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Landtag, 19. Sitzung vom 26.01.2023, Wörtliches Protokoll  -  Seite 10 von 39

 

Lhptm-Stv. Christoph Wiederkehr, MA: Spannenderweise kann ich bei dieser Frage viel mehr zustimmen als bei der Frage der Kollegen von der ÖVP. Ja, wir benötigen qualifizierte Zuwanderung, und ich sehe es auch als Problem an, wie das System der Zuwanderung in Europa gestaltet ist. Das als Vorbemerkung, zwar nicht wirklich zur Verwaltung in Wien, aber eine generelle politische Anmerkung: Ich sehe das Asylsystem in Europa mit Dublin III auch als gescheitert an. Es braucht dringend eine neue Aufstellung vom europäischen Asylsystem. Letztens sind erst die Zahlen rausgekommen, dass die besten Freunde der ÖVP, Ungarn, in einem europäischen Asylsystem gerade einmal 46 Asylanträge angenommen haben, Österreich über 100.000.

 

Da sieht man schon, da funktioniert irgendetwas nicht. Da wären auch die Bundesregierung und die ÖVP gefordert, nicht symbolisch mit Orbán zu kuscheln (Abg. Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM: Gibt es jede Menge! Lesen Sie keine Zeitung, Herr Vizebürgermeister?), sich mit Orbán ständig ins Bett zu legen, sondern zu schauen, dass es hier ein gescheites neues Gesetz gibt, ein neues Asylsystem auf europäischer Ebene, das zu fairen Aufteilungen führt. Die es verhindert hat, war aber immer die ÖVP, weil sie sich die in Europa falschen Bundespartner aussucht. (Beifall bei NEOS, SPÖ und GRÜNEN.)

 

Man ist zwar für Asyl zuständig, schimpft aber immer darüber, es ist ein vollkommenes Ablenkungsmanöver. Sie haben aber auch eine Frage gestellt, die mich betrifft, nämlich wie wir in Wien qualifizierte Zuwanderung, die wir benötigen, auch attraktiver machen können. Hier können wir vor allem Wien als Standort hervorstreichen und in der Abwicklung der Behörde qualifizierte Zuwanderer gut informieren. Wir haben vor ungefähr eineinhalb Jahren ein Business Immigration Office mit dem Ziel eingerichtet - im Bereich der Rot-Weiß-Rot-Karte und der qualifizierten Zuwanderung geht es von Uni-Professoren bis zu einer qualifizierten Fachkraft wie dem Dachdecker -, Beratung auch mehrsprachig zur Verfügung zu stellen, auch Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, die ausländische qualifizierte Fachkräfte anstellen wollen, zu informieren. Da gibt es eine Kooperation der zuständigen Behörde, der MA 35, mit der Wirtschaftsagentur und dem AMS, denn der gesetzliche Rahmen in diesem Bereich ist die Rot-Weiß-Rot-Karte, die auch nicht unbedingt einfach ist. Da braucht es drei unterschiedliche Institutionen, die gemeinsam kooperieren. Es ist die Bemühung, mit einem eigenen Standort, dem Business Immigration Office, qualifizierte Zuwanderung nach Wien einfacher zu machen, denn wir benötigen mehr qualifizierte Zuwanderung. Das muss man auch ehrlich anerkennen. Wir haben in vielen Bereichen einen Fachkräftemangel und dafür müssen wir noch attraktiver werden.

 

Wien ist dabei auch international im Wettbewerb mit anderen Städten, mit Budapest, mit London, mit Paris, aber auch mit Städten außerhalb von Europa. Das heißt, ja, wir brauchen mehr qualifizierte Zuwanderung und weniger irreguläre. Das muss das gemeinsame Ziel sein, sowohl in Wien als auch in Europa. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

 

Präsident Ing. Christian Meidlinger: Die 4. Zusatzfrage kommt von Frau Abg. Bakos, und ich bitte darum.

 

9.45.33

Abg. Mag. Dolores Bakos, BA (NEOS): Guten Morgen, Herr Landesrat!

 

Sie haben jetzt den gesetzlichen Rahmen bereits angesprochen. Können Sie noch einmal präzisieren, welche gesetzlichen Änderungen, vor allem aus der Sicht des Landes Wien, für ein zeitgemäßes Staatsbürgerschaftsrecht erstrebenswert wären?

 

Präsident Ing. Christian Meidlinger: Ich bitte um Beantwortung.

 

Lhptm-Stv. Christoph Wiederkehr, MA: Viele, ich greife zwei heraus, um auch die Fragestunde nicht überzustrapazieren, die mir besonders ein Anliegen sind und die besonders skurril sind. Das ist erstens eine Regelung, die heißt 20 von 100. Die führt dazu, dass zum Beispiel eine Frau, die bei der Geburt eine serbische Staatsbürgerschaft hat, aber in Österreich geboren worden ist, hier aufgewachsen ist, zur Schule gegangen ist, hier zu studieren beginnt und dann ein Jahr Erasmus in Paris macht, zurückkommt, immer in Österreich gelebt hat, die Staatsbürgerschaft beantragen möchte, und sie bekommt die Staatsbürgerschaft nicht, weil sie ein Jahr Erasmus in Paris gemacht hat. Diese Regelung halte ich für vollkommen absurd, einerseits für die Antragstellerin selbst, die Serbin, die ich jetzt erwähnt habe, die natürlich Österreicherin ist und die österreichische Staatsbürgerschaft verdient hat, aber auch für die Abwicklung in der Behörde. Das heißt nämlich, wir müssen rückwirkend in die Vergangenheit, weit in die Vergangenheit, je nach Antragstellung bis zu zehn Jahre, Aufenthaltszeiten im Ausland nachfragen und nachweisen.

 

Wieder eine Studentin als Beispiel: Für ein Wirtschaftskammer-Praktikum im Ausland muss man eine Aufenthaltsbestätigung aus dem Ausland bringen. Das ist vier Jahre danach nicht immer so einfach. Diese Regelung 20 von 100 ist bürokratisch sinnlos, mühsam und gehört dringend verändert.

 

Eine zweite Regelung, die ich verändern würde, ist die Frage, wie der Unterhalt und auch die Möglichkeit, auf eigenen Beinen zu stehen, berechnet werden. Die Berechnung des Lebensunterhalts ist natürlich notwendig, sehe ich auch als erforderlich an, da kann man diskutieren, wie hoch er sein soll. Jetzt ist er so hoch, dass zum Beispiel eine alleinerziehende Kassiererin keine Chance auf die Staatsbürgerschaft hat. Das finde ich auch ungerecht, denn warum soll die kein Recht darauf haben. Das Problem ist aber eher das Prüfen davon, denn wir müssen aus den letzten sechs Jahren die besten Monate des Einkommens explizit nachweisen und dann pro Monat berechnen und die letzten sechs Monate auch noch einmal dazu.

 

Wir haben also eine extrem komplexe Berechnung für den Lebensunterhalt. Das sind Tabellen, ich habe mich jetzt mittlerweile viel damit beschäftigt, die ich selber nicht ausfüllen könnte. Das ist wirklich eine Wissenschaft, sowohl für die Verwaltung als auch für die antragstellenden Personen. Auch das sollte man vereinfachen. Ich kann nicht nachvollziehen, warum für die Berechnung des Lebensunterhalts so eine komplizierte Berechnung stattfinden muss.

 

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