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Landtag, 23. Sitzung vom 21.06.2023, Wörtliches Protokoll  -  Seite 63 von 68

 

Abg. Felix Stadler, BSc, MA (GRÜNE)|: Vielen Dank. Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann-Stellvertreter! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Sehr geehrte Frau Kinder- und Jugendanwältin!

 

Ich mache es ganz kurz, versprochen. Ich möchte nur auf Grund der Aktualität und weil es auch viel Platz im Bericht findet, noch einmal auf das Thema Inklusion oder Integration im Bildungsbereich und im Schulbereich eingehen. Es war in den letzten Tagen auch wieder medial ein großes Thema, vor allem, weil der UN-Monitoringausschuss in Wien war. Wir können uns den Forderungen, die auch im Bericht sind, nur anschließen.

 

Es wurde heute schon kurz aufgebracht, die Forderung nach einem 11. und 12. Schuljahr, das jetzt endlich auch in Wien, wie in allen anderen Bundesländern, umgesetzt wurde, dass den Anträgen hier auch stattgegeben wurde, dass die Kinder und Jugendlichen weiter in die Schule gehen können. Aber auch der Forderung nach mehr inklusiven Plätzen in Hort und Kindergarten können wir uns nur anschließen. Das muss dringend auch in Wien ausgebaut werden. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Ich möchte auf einen Punkt eingehen, der in den vergangenen Tagen auch viel Diskussion geboten hat. Und zwar war es Thema, dass die Inklusionsquote in ganz Österreich erschreckend niedrig ist, bundesweit, aber vor allem auch in Wien erschreckend niedrig ist. Wien ist das Bundesland mit der allergeringsten Integrationsquote Österreich-weit. Und zwar ist Wien nicht nur das Bundesland mit der geringsten Integrationsquote, sondern auch mit der Integrationsquote, die sich in den vergangenen drei bis vier Jahren noch verschlechtert hat - von einem eh schon geringen Niveau ist es noch schlechter geworden.

 

Was heißt das? In Wien gehen die wenigstens Kinder, die einen SPF, also einen sonderpädagogischen Förderbedarf, haben, in einem inklusiven Setting in die Schule. Während es Österreich-weit ungefähr 60 Prozent der Kinder sind, die in einem inklusiven Setting in die Schule gehen, sind es Wien-weit nur noch 45 Prozent. Vor 3, 4 Jahren waren es noch 50 Prozent, die entweder in eine Integrationsklasse gegangen sind oder in einer Sonderschule in eine Integrationsklasse, auch das gibt es. Jetzt sind es leider nur 45 Prozent. Diese Verschlechterung in Wien ist ein Riesenauftrag an die jetzige Stadtregierung, dass diese Verschlechterung der letzten drei Jahre schleunigst zu stoppen ist. Und dann ist auch die Integrationsquote in Wien endlich wieder anzuheben, weil, wie Kollegin Emmerling schon gesagt hat, jedes Kind ist gleich viel wert und besonders diese Kinder brauchen all unsere Unterstützung. Dass Wien das allerletzte Bundesland ist und das letzte Bundesland vor allem noch im Sinne der Verschlechterung ist, ist wirklich ein Armutszeugnis für die inklusive Bildung der Stadt, und das gehört schleunigst wieder geändert. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Präsident Ernst Woller: Danke schön, es liegt nun keine Wortmeldung von Abgeordneten mehr vor. - Ich erteile nun Frau Kinder- und Jugendanwältin Dunja Gharwal das Wort und ersuche um ihre Wortmeldung.

 

15.55.53

Kinder- und Jugendanwältin Dunja Gharwal, MA|: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Landesrat! Werte Abgeordnete! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher via Livestream, und ganz besonders liebe Kinder und Jugendliche dieser Stadt!

 

Ich darf heute das Jahr 2022 aus kinderrechtlicher Perspektive rekapitulieren. Die Auswirkungen der Pandemie auf Kinder und Jugendliche haben uns ganz besonders beschäftigt, zumal die Zeit der Isolation und der Schließung von Bildungseinrichtungen, der Verlust von Austausch mit FreundInnen und Familie nicht kompensierbar ist. Doch gerade diese Elemente der Entwicklung und Förderung sind in Österreich rechtlich verbrieft. Mit dem Kindeswohlvorrangigkeitsprinzip ist es uns gelungen, eine juristische Konstruktion zu bauen, die das Wohl des Kindes immer an erste Stelle stellt.

 

Die Kinder- und Jugendanwaltschaft hat sich 2022 zum Ziel gesetzt, die Anwendung dieses Prinzips etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Dabei sind wir auf eine enttäuschende Wirklichkeit gestoßen: Zwar haben wir hier Recht geschaffen, doch halten wir uns häufig nicht an die damit einhergehenden Verpflichtungen. Beispielsweise muss jedes Gesetz, jede Novellierung auf das Kindeswohlvorrangigkeitsprinzip geprüft werden, bevor es umgesetzt wird. Diese Prüfung wird jedoch nicht durchgeführt. Auf Bundesebene vermissen wir die Durchführung der wirkungsorientierten Folgeabschätzung, auf Landesebene ist sie gesetzlich gar nicht verankert. Das Kindeswohlvorrangigkeitsprinzip ist von der Idee und der rechtlichen Ausgestaltung her ein sehr starkes Instrument, denn damit lässt sich auch die Notwendigkeit von Kinderschutzkonzepten für alle Organisationen, Unternehmen und Einrichtungen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, als auch Betriebe, in denen Lehrlinge ausgebildet werden, ableiten.

 

Kinderschutzkonzepte sind vor allem präventive Maßnahmen, die unsere Kinder und Jugendlichen schützen sollen. Das wollen wir als Gesellschaft, das wollen wir als Eltern und das will ich als Mutter. Wir haben durch die Pandemie gelernt, dass es bei Bedarf schnell gehen kann, wichtige Maßnahmen zügig umzusetzen. Daher frage ich: Warum zögern wir im außerfamiliären Kinderschutz? - In Wien ist die Realisierung von Kinderschutz in einem ersten Schritt mit der Novellierung des Kindergartengesetzes gelungen.

 

Für 2023 stehen nun der Schulbereich und die außerschulische Bildung an, in gleicher Manier den Kinderschutz zu verwirklichen. Durch die Aufarbeitung der dramatischen Ereignisse in den Kinderheimen vor Jahren haben wir gelernt, dass strukturelle Gewalt zu einer ausgeprägten Form von Traumatisierung führt, die ein ganzes Leben anhält und eine aktive Teilnahme an der Gesellschaft und der Führung eines selbstbestimmten Lebens entgegensteht. Armut ist eine weitere Folge, auch umgekehrt wissen wir, dass Armut bereits in der Kindheit maßgeblich die Entwicklung von Kindern hemmt, Ausschluss produziert und mitunter traumatische Erfahrungen erzeugen kann. Besonders schwer von Armut betroffen sind Kinder mit besonderen Bedürfnissen, denn Armut und Behinderung gehen oft Hand in Hand beziehungsweise bedingen einander. Obwohl sie dieselben Rechte wie alle

 

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