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Landtag, 22. Sitzung vom 26.04.2023, Wörtliches Protokoll  -  Seite 16 von 55

 

Das ist etwas, was wir im gesamten Sozial- und Gesundheitsbereich kennen und haben. Wir diskutieren seit 15 Jahren, dass an sich die Frage, was ein Persönlicher Assistent ist, gesetzlich nicht festgelegt ist. Wenn man mit Menschen mit Behinderung redet, die diese Leistung bekommen und ein bisschen genauer hinhört, dann kann man nur sagen, es ist eh gut, dass es nicht festgelegt ist, denn die, die die Leistung am dringendsten brauchen und wollen und vertreten, bekommen Leistungen, die jemand ohne eine spezifische Berufsausübung genaugenommen nicht machen dürfte.

 

Nicht machen dürfte, denn Essen verabreichen, Hygiene, Körperpflege, die nicht nur an der Oberfläche ist, einen Waschlappen auf der Wange, sondern wirkliche Körperpflege, das Umlagern eines Patienten aus einem Rollstuhl in ein Bett, sind Berufsausübungen, die einen klaren, unmissverständlichen Berufsvorbehalt haben, für hochausgebildete Spezialistinnen und Spezialisten, ob das in den Pflegeberufen ist, ob das die Sanitäter sind. Das ist eine schwierige Debatte, das weiß ich schon, die führen wir ja auch, oder sollten wir eigentlich auch führen. Es ist aber nichts davon geregelt, sondern wir sagen nur: Es sollen jetzt alle in ein Anstellungsverhältnis, wo der Fördergeber sagt, der Fördernehmer ist das Bundesland, kümmert euch darum, wo der Fördergeber sagt, die Organisationen sollen vom Bundesland eine Förderung bekommen, kümmert euch darum. Offen und ehrlich gesagt, so stelle ich mir ordentliche, geregelte Verhältnisse einfach nicht vor. Das muss man klären, bevor man eine Förderrichtlinie in die Öffentlichkeit bringt, bevor man Versprechen macht.

 

Wir haben bewusst, als Ergebnis einer intensiven Diskussion mit den Betroffenen, gesagt, Persönlichen Assistenz von der Grunddefinition der Idee - nämlich der Assistent ist der physische, verlängerte Arm eines Behinderten, der eine bestimmte Tätigkeit nicht selbst tun kann -: Die maximale Selbstbestimmtheit des Menschen mit Behinderung steht hier im Vordergrund. Das haben wir genau deswegen gesagt. Daher können wir diese Leistung in dieser Form für Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung, psychischer Beeinträchtigung nicht anbieten, weil genau diese Fähigkeit als Grundvoraussetzung bei diesen Menschen leider nicht vorhanden ist. Daher können wir nicht sagen, Selbstbestimmtheit kann da maximal gelebt werden. Sie kennen das, weil wir ja für diese Zielgruppe auch Gesetze dafür geschaffen haben, wo wir gesagt haben, die bekommen dann auch einen Erwachsenenvertreter und wie alle diese Maßnahmen heißen.

 

Also wie ist jetzt die Vorstellung des Fördergebers Bund von der Wechselwirkung zwischen einem Persönlichen Assistenten, dessen berufsrechtliche Pflichten und Rechte nicht definiert sind, und dem Sachwalter, der sagt, ich hätte gerne das und das, und was ist mit dem Menschen mit psychischer Beeinträchtigung, der jetzt was genau will? - Das ist nicht geregelt, und das muss man regeln. Und wenn man das nicht regeln will, dann ist es besser, man verspricht nicht, dass man es geregelt hat, denn es findet sich nicht in der Richtlinie.

 

Bei der Umstellung der Förderrichtlinie von Wien auf den Bund - ich habe es zuvor schon gesagt, wir haben 362 Betroffene in Wien - würde das bedeuten, wir brauchen einen Ersatz für 33.000 Assistenzstunden. 33.000 sind nämlich die Leistungsmenge, die im Augenblick in Wien erbracht wird, überwiegend von Persönlichen Assistenten, die nicht bei der WAG oder ähnlichen Organisationen angestellt sind.

 

Und wieso ist eine Altersgrenze mit 65 drinnen? Wir haben in Wien Menschen mit Persönlicher Assistenz, die schon über 65 sind, was mach ich mit denen? Schicke ich sie jetzt ins Pflegeheim oder was ist der Plan? Und wieso endet das mit 65? Ich bin eh einverstanden, dass Menschen mit Behinderungen einen Pensionsanspruch bekommen. Ich habe überhaupt kein Problem, das unterstütze ich sofort und unterschreibe jede Petition, dass das Pensionsversicherungsrecht geändert wird und Menschen mit Behinderung mit 65 einen Pensionsanspruch haben. Den haben sie aber im Augenblich nicht. Also kann man nicht so tun, als hätten wir es, machen eine Leistungsdefinition einer Förderung, machen mit 65 die Grenze, und beantworten die Frage schlicht und einfach nicht, was mit denen über 65 ist. Gott sei Dank haben wir immer mehr Menschen mit Behinderungen, die über 65 sind. Das ist leider noch eine Frage der traurigen Geschichte unseres Landes, dass die Zahl der Menschen in der Vergangenheit eingeschränkt war.

 

Daran müssen wir uns gewöhnen, und das finde ich gut so, und ich bin stolz darauf, dass wir uns daran gewöhnen können, dass wir auch Menschen mit Behinderungen haben, die über 65 sind. Die bekommen aber jetzt keine Leistung, weil der Bundesminister gesagt hat, mit 65 gibt es keine Persönliche Assistenz. Und das ist nur ein Teil der Fragen, die offen sind.

 

Wenn der Staat eine Leistung namens Persönliche Assistenz schafft, mit einer derartigen Definition, wieso bekommen das eigentlich Menschen, die altersbedingte Pflegebedürftigkeit haben, nicht? Also was ist eigentlich der Plan? Wir haben ein Heimhilfesystem, wir haben ein Hauskrankenpflegesystem, wo man um eine halbe Stunde an Einsatz verhandelt. Diese Harmonisierung, erst recht dann, wenn es um die Schaffung eines Berufsrechtes geht, dieser Frage werden wir uns stellen müssen, und das ist der Grund, warum ich im Augenblick nicht zustimmen kann und nicht bereit bin, die Förderrichtlinie des Bundes umzusetzen. Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

 

Präsident Ernst Woller: Danke für die Beantwortung.

 

Bevor ich zur 1. Zusatzfrage komme, möchte ich einen besonderen Gast bei uns im Landtag auf der Galerie begrüßen. Es ist Gustavo Bolivar. Er ist preisgekrönter Drehbuchautor und Bestsellerautor aus Kolumbien, Mitglied des kolumbianischen Senates und Kandidat für das Bürgermeisteramt in Bogotá. - Herzlich willkommen in Wien und herzlich willkommen im Wiener Landtag! (Beifall bei SPÖ, NEOS, ÖVP und GRÜNEN sowie von Abg. Wolfgang Irschik. - Der angesprochene Gast erhebt sich kurz von seinem Platz.)

 

Die 1. Zusatzfrage wird von Abg. Kunrath gestellt, ich erteile ihm das Wort.

 

10.28.06

Abg. Nikolaus Kunrath (GRÜNE): Guten Morgen, Herr Landesrat! Danke, Herr Vorsitzender!

 

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