Landtag, 13. Sitzung vom 21.06.2022, Wörtliches Protokoll - Seite 34 von 35
Meine sehr geehrten Damen und Herren, dann sagen Sie, worum es geht. Dann brauchen Sie nicht irgendwelche Ausflüchte verwenden, sondern sagen Sie, dass die Unberechenbarkeit der neuen Wählerinnen und Wähler, ob sie wohl die ÖVP wählen würden, Grund genug ist, hier kein neues, modernes Staatsbürgerschaftsrecht umzusetzen.
So muss es auch um 1900 gewesen sein, als es um das Frauenwahlrecht gegangen ist. Und so muss es offenbar auch vor einigen Jahrzehnten gewesen sein, als es um die Wahlaltersenkung gegangen ist. Es ist die Angst vor der Unberechenbarkeit des Wählers, der neuen Wählerin. Die Menschen stehen jedenfalls bei Ihnen nicht im Mittelpunkt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich komme daher zum Schluss und fasse zusammen: Wir brauchen ein modernes Staatsbürgerschaftsrecht, weil wir Integration eben ernst nehmen. Wenn Sie nach dem derzeitigen Gesetz verfahren, dann schaffen Sie in Wirklichkeit Menschen zweiter Klasse. Dann sorgen Sie dafür - und dafür sind Sie mitverantwortlich -, dass Parallelgesellschaften, die Sie kritisieren, überhaupt entstehen, weil Sie Menschen zweiter Klasse schaffen. (Heiterkeit bei Abg. Dipl.-Ing. Elisabeth Olischar, BSc. - Abg. Ing. Udo Guggenbichler, MSc: Wer hat das Gesetz beschlossen? Ihr wart in der Bundesregierung!)
Dieses Gesetz ist also nicht mehr zeitgemäß. Es soll an westeuropäische Standards mit Rechten und Pflichten angepasst werden. Wir wollen Zugehörigkeit ermöglichen und damit auch die Identifikation mit Österreich stärken, gerade auch bei Kindern. Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ und NEOS.)
Präsident Ernst Woller: Das war jetzt eine Redezeit von zwölf Minuten. Frau Abg. Hungerlänger hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung gemeldet. Ich erteile ihr das Wort.
Abg. Mag. Caroline Hungerländer (ÖVP): Danke schön.
Um diese intellektuelle Sternstunde abzuschließen: (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.) Herr Kollege, Sie sind Bundespolitiker, Sie sollten es eigentlich wissen: Wir leben in einem Rechtsstaat. Es gibt so etwas wie rechtsstaatliche Abläufe. Das scheint Ihnen unbekannt zu sein. Eine Partei schiebt überhaupt niemanden ab, es schiebt auch der Innenminister ad personam niemanden ab, es schiebt auch die Regierung niemanden ab, sondern es handelte sich um rechtsstaatliche Verfahren, die sich über viele, viele, viele Jahre gezogen haben. Diese sind zu einem rechtlichen Abschluss gekommen, und die Polizei hat das exekutiert, was der Rechtsstaat auf Basis der Gesetze beschlossen hat. Wir halten es für äußerst gefährlich, die eigene Moral über das Gesetz zu stellen, wie Sie das offensichtlich gerne tun. (Beifall bei der ÖVP.)
Präsident Ernst Woller: Zu Wort gemeldet ist Herr Abg. Öztas. Ich erteile ihm das Wort. (Abg. Ing. Udo Guggenbichler, MSc: O je, jetzt kommt wieder die Moral!)
Abg. Ömer Öztas (GRÜNE): Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Bevor ich mit meiner Rede beginne, möchte ich kurz auf das replizieren, was die SPÖ vorhin zu den schärferen Abschiebegesetzen gesagt hat. Ich kann Sie daran erinnern, dass Sie das damals im Nationalrat mitbeschlossen haben. Die SPÖ hat dafür gestimmt. (Beifall bei GRÜNEN und ÖVP.) Jetzt stellen Sie sich her und sagen, das geht nicht, das ist unpackbar. Ich würde mich da selbst an der eigenen Nase nehmen. (Beifall bei den GRÜNEN. - Abg. Mag. Josef Taucher: Ihr sitzt mit denen in der Regierung! Was ist mit den Kindern von Moria? Was ist mit euch?!) - Herr Abgeordneter, Sie können sich gerne hier herstellen, wenn Sie noch eine Wortmeldung haben. (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.) - Darf ich weiterreden? Ich werde jetzt zu meiner regulären Rede gehen.
Ich habe mich jetzt zu Wort gemeldet, weil ich das, was die FPÖ und die ÖVP gesagt haben, nicht so stehen lassen kann. Ich möchte Sie gerne auf den Boden der Realität zurückholen, indem ich Ihnen einige Beispiele aus Lebensrealitäten nenne, die Ihnen vielleicht etwas bedeuten. Es sind Lebensgeschichten von Wienerinnen und Wienern, die hier leben und hier aufgewachsen sind.
Ein Beispiel ist die Lebensgeschichte von David. David ist 21 Jahre alt, er ist in Wien geboren und aufgewachsen, hat hier seine Matura mit Erfolg abgeschlossen und studiert gerade Pädagogik. David hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, Kindern in der Schule Deutsch beizubringen, weil er diese Sprache perfekt beherrscht. David zahlt Steuern, er wacht in Wien auf und geht auch in Wien schlafen. Sein ganzes Leben dreht sich um Wien, er hat Freunde hier, er hat Familie hier. Das einzige Problem, das David hat, ist, er zählt zu den 72.000 Jugendlichen, die hier in Wien leben und geboren sind, aber nicht wählen dürfen, obwohl sie genauso ein Teil dieser Gesellschaft sind (Abg. Ing. Udo Guggenbichler, MSc: Warum beantragt er nicht die Staatsbürgerschaft?), wie Sie es sind, Herr Abgeordneter, und es auch ich bin. David kennt das Herkunftsland seiner Eltern nur aus Geschichten und Erzählungen und wenn er dort auf Urlaub ist. Sonst hat er nichts damit zu tun.
Lassen Sie mich Ihnen ein anderes Beispiel, eine andere Geschichte geben, das Beispiel von Enes. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Enes ist 18 Jahre alt und hat nicht die österreichische Staatsbürgerschaft, weil sein Vater damals entschieden hat, dass seine Kinder diese nicht bekommen sollen. Kann Enes etwas dafür? - Nein. Was erwartet der Staat aber von Enes? - Der Staat erwartet, dass Enes in dem Alter, also mit 18 Jahren bereits ein fixes Einkommen haben soll, 1.000 EUR an Gebühren auf den Tisch legen soll und Nachweise erbringen soll, die er eigentlich durch die Schule hat, aber erbringen muss. (Abg. Ing. Udo Guggenbichler, MSc: Ihr seid ja in der Bundesregierung! Macht das mit der ÖVP gemeinsam!)
Lassen Sie mich Ihnen ein drittes Beispiel nennen, sehr geehrte Damen und Herren, ein sehr persönliches Beispiel. Ich habe hier den Pass meines Opas mitgenommen. (Der Redner hält einen Reisepass in die Höhe.) Er war türkischer Staatsbürger, nicht, weil ihm Österreich nichts bedeutet hat. Er war seit den 60er, 70er
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