Landtag, 22. Sitzung vom 26.04.2023, Wörtliches Protokoll - Seite 38 von 55
Diese Untersuchungskommission ist dadurch zum Teil zu einer Zudeckungskommission geworden, so wie man vorher nicht darüber geredet hat, wenn man die Notkompetenz nutzt. Das darf niemand in der Stadt wissen, 700 Millionen, niemand darf es erfahren, das machen wir alles geheim. „Unverzüglich“ diskutieren wir dann auch ewig, das gefällt mir auch. Dann heißt es, es ist kein Schaden passiert. Ja, man kann natürlich schon eine Vorgangsweise wählen und am Schluss Glück haben und sagen, es ist nichts passiert. Es ist trotzdem die Frage, ob man es noch einmal macht. Wenn jemand mit 200 km/h in der Nacht über den Gürtel brettert und keinen Unfall hat, hat er Glück gehabt. Ich würde trotzdem nicht empfehlen, das jeden Tag zu wiederholen, denn irgendwann wird es einen Crash geben. Hier haben wir genau das. Die SPÖ ist so zufrieden, dass nicht wahnsinnig viel Geld sofort verschwunden ist, dass sie glaubt, das immer wiederholen zu können.
Wir haben mit Herrn Pühringer eine sehr gute Vorsitzführung, aber er verzweifelt fast zwischendurch. Wenn man ihm genau zuhört, sitzt er ja dort und sagt: Ich habe das beantragt, es wurde nicht geliefert. Er hat dann Zeugen gebeten, er hat sogar dem Bürgermeister, dem Magistratsdirektor, allen möglichen Zeugen höflich gesagt: Würden Sie bitte in Ihrem Wirkungsbereich darauf schauen, dass die Briefe, die ich dort zum Liefern von Unterlagen hinschicke, nicht nur gelesen werden, sondern dass vielleicht irgendjemand etwas macht. Er hat kein weiteres Instrument. Das muss man schon als Defizit sehen. Bis jetzt wurde das halt nicht ausgenutzt, bis jetzt war es kein Problem, weil man mit den Regeln nicht so gespielt hat. Aber wenn die SPÖ, wenn der Magistrat die Regeln jetzt so auslegt, wenn ich es nicht liefere, passiert nichts, außer dass der Brief noch einmal kommt und noch einmal kommt und noch einmal kommt und noch einmal kommt und es hat keine weiteren Folgen, dann funktioniert es nicht. Offensichtlich ist dieses Instrument durch diese gewählte Vorgehensweise so entwertet worden, dass es dringend notwendig ist, dass Änderungen kommen. (Beifall bei GRÜNEN und ÖVP.)
Diese Änderungen betreffen natürlich unter anderem Notkompetenz. Man muss schon noch einmal erklären: Notkompetenz kommt immer wieder vor, Bezirke, macht der Bürgermeister. Nehmen wir einmal den Schnitzel-Gutschein, an den sich alle noch erinnern können. Der Bürgermeister sagt, die WienerInnen brauchen einen Schnitzel-Gutschein. Es ist Wahlkampfjahr, es ist ein paar Monate vor der Wahl, es hat keinen Zusammenhang, es war nur wegen Corona. Wir brauchen einen Schnitzel-Gutschein, ich brauche eine Notkompetenz. Was hat er gemacht? - Eine Pressekonferenz, er hat sich hingestellt und gesagt, da gibt es den Schnitzel-Gutschein. Alle waren sofort informiert. Die Medien mussten darüber berichten, man wollte, dass es alle wissen. Was hat man diesmal gemacht? 700 Millionen EUR, viel, viel mehr Geld, verschoben (Abg. Dr. Kurt Stürzenbecher: Verschoben?), den Koalitionspartner - nebenher gesagt, nicht einmal alle StadträtInnen der eigenen Fraktion, das wissen wir immerhin aus den Zeugenbefragungen -, natürlich nicht die Öffentlichkeit, nicht die Medien, kein Gremium und nichts informiert.
Jetzt streiten wir darüber, was unverzüglich heißt. Das habe ich natürlich schon gemacht. Ich habe einfach Leute auf der Straße gefragt: Wie schnell ist unverzüglich? Da kommt immer das Gleiche, man kann aber auch den Duden nehmen. Unverzüglich heißt also - falls irgendjemand Zweifel hätte, ob das nächstes Jahr oder in drei Jahren oder zur Goldenen Hochzeit bedeutet - auf der Stelle, augenblicklich, ohne Aufschub, schleunigst, sofort. Das heißt unverzüglich, sagt der Duden. Das haben ja auch alle gewusst. Das wissen der Bürgermeister und der Magistrat auch. Jetzt reden wir uns ein, unverzüglich heißt so etwas Ähnliches wie 44 Tage, 6 Wochen, 8 Wochen, wenn es Anfang vom Sommer ist, ist es sogar im Herbst oder so, nächste Jahreszeit. Ich glaube, es heißt, nächste Jahreszeit, aber nur, wenn die eine, ich weiß es nicht ... Man redet uns ein, unverzüglich heißt nicht das, was jeder Mensch in seinem Sprachgebrauch meint und kriegt sogar eine juristische Auslegung. Es tut mir immer leid, dass Leute, glaube ich, gezwungen werden, so etwas zu schreiben.
Wenn Juristen, Juristinnen etwas schreiben, dann meinen sie das sehr genau. Wenn einmal in einem Paragraph unverzüglich steht und im Paragraph ein bisschen später steht, nächste Sitzung, dann sind das nicht zwei verschiedene Wörter, weil das SchriftstellerInnen sind, die sagen, ich muss ein bisschen bei der Wortwahl abwechseln, damit es beim Lesen spannender ist, sondern sie meinen damit nicht dasselbe. Mensch, wir haben ja alle mit Juristinnen und Juristen zu tun! Die meinen das genau so, wie sie es sagen. Da steht drin nächste Sitzung, das ist die nächste Sitzung. Da steht drin unverzüglich, das heißt das, was es immer heißt: gleich, sofort, schleunigst. Das ist nicht passiert. Ich kann daraus nur ein schlechtes Gewissen ableiten. Man wollte es möglichst lang hinauszögern, damit es niemand erfährt.
Das hätten wir gerne alles geändert. Wir bringen deswegen einen Antrag ein, dringend notwendige Reform der politischen Kontrollrechte in Wien. Da steht jetzt im Wesentlichen drin - wer ihn noch nicht gelesen hat -, es möge eine Arbeitsgruppe eingerichtet werden, die sich um das alles kümmert, ein Fünf-Parteien-Arbeitskreis. Ich höre, das steht eh auch im Koalitionspapier, dass man zumindest die verschiedenen Punkte weiterentwickelt. Wir haben ja tatsächlich die Untersuchungskommission ein Stück weit weiterentwickelt, nur sind ein paar große Fehler leider übrig geblieben. Ich bin froh, dass wir als Vorsitzführung einen Richter haben, der sie führt, und nicht ein Politiker des Hauses. Ich würde mich nicht freuen, wenn sich Herr Reindl dort so benehmen dürfte wie Herr Sobotka, sondern ich bin froh, dass es Herr Pühringer leitet und das ein unabhängiger Richter macht. Der Antrag lautet, wir machen heuer im Landtag noch neue Regeln, falls es dann in der nächsten Zeit noch vor der nächsten Wahl eine Untersuchungskommission geben sollte, dass sie nach neuen Spielregeln funktionieren kann. Das ist eigentlich einfach. Die neuen Spielregeln werden erst beschlossen, nachdem sie hier herinnen sind, dass wir uns zusammensetzen und darüber reden, ob wir das wollen,
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