Landtag, 19. Sitzung vom 26.01.2023, Wörtliches Protokoll - Seite 8 von 39
Auch wenn jetzt die Anzahl der Antragstellungen stark steigt, sind wir im internationalen Vergleich immer noch bei einer relativ geringen Einbürgerungsquote pro 100.000 Einwohner. Das ist natürlich darauf zurückzuführen, dass das Staatsbürgerschaftsgesetz erstens restriktiv und zweitens kompliziert ist.
Veränderungen müssen auf Bundesebene geschehen. Als zuständiger Stadtrat, der Österreich-weit die Hälfte aller Verfahren in diesem Bereich abzuwickeln hat - Wien als Bundesland hat also die Hälfte der Österreich-weiten Verfahren -, ist mein Hauptziel gegenüber der Bundesregierung und dem Innenministerium, nicht die ideologische Frage aufzuwerfen, machen wir jetzt einfachere oder strengere Staatsbürgerschaftsgesetze, sondern die Frage der Handhabung. Wie bürokratisch sind sie? Wie umständlich sind sie? Wie schikanös sind sie gegenüber den antragstellenden Personen? Dort hin gehen gemeine Bemühungen, Erleichterungen zu schaffen, die der Behörde Arbeit sparen und auch den antragstellenden Personen Arbeit ersparen würden, denn ein Staatsbürgerschaftsverfahren dauert aktuell 22 Stunden Bearbeitungszeit.
Ja, etwas effizienter kann man noch werden, aber der gesetzliche Rahmen ist so kompliziert, dass der Verwaltungsaufwand immens ist. Auch für die antragstellenden Personen ist es oft unglaublich schwierig, zu wissen, welche Dokumente überhaupt nachgereicht oder eingereicht werden müssen. Da gibt es oft die Aufforderung der Nachreichungen, weil zum Beispiel ein Wohnortnachweis von vor sechs Jahren, wenn man einmal ein paar Monate im Ausland war, zwingend erforderlich ist.
Diese Veränderungen müssen geschehen. Wir haben aktuell in Wien einen Prozess gemeinsam mit NGOs und Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten am Laufen, um zu schauen, welche Bereiche wir innerhalb der Behörde selbst vereinfachen können, also auch kritisch, selbstkritisch darauf zu schauen, wo wir Unterlagen vielleicht zu streng gebraucht haben. Wir kommen drauf, bei ganz, ganz vielen Bereichen benötigt es eine gesetzliche Veränderung, weil nicht nur Gesetze streng sind, sondern auch die Judikatur sehr streng ist. Wenn es strenge Judikatur dazu gibt, können wir nicht in der Verwaltung weniger streng agieren, sondern da bräuchte es eine Gesetzesänderung.
Darauf wirke ich hin, und hier auch die Bitte an Sie - ich weiß, Sie machen es eh in der Bundesregierung -, zu schauen, dass wir zu bürokratischen Vereinfachungen kommen, vor allem dahin gehend: Wenn die Zahl der Staatsbürgerschaftsanträge weiter steigen wird, benötigt es bürokratische Vereinfachungen abseits von der ideologischen Diskussion, ob die Staatsbürgerschaft einfacher oder schwerer zu erlangen sein soll.
Präsident Ing. Christian Meidlinger: Herzlichen Dank für die Beantwortung. Die 1. Zusatzfrage wird von Frau Abg. Aslan gestellt, und ich bitte darum.
Abg. Mag. Aygül Berivan Aslan (GRÜNE): Erstens, ich verstehe, dass die bundesgesetzliche Regelung einfach komplett tot ist, sage ich einmal. Da haben Sie schon Verbündete bei uns, wir sind auch der Meinung, dass das Staatsbürgerschaftsgesetz und auch das Fremdenrechtsgesetz einfach komplett veraltet sind und dass wir eine zeitgemäße Gesetzeslage brauchen. Jedoch bin ich natürlich nicht damit zufrieden, wenn Sie die Missstände der MA 35 mit bundesgesetzlichen Bestimmungen rechtfertigen und argumentieren, denn in allen anderen Bundesländern funktioniert das ja.
Punkt 2: Ich habe eigentlich eine ganz freche Frage. Jetzt haben Sie wirklich über zwei Jahre Reformprozess gesprochen, das wird ja auch medial sehr groß angekündigt, aber trotzdem sind wir an einem Punkt angelangt, wo die Personen ein Jahr Wartezeit haben, damit sie überhaupt einen Ersttermin bekommen. Erst vor zwei Tagen hat sich eine Bürgerin bei mir gemeldet, die für ein Staatsbürgerschaftsverfahren angesucht hat. Ihr wurde der Termin für 2024 ausgestellt. Was gedenken Sie, da zu machen?
Präsident Ing. Christian Meidlinger: Ich bitte um Beantwortung.
Lhptm-Stv. Christoph Wiederkehr, MA: Wir tun sehr, sehr viel, um die Wartezeit auf die Erstinformation und auch auf den Einreichtermin zu senken. Vorab sei von mir gesagt, nach dem Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz kann natürlich ein Antrag bei einer Behörde eingereicht werden. Es ist im Bereich der Staatsbürgerschaft allerdings nicht zu empfehlen, weil die Gesetzesmaterie so komplex ist, dass es für einen Antragsteller, für eine Antragstellerin, die nicht rechtskundig beraten ist, oft schwierig ist, die richtigen Dokumente zu finden. Dementsprechend bemühen wir uns darum, die Angebote der Beratung zu intensivieren. Es wird beispielsweise ein gemeinsames Projekt mit einer NGO geben, um hier in Gruppenterminen spezifische Informationen zu Verfügung zu stellen, um hier nicht nur die Einzelberatung der Behörde zu machen, weil es so viele Anfragen gibt, sondern in Gruppenterminen wesentlich mehr Personen zu informieren. Erstens: Sind sie überhaupt theoretisch antragsberechtigt und ist das Verfahren auch aussichtsreich?
Was haben wir dafür gemacht? - Wir arbeiten nicht nur an diesen Gruppenterminen, wo die ersten noch in diesem Monat stattfinden werden, sondern es gibt mittlerweile eine Online-Möglichkeit, um sich selber durchzuklicken. Ich weiß nicht, ob Sie es selber schon mal versucht haben, wir haben jetzt auf der Website der MA 35 einen Abfragebaum, wo Kundinnen und Kunden, mögliche Antragstellerinnen und Antragsteller sich durchklicken können. Wie lange ist man schon in Österreich? Wenn man zum Beispiel drei Jahre anklickt, wird es heißen, es wird nicht viel Sinn machen, einen Staatsbürgerschaftsantrag zu stellen. Das ist ein weiteres Serviceangebot der MA 35, um Menschen noch spezifischer zu informieren, ob es überhaupt sinnvoll ist, einen Antrag zu stellen. Das ist jetzt ein Bereich der Servicierung der Information.
Ja, wir stocken die Ressourcen massiv auf. 93 Vollzeitäquivalente nur für die Staatsbürgerschaft ist eine massive Ausweitung der Ressourcen in diesem Bereich, die auch notwendig ist. Von der Entscheidung bis zur vollen Effizienz dauert es allerdings ungefähr ein Jahr. Ich verstehe es, Sie sind ungeduldig, ich bin auch ungeduldig, das kann ich Ihnen zusichern, aber es ist nun einmal der
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