Landtag, 22. Sitzung vom 26.04.2023, Wörtliches Protokoll - Seite 15 von 55
Das war die Kommunikation. Ich bin, ganz offen und ehrlich gesagt, echt frustriert. Ich bin echt frustriert, weil ich mich wirklich gefreut habe, dass wir da einen gescheiten Diskurs, einen gescheiten Dialog haben, wo man auch die unterschiedlichen Argumente einbeziehen kann, wo man darüber nachdenken kann, wo man etwas weiterbringen kann. Und passiert ist genau gar nichts. Nicht ein einziges politisches, inhaltliches Gespräch hat zwischen den Sozialreferenten der österreichischen Bundesländer und dem Minister zu diesem Thema stattgefunden. Alle Fragen, die wir stellen, verhallen im Nirwana. Es gibt keine politische Antwort auf viele Fragen - auf viele Fragen - und es betrifft auch die Frage, die Sie mir stellen.
Mir ist es aber wichtig, den Gesamtbogen klar zu machen. Nicht, weil ich bockig bin, ich bin gar nicht dagegen, dass wir da eine Österreich-weite Lösung haben, aber die werden wir besprechen müssen, und Sprechen hat etwas mit Sitzen zu tun und mit Reden und Zuhören. Das findet leider nicht statt. Ich mache daher auch kein Geheimnis aus einigen der vielen, vielen, vielen, vielen offenen Fragen zur Förderrichtlinie, und die möchte ich Ihnen auch gerne mitteilen, wenn Sie mir schon die Frage nach dieser Maßnahme des Bundes stellen.
Erstens, es ist schon die Rechtskonstruktion merkwürdig. Das ist nämlich eine Förderrichtlinie des Bundes, und die Menschen, die von der Förderung betroffen sind, sind gar nicht die Menschen mit Behinderung. Die Förderrichtlinie des Bundes sagt ganz klar, wer der Fördernehmer ist: Die Länder sind die Fördernehmer. Die Länder sind die Fördernehmer einer Förderung, die auf zwei Jahre befristet ist, Ende ungewiss, das zieht sich auch noch über die Finanzausgleichsperiode. Also wir Länder, also ich sollte dann im Landtag einen Beschluss vorlegen, damit wir Länder einen Antrag beim Ministerium stellen, dass wir Fördernehmer sein wollen.
Es gibt gar keine Rechtssicherheit für die betroffenen Menschen mit Behinderung, denn die Fördernehmer sind die Länder, nicht die Menschen mit Behinderung. Es gibt gar keine Rechtssicherheit für die Organisationen, die das dann umsetzen sollen. Die haben null Rechtssicherheit, die sind gar nicht Fördernehmer. Die Rechtsbeziehung soll zwischen dem Land und dem Ministerium stattfinden.
Zweitens - das ist ja wirklich absurd -, ist das nicht eine Förderrichtlinie, wo dann die Rechtsbeziehung zwischen dem Minister und dem Landesrat ist oder zwischen dem Ministerium und dem Land. Nein, in der Förderrichtlinie steht drinnen, wir Länder dürfen eine Kooperationsvereinbarung mit dem Sozialministeriumsservice abschließen. Was heißt das? Wir gehen zur Bürgerdienststelle des Sozialministers, verhandeln mit dem Landesbeamten über eine Förderrichtlinie, und ich stelle mich dann hier her und sage, hey, ich habe einen Supererfolg, ich habe mit dem Beamten im Bürgerservice des Sozialministeriums eine Kooperationsvereinbarung ausverhandelt?
Das wird uns als Harmonisierung verkauft? - Das ist nicht nur keine Harmonisierung, sondern ehrlich gesagt, ich verstehe das Instrument überhaupt nicht. Wie kommt man überhaupt auf die Idee, dass wir Gebietskörperschaften, die nach der Verfassung miteinander eine Verbindung und Beziehung haben, uns plötzlich gegenseitig Förderrichtlinien auflegen? Ich fange mit dem Instrument überhaupt nichts an, ich halte das für nicht ernst, ganz offen und ehrlich gesagt.
Drittens: Versprochen wird, auch in den Pressegesprächen, ein One Stop Shop. Was ist ein One Stop Shop, frage ich mich in der Zwischenzeit. Also ich habe ein klares Verständnis von One Stop Shop: Derjenige, der eine Förderung im One Stop Shop beantragt, hat einen - one - Stopp, und an dem Stopp, wo er den einen Stopp - one stop - gemacht hat, wird sein Antrag erledigt. Das steht aber in der Förderrichtlinie nicht drinnen. In der Förderrichtlinie steht drinnen, es gibt zwei Anträge. Der eine wird vom Land erledigt, der andere vom Sozialministeriumsservice und gnädigerweise dürfen wir zwei Anträge an einer Stelle abgeben. Ehrlich gesagt, ich habe ein anderes Verständnis von One Stop Shop. One Stop Shop heißt, Gebietskörperschaften einigen sich auf eine Sache und am One Stop, wo gestoppt wird, wird auch erledigt, wird entschieden, nach gemeinsam festzulegenden Spielregeln. Die Idee, zwei Förderanträge an einer Stelle abzugeben: Bei allem Respekt, das ist kein One Stop Shop, das ist eine Mogelpackung.
Viertens, wieso meint der Bund, dass er nur für die Persönliche Assistenz am Arbeitsplatz zuständig ist? Wo ist die Grundlage dafür, wo ist die verfassungsrechtliche Kompetenz dafür? Wieso verhandeln wir über Persönliche Assistenz als Gesamtpaket, und dann müssen die Menschen einen Antrag stellen, wer arbeiten geht und wer nicht arbeiten geht? Ich verstehe das überhaupt nicht. Es war immer klar, dass wenn wir eine Persönliche Assistenz Österreich-weit entwickeln, gibt es diese Unterscheidung nicht mehr, weil das Sozialministeriumsservice für alle Menschen mit Behinderung zuständig ist, und nicht nur in der Zeit, wo die Leute vielleicht sechs oder acht Stunden arbeiten gehen.
Fünftens, wieso bekommen wir Länder nur eine Förderung auf zwei Jahre, was ist danach? Wir sollen jetzt unser System völlig umkrempeln - in Wien 362 Menschen mit Behinderung sagen, hey, wir wechseln das System, wir machen alles ganz anders. Und was ist nach zwei Jahren? Also was ist denn das für eine Sicherheit für Menschen mit Behinderung, die vermittelt werden soll? Noch dazu wissen wir alle, dass wir heuer Finanzausgleichsverhandlungen führen, um mit Jahreswechsel einen neuen FAG zu haben. Die Förderung geht über diesen Grenzbereich hinaus. Man kann nicht einmal sagen, es war der Plan, das im FAG festzulegen, denn dann wäre es gescheiter, zuerst FAG zu verhandeln und dann Förderrichtlinien, und nicht umgekehrt.
Völlig unklar sind auch die Vorstellungen - das diskutieren wir seit 15 Jahren als wirkliche Problemzone -, wie die berufsrechtliche Absicherung der angestellten Persönlichen Assistenten überhaupt ausschauen soll. Denn zur berufsrechtlichen Absicherung gehört leider - oder Gott sei Dank, je nachdem, wie man es betrachten will - auch dazu, dass es in irgendeiner Form ein Gesetz geben muss, wo drinnensteht, was die Rechte und Pflichten der Menschen sind, die einen bestimmten Beruf ausüben.
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