Landtag, 23. Sitzung vom 21.06.2023, Wörtliches Protokoll - Seite 62 von 68
was andere Krisenzentren vielleicht nicht leisten können - Kinder, die diese Krisenzentren sonst vielleicht sprengen würden -, dort eine besondere Betreuung bekommen sollen. Es war schwierig, weil wir das entsprechende Personal lange nicht gefunden haben und auch jetzt das sozusagen in einer anderen Konzeption, als vorgesehen war, betreiben müssen. Dieser Personalmangel soll keine Ausrede sein, aber er ist nun einmal ein Fakt, den man hinnehmen muss. Das heißt nicht, dass man sagt, okay, kann man nichts machen, leider herrscht Personalmangel, müssen wir hinnehmen. - Nein, das heißt, dass man andere Wege beschreiten muss, das heißt, dass man kreative Lösungen finden muss. Wir haben im Bereich der MA 11 zum Beispiel Sozialpädagoginnen und -pädagogen in Ausbildung als zusätzliche Unterstützungskräfte herangezogen. Das kann jetzt nicht alle Probleme lösen, aber es ist ein weiterer Puzzleteil, der durchaus für Entlastung gesorgt hat, und da werden noch weitere folgen.
Sie können sich ganz sicher sein, Frau Kollegin Berner, dass für die MA 11 die Kinder- und Jugendhilfe, die Zustände in den Wohngemeinschaften, in den Krisenzentren, die Arbeitsbedingungen für die Kolleginnen und Kollegen und vor allem die Sicherheit und die Geborgenheit und die gute Betreuung der Kinder in diesen Einrichtungen ganz oben auf der Prioritätenliste stehen. Das sage ich auch ganz bewusst im Hinblick auf die Budgetverhandlungen.
Kreative Lösungen haben wir auch im medizinischen Bereich gesetzt: Ich darf auf die School Nurses verweisen, die genauso ein Beispiel dafür sind, wie man in Zeiten eines Personalmangels trotzdem wichtige Schritte für die Kinder in unserer Stadt setzen kann.
Abschließend möchte ich noch auf ein Projekt hinweisen, das ganz kurz nur im Bericht vorkommt, aber mir persönlich einfach ein Herzensanliegen ist. Wir haben schon ein paar Mal hier darüber gesprochen, ich mache trotzdem kurz nochmals eine Einführung, weil ich immer wieder draufkomme, dass viele Leute nicht wissen, wer Care Leaver sind. Care Leaver sind junge Erwachsene, die in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe erwachsen geworden sind. Sie waren in ihren Herkunftsfamilien Verwahrlosung, Gewalt, psychischer, physischer Gewalt, schlimmstenfalls sexueller Gewalt ausgesetzt und wurden dann in Einrichtungen, in Wohngemeinschaften der Kinder- und Jugendhilfe betreut. Das passiert übrigens nicht einfach so, sondern das ist immer der letzte Schritt, wenn alle anderen Unterstützungsmaßnahmen nicht wirken, um die Kindeswohlgefährdung abzuwenden. Dann wird die Fremdunterbringung in einer Wohngemeinschaft veranlasst.
Ja, und diese Care Leaver stehen nach ihrem Auszug vor der Herausforderung, sehr oft von einem Tag auf den anderen, ihr Leben selbstständig bestreiten zu müssen. Sie haben daher auf Grund der erlittenen Erfahrungen in Herkunftsfamilien Traumata, die dadurch passiert sind, einfach viel schlechtere Startvoraussetzungen als die Durchschnittsbevölkerung, Durchschnittsjugendlichen oder jungen Erwachsenen. Sie haben schlechtere Bildungsabschlüsse, sind daher öfters vom Sozialsystem abhängig, laufen viel größere Gefahr, obdachlos zu werden und auch die Kriminalität unter Care Leavern ist deutlich höher als in der Durchschnittsbevölkerung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das sind wirklich die jungen Erwachsenen in unserer Stadt, die unserer Hilfe mit am dringlichsten brauchen. Das sind junge Erwachsenen, die absolut nichts dafür können, was ihnen in ihrem Leben passiert ist. Sie haben haarsträubende Biographien und stehen dann aber vor der Herausforderung, ihr Leben selbstständig und selbstbestimmt bestreiten zu müssen. Diese brauchen von uns einfach mehr Unterstützung. Die Stadt Wien tut da schon seit vielen Jahren einiges, zum Beispiel, dass Wohnungen vermittelt werden, zur Verfügung gestellt werden. Und wir haben jetzt etwas Neues eingeführt, und darauf bin ich sehr stolz, weil wir uns sehr lange damit beschäftigt haben, nämlich einen Beratungsgutschein über 45 Stunden für jeden Care Leaver, für jede Care Leaverin, die sie bis zum Alter von 24 in Anspruch nehmen können. Das soll als ein Sicherheitsnetz fungieren. Das heißt, wenn man als Care Leaver/Care Leaverin in eine Notlage kommt, ein Problem hat, kann man sich, bevor es eskaliert, bevor man in die Obdachlosigkeit abrutscht, bevor man einen Job verliert, bevor man eine Ausbildung abbricht, nochmals Beratung holen. Man kann zu den ehemals betreuenden Sozialpädagoginnen/Sozialpädagogen im besten Fall gehen und sich dort, wo schon eine Bindung existiert, Rat und Hilfe suchen. Das kann eine ganz direkte sozialpädagogische Unterstützung sein durch Gespräche, das kann aber auch nur eine Wegweiserfunktion in andere soziale Unterstützungsleistungen sein. Auch das hilft oft schon, weil da einfach sehr viel Wissen nicht vorhanden ist. Das kann auch Hilfe bei Alltagsfragen sein, wie sie jeder und jede von uns im eigenen Bereich, vielleicht aus dem familiären Umfeld gewohnt ist, den diese jungen Erwachsenen natürlich nicht haben.
Das ist auch eine Maßnahme, die nicht alle Probleme lösen wird, aber sie ist ein weiterer Punkt in einem großen Feld an Angeboten, das die Stadt Wien jungen Menschen in dieser Stadt zur Verfügung stellt, die unsere Unterstützung ganz dringend brauchen. Wir werden uns jetzt anschauen, wie sehr das angenommen wird, wie gut das funktioniert und wie das die Situation der jungen Erwachsenen beim Übergang in ein selbstständiges und selbstbestimmtes Leben verbessern kann. Wir werden gegebenenfalls, wenn notwendig, dann auch noch weitere Maßnahmen setzen.
Abschließend möchte ich mich bei dir, liebe Dunja, bedanken. Danke für diesen Bericht, danke für deine Arbeit, danke an dein hervorragendes Team. Ich habe ja die große Freude gehabt, schon einige deiner Kolleginnen und Kollegen persönlich kennen zu lernen. Ich bitte dich, richte ihnen ganz liebe Grüße und ein riesiges Dankeschön von uns für die professionelle Arbeit im Sinne unserer Kinder und Jugendlichen aus. Ich wünsche euch viel Freude mit eurem neuen Standort und alles Gute für den Organisationsentwicklungsprozess. - Danke. (Beifall bei SPÖ und NEOS.)
Präsident Ernst Woller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abg. Stadler. Ich erteile ihm das Wort.
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