Landtag, 16. Sitzung vom 19.10.2022, Wörtliches Protokoll - Seite 24 von 61
der nicht gegeneinander ausspielen soll. Es macht, glaube ich, sehr wohl Sinn, in Wien die Rahmenbedingungen und Arbeitsbedingungen für die Kolleginnen und Kollegen zu verbessern, dass mehr Leute diesen Beruf ergreifen wollen. (Beifall bei GRÜNEN und ÖVP.)
Ein Schmankerl finde ich ja dann noch im Antrag der Regierungsparteien, dass da wörtlich drinnensteht: Seit zehn Jahren ist das Problem bekannt. Das letzte Mal, als ich nachgeschaut habe, war von 2007 bis 2017 auf Bundesebene eine SPÖ-Ministerin dafür verantwortlich. Da jetzt davon zu reden, dass das schon lange bekannt ist, offenbart wenigstens, dass man ein bisschen reflexionsfähig ist und dass man es im Bund verschlafen hat und jetzt halt dem Bund wieder in die Schuhe schiebt, dass es einen PädagogInnenmangel gibt. (Beifall bei den GRÜNEN und von Abg. Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM.)
Das bringt mich aber auch schon zum letzten Punkt, und zwar zu dem Chaos in der Bildungsdirektion. Ich möchte hier eindeutig nicht die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Bildungsdirektion kritisieren - die Erfahrung habe ich ja heuer als neu eingestellter Lehrer selber gemacht -, die machen ihre Arbeit gut. Sie sind nur leider schwerst überfordert, weil es von der Landesregierung nicht genug Personal dafür gibt, die Zuweisungen ordentlich zu machen.
Wir werden in der Dringlichen länger noch darüber sprechen, aber es ist einer Millionenstadt wie Wien absolut unwürdig, dass Lehrerinnen und Lehrer, die arbeiten wollen, in einem Mangelberuf, nicht rechtzeitig den Schulen zugewiesen werden und dann am ersten Tag dort nicht arbeiten können. Das kann tatsächlich nicht der Fall sein, und das ist einer Millionenstadt wie Wien unwürdig. Wir werden das aber in der Dringlichen noch länger besprechen. Vielen Dank. (Beifall bei den GRÜNEN und von Abg. Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM.)
Präsident Mag. Manfred Juraczka: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abg. Oxonitsch. Ich erteile es ihm.
Abg. Christian Oxonitsch (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Wir erleben natürlich in der letzten Stunde ein bisschen das Dilemma der Bildungsdebatte der vergangenen Jahrzehnte. Das könnte man jetzt als selbstreflexiv sehen, wie es Kollege Stadler gerade gesagt hat. (Abg. Stefan Berger: Selbstverschuldet!) Ja, es ist natürlich ein Problem in dieser Republik, dass man in dieser schwierigen Kompetenzlage Zuständigkeiten nicht ansprechen kann, ohne dass automatisch irgendeine andere Zuständigkeit auch noch dafür angeführt wird.
Angesichts der Tatsache, dass man durchaus eine historische Chance hat, dass sich zum Beispiel Landesbildungsreferenten, die quer durch den Gemüsegarten von verschiedenen Fraktionen sind, zu einem Maßnahmenpaket entschließen, verstehe ich eigentlich nicht, warum man dagegen mauert oder hier im Landtag überhaupt gegen einen solchen Antrag stimmen kann, statt dass man diese Chance nutzt, dass man genau das tut, was diese Bildungsreform dringend braucht, nämlich tatsächlich ein Commitment, die Probleme zu benennen, die Zuständigkeiten zu benennen, und jeder in seiner Zuständigkeit die entsprechenden Maßnahmen setzt.
Ich glaube, das wäre dringend erforderlich, und zwar nicht nur im Bereich des Lehrermangels, sondern natürlich würde sich diese Debatte auch heute - natürlich nicht in einer Aktuellen Stunde, da ist die Zeit zu kurz - dafür eignen, grundsätzlich darüber nachzudenken. Warum haben wir ein Problem bei den PädagogInnen? Warum haben wir ein Problem bei den LehrerInnen? Warum haben wir ein Problem bei den Sozialarbeitern und Sozialpädagogen? Warum haben wir ein Problem in der Pädagogik? Und welche entsprechenden Maßnahmen - Ausbildungsmaßnahmen, Bildungsmaßnahmen, aber auch Rahmenbedingungsmaßnahmen - brauchen wir dazu?
Da könnte jeder seine Hausaufgabe machen, dem gebe ich durchaus recht, nur nichtsdestotrotz, der erste Punkt, was man einmal unmittelbar braucht, sind Personen, die es machen wollen. Es ist schon gesagt worden, die Bildungsdebatte ist eine sehr lang geführte beziehungsweise die Debatte rund um den Lehrermangel. Ich erinnere an eine Ministerin vor 2007, mit der ich mich dann noch habe herumschlagen müssen beziehungsweise deren Auswirkungen, die sich hingestellt hat in den Medien - ich habe die Medienberichte da - und gesagt hat: Liebe Österreicherinnen und Österreicher, Österreichs Jugend, werdet alles, aber nicht Lehrer. Das war Ministerin Gehrer. Sie hat sich hingestellt und hat gesagt, wir brauchen gar keine. Auch damals war schon klar, wann welche Personen in Pension gehen. Da geht es nicht darum, ob da jetzt Frau Ministerin Gehrer zuständig ist, et cetera, das ist alles vergossene Milch. Tatsache ist, wir haben derzeit in ganz Österreich ein großes Problem, bei den Lehrern diskutieren wir es heute, aber in vielen anderen Bereichen auch.
Wenn man da so eine Debatte nicht nützt, um konkrete Vorschläge zu machen, wie man diesem Lehrermangel, dem PädagogInnenmangel, dem Sozialarbeitermangel tatsächlich mit wirkungsvollen neuen Wegen begegnen kann, wird uns die Debatte nicht weiterbringen. Natürlich wissen wir es alle, ich hätte da nur die Medienberichterstattung der ersten Woche, ohne Wien, jetzt einmal ganz oberflächlich, aus allen Bundesländerzeitungen. (Der Redner hält ein Schriftstück in die Höhe.) Da steht, Herr Kienberger, bekanntermaßen nicht gerade der Vorkämpfer sozialdemokratischer Bildungspolitik: Es gibt nicht ausreichend Lehrer und Fachkräfte in ganz Österreich. Es gibt letztendlich Berichte, was heute schon mehrmals angesprochen worden ist, über Schulen in Vorarlberg, die nicht aufsperren können. Es gibt die Berichterstattung aus Niederösterreich: Wir befinden uns in einer Teufelsspirale, wir haben keine Leute.
Die Bildungslandesräte beraten über die Maßnahmen, wir haben schon davon gesprochen. In Vorarlberg sagt die Frau Landesrätin, ÖVP: Wir haben entsprechend schlechte Rahmenbedingungen, wir finden keine Lehrer, wir haben zu wenig, es ist ein Notstand. Wir dürfen unterrichten, aber wir dürfen nicht an Ausbildungen teilnehmen. In Vorarlberg! Das könnte man alles noch stundenlang ausführen, also es sind genügend
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