Landtag, 8. Sitzung vom 24.11.2021, Wörtliches Protokoll - Seite 27 von 68
scheidungen, die wir mit Blick in die Zukunft treffen. - Herzlichen Dank.
Präsident Mag. Manfred Juraczka: Herr Abgeordneter, Sie haben etwas über 7 Minuten gesprochen, es verbleibt damit eine etwaige Restredezeit von 12 Minuten 20. Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abg. Margulies. Ich erteile ihm das Wort.
Abg. Dipl.-Ing. Martin Margulies (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Stadträtin! Sehr geehrter Herr Stadtrat! Liebe KollegInnen!
Auch ich beginne mit einem großen Danke für einen Bericht, der sehr ausführlich und sehr gut recherchiert die Zeit von 1907 bis Mitte der 60er Jahre beschreibt. Meines Erachtens gibt er im Gegensatz zu dem, was Kollege Krauss gesagt hat, eine eindeutige Antwort auf die zentrale Frage, die mitausschlaggebend dafür war, weshalb wir als Wiener Landtag eine höchstrangige Kommission ersucht haben, einen Bericht zu erstellen, nämlich dahin gehend, ob das Kuratorium rechtmäßig eingesetzt wurde oder nicht.
Jetzt kann man das immer noch für sich selbst persönlich bewerten, wie man will, aber es wurde ausführlichst dargelegt, weshalb die gewählte Konstruktion, hergeleitet aus dem Stiftungsbrief, über die verwandtschaftlichen Verhältnisse bei der Neugründung, de facto der Neukonstituierung, so gewählt wurden, wie sie gewählt wurden und weshalb sie rechtmäßig sind. Am Ende des Tages werden solche Sachen wahrscheinlich von Gerichten entschieden. Nehmen wir aber wissenschaftliche Berichte als Grundlage, dann muss man tatsächlich sagen, dass darüber eine eindeutige Aussage getroffen wurde und diese auch gut begründet ist. Wie gesagt, ob ein Gericht am Ende eines Tages so entscheidet - keine Ahnung. Das Erstgericht hat so entschieden, aber die Begründung ist nachvollziehbar und schlüssig. Und deshalb so zu tun, als ob nichts rausgekommen wäre, das wäre meines Erachtens neben der inhaltlichen Dokumentation der Zeitgeschichte eine Verfehlung im Lesen des Berichts. Deshalb noch einmal danke an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie wurden alle schon erwähnt, ich möchte sie nicht noch einmal gesondert aufzählen.
Ich finde es ganz großartig, ein Stück Zeitgeschichte, ein Stück jüdische Zeitgeschichte aufzuarbeiten, insbesondere in dem Wissen, was der jüdischen Bevölkerung in der Zeit des Nationalsozialismus angetan wurde. Wir erinnern uns jetzt auf unterschiedlichsten Ebenen, seien es „Steine der Erinnerung“ bis hin zu der unlängst eröffneten Namensmauer. Wir erinnern mit vielen Dokumentationen, wie „Sprich mit mir.“ Wir erinnern mit Theater - es gibt in Wien nach wie vor ganz großartige Theater in der jüdischen Tradition. Und ich glaube, dass wir den heutigen Tag auch dazu nützen können, uns ganz generell damit auseinanderzusetzen, was die Ursachen für Antisemitismus sind und wie es uns gelingen kann, Antisemitismus entgegenzutreten - genau dafür dienen solche Diskussionen. Man kann auch sehr schön ableiten, dass das, was Juden und Jüdinnen auch heute immer noch entgegengeworfen wird, auf anderer Ebene nicht nur Juden und Jüdinnen betrifft, sondern selbstverständlich auch Muslime oder auch andere Religionsgemeinschaften oft genug davon betroffen sind, nämlich immer dann, wenn es um Minderheiten geht, wenn eine Mehrheit glaubt, mit Vorurteilen auf Minderheiten hinschlagen zu müssen. Das müssen wir entschieden ablehnen. Das müssen und werden wir als Stadt Wien immer entschieden ablehnen.
Deshalb gilt es, dem Antisemitismus und dem Rassismus massiv entgegenzutreten. So etwas macht auch solch ein Bericht, indem er aufklärt, indem er uns gemeinsam zeigt, wie eigentlich eine bessere Welt aussehen könnte, eine Welt, in der Menschen, die zu Reichtum gekommen sind, die belesen sind, selbstverständlich einen Teil ihres Vermögens abgeben. Ich glaube, es würde uns allen miteinander gut anstehen, wenn Vermögen nicht so ungerecht verteilt wäre, dass knapp 1 Prozent der auf der Welt lebenden Menschen fast 70 Prozent des Vermögens besitzt, dann ginge es uns allen besser. Ich glaube, dass es tatsächlich auch darum geht, solche Sachen langfristig sicherzustellen.
Einen letzten Punkt habe ich mir noch aufgehoben, den ich gerne auch in diesem Zusammenhang sagen würde: Ich sage gleich vorweg, wir sind in der Gesundheitsdebatte und ich will jetzt überhaupt niemanden bekehren. Ich bin drei Mal geimpft. Am Ende des Tages ist es jedem seine eigene Entscheidung. Ich will es jetzt auch überhaupt nicht bewerten. Was ich hier jedoch sehr wohl sagen möchte, ist Folgendes: Wenn Menschen auf Impfgegner-Demos mit einem Judenstern herummarschieren und dann herumerzählen, es wird schon wieder wie 1939, dann mag ich schon daran erinnern, dass meine Großmütter, mit denen ich noch die Gelegenheit hatte, darüber zu reden, Zwangsarbeiter waren, am Morzinplatz gefoltert wurden und in KZs waren. Sie haben mir erzählt, was das bedeutet hat. Es ist so eine Verharmlosung und so eine Leugnung des Holocausts, sich mit einem Judenstern auf die Straße zu stellen und jetzt zu sagen: Uns geht es genauso wie damals den Juden! - Das ist Holocaust-Leugnung! Das ist Verharmlosung! Das kritisiere ich zutiefst, und das erlaube ich mir, hier in dieser Debatte zu sagen.
Ich würde mir wünschen, dass jeder von Ihnen - es sei Ihnen unbenommen, wie Sie zur Impfung stehen - Menschen, die mit einem Judenstern herumrennen und sagen: „Es geht schon wieder los!“, die Geschichte erklärt, und erklärt, was von 1939 bis 1945 los war, dass die Situation tatsächlich anders ist, dass wir weitab von einer Diktatur leben und glücklich sein können, in Zeiten wie diesen zu leben und dass wir unser wichtigstes Ziel, dass niemals wieder etwas ist, gemeinsam hochhalten müssen. Bitte machen Sie das! Niemals wieder! - Ich danke sehr für die Aufmerksamkeit.
Präsident Mag. Manfred Juraczka: Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit betrug 7 Minuten. Sie haben eine etwaige Restredezeit von 13 Minuten. - Vielen herzlichen Dank. Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abg. Gorlitzer. Ich erteile es ihm hiermit.
Abg. Dr. Michael Gorlitzer, MBA (ÖVP): Meine sehr geehrten Damen und Herren!
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