«  1  »

 

Landtag, 8. Sitzung vom 24.11.2021, Wörtliches Protokoll  -  Seite 37 von 68

 

Maßnahmen aufgetreten sind, und die einzelnen Punkte kurz besprechen.

 

Erster Punkt sind die Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeeinrichtungen. Insgesamt sind vor allem die Menschen, die in Langzeitpflegeeinrichtungen sind, besonders hart getroffen worden. Viele sind gestorben, und alle waren praktisch eingesperrt. Angehörige durften nicht auf Besuch kommen, und man durfte nicht einmal die Einrichtung verlassen, um sich die Füße zu vertreten. Die Maßnahmen waren wesentlich weitergehend als für die übrige Bevölkerung im Lockdown - gut gemeint, aber nicht zielführend und nicht rechtmäßig. Viele sind trotz dieser massiven Einschränkungen an Covid erkrankt, und viele sind auch verstorben. Einsam zu sein, keinen Trost durch Verwandte zu bekommen und nicht zu wissen, wie es weitergeht, kann für alte Menschen - im Übrigen auch für junge Menschen, aber in diesem Fall waren alte Menschen betroffen - massive psychische und physische Folgen haben. Das Pflegepersonal musste oft Unmenschliches leisten, um die Bedürfnisse der alten Menschen einigermaßen abzudecken, nämlich die körperlichen und die psychischen Bedürfnisse.

 

Sehr deutlich hat sich in dieser Zeit gezeigt, dass es zu wenig Pflegepersonal gibt. Ich bin der Meinung, es muss doch Gründe geben, warum sich junge Menschen nicht für pflegende Berufe interessieren, und ich bin der Meinung, man müsste eigentlich nur nachfragen. Man müsste die Menschen nur fragen, warum sie sich nicht für einen pflegenden Beruf interessieren. Meiner Meinung nach muss der Pflegeberuf völlig neu gedacht werden, nämlich völlig neu gedacht werden. Bessere Bezahlung ist nur ein Teil. Die Strukturen in der Pflege sind noch hierarchischer als im ärztlichen Bereich. Das ist nicht mehr zeitgemäß. Die Diensteinteilung ist zu wenig selbstbestimmt. Es muss doch möglich sein, dass trotz Nachtdiensten eine familienfreundliche Arbeitszeitgestaltung erreichbar ist. Das muss doch möglich sein - und ich bin überzeugt, dass das möglich ist.

 

Die Bürokratie muss sicher nicht so überbordend sein, wie sie derzeit ist. Ich halte es für besonders problematisch, wenn es jeden Tag erforderlich ist, dass die Pflegenden kategorisieren. Das heißt, sie müssen die einzelnen Patientinnen und Patienten nach dem Pflegeaufwand, den sie verursachen, bewerten und eine Liste erstellen - für jeden einzelnen Tag in Wirklichkeit - mit dem Ziel, eine Personalbedarfsplanung machen zu können. Nur: Was hat dieser Aufwand überhaupt für einen Sinn, wenn zwar herauskommt, dass zwei Pflegepersonen fehlen und um zwei mehr da sein sollten, wenn wir aber das Personal nicht haben? Was hat das für einen Sinn? Das frage ich mich doch. Ich glaube, dass man da einfach umdenken muss, denn sonst ist das nicht mehr tragbar und sonst braucht man über die Problematik in der Pflege überhaupt nicht mehr weiterzureden.

 

Außerdem gehört meiner Meinung nach während der Ausbildung eine ordentliche Bezahlung her - wie es auch in anderen Bereichen der Fall ist, wie zum Beispiel bei der Polizei -, damit man davon auch leben kann. Das gilt vor allem auch für Berufswechsler, denn oft sind Menschen, die schon eine Berufserfahrung in einem anderen Beruf haben, besonders wertvoll, wenn sie sich für einen Pflegeberuf entscheiden, sind besonders wertvolle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, weil sie schon eine gewisse Lebenserfahrung haben und weil sie sich auch bewusst für diesen Beruf entschieden haben. Dass es in Wien nunmehr eine deutliche Aufstockung der Ausbildungsplätze geben wird, ist zu begrüßen und besonders zu erwähnen, denn nur mit einer Vollbesetzung einer Station kann eine gute Betreuung garantiert werden.

 

Ich komme zum zweiten Punkt: fehlende Schutzmasken und Schutzkleidung am Anfang der Pandemie. Obwohl immer wieder über Pandemien und über Pandemiepläne geredet worden ist und auch manche erstellt worden sind oder vielleicht sogar viele erstellt worden sind - wir haben immer wieder die Berichte darüber bekommen -, war zu Beginn im März keine Spur eines Plans zu spüren, und das übrigens in ganz Europa. Das medizinische Personal - und dazu gehören alle, die im Spital oder im niedergelassenen Bereich arbeiten - ist praktisch ohne Schutzmaßnahmen dagestanden. Vor allem im niedergelassenen Bereich hat es kaum Masken oder Schutzkleidung gegeben. Und manche haben nach dem Motto „Der Fuchs und die Trauben“ verkündet, die Masken seien eigentlich nutzlos, die bringen gar nichts. Das hängt uns übrigens bis heute nach.

 

Ich gehe davon aus, dass für die Zukunft praxisnahe, umfassende Pandemiepläne erarbeitet werden, die unter anderem eine ausreichende Ausstattung mit Schutzmaßnahmen garantieren.

 

Ich komme zum dritten Punkt: Krisenkommunikation der Regierung. In Krisenzeiten muss die Kommunikation mit der Bevölkerung verständlich, nachvollziehbar, transparent und vor allem ehrlich sein. Selbstdarstellung, Angstmache, Populismus und Schuldzuweisungen sind fehl am Platz. Parteipolitisches Gestreite verunsichert. Es ist in so einer Situation die Aufgabe der Regierenden, nach bestem Wissen die Pandemie zu bekämpfen - und sonst gar nichts. Das Gestreite ist unnötig und schädlich.

 

Die Wissenschaft stellt die Forschungsergebnisse zur Verfügung, interpretiert sie und macht Vorschläge. Die Wissenschaft kann und soll keine politischen Entscheidungen treffen. Ich sage das deswegen, weil bei einigen Menschen der Eindruck entstanden ist, dass Wissenschaftler auch nur streiten. Das vermeintliche Streiten ist aber der Motor der Wissenschaft. Eine These kann verifiziert werden oder falsifiziert werden, eine Studie muss nachvollziehbar sein und kann trotzdem durch eine neue Studie mit neuen Erkenntnissen überholt werden. Der Fortschritt ist nur durch den Austausch von Meinungen, Erkenntnissen, Diskussion und manchmal auch unterschiedliche Interpretation möglich.

 

Ich komme zum letzten Punkt: Kollateralschäden. Das Vertrauen in Politik ist noch weniger geworden, als es vor der Pandemie schon war. Viele Gruppen in unserer Gesellschaft sind längst abgetaucht in die virtuelle Welt. In Social-Media-Blasen werden Horrorszenarien geteilt, die mit der Realität überhaupt nichts mehr zu tun haben. Die klassischen Medien spielen in diesen Parallelgesellschaften überhaupt keine Rolle mehr. Wir sind alle aufgerufen, wieder mehr andere Meinungen anzuhö

 

«  1  »

Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular