission bestätigt. Ich freue mich, dass die Stadtregierung gewillt ist, eine Gedenktafel anzubringen, immerhin ist dieser Plan ja schon seit 1962 in den Akten nachzulesen. Ich hoffe,
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