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Landtag, 34. Sitzung vom 19.06.2024, Wörtliches Protokoll  -  Seite 60 von 79

 

Bildungssystem zu schaffen, wo Kinder und Jugendliche dabei angeleitet werden, die beste Version ihrer selbst zu entdecken und damit die Zukunft zu erobern.

 

Jedoch bleiben die konkreten Taten hinter den ambitionierten Zielen zurück. Obwohl wir den politischen Willen und die institutionelle Unterstützung haben, mangelt es an der praktischen Umsetzung und an nachhaltigen Maßnahmen, die tatsächlich im Alltag der Betroffenen ankommen. Es fehlen ausreichende Ressourcen, spezialisierte Fachkräfte und angepasste Strukturen, um den inklusiven Ansprüchen wirklich gerecht zu werden. Die Umsetzung von Inklusion im Bildungssystem steht oft vor bürokratischen Hürden und mangelnder Finanzierung. Zudem sind viele Bildungseinrichtungen in pädagogischer Hinsicht noch nicht genügend auf die Vielfalt der Bedürfnisse vorbereitet. Deshalb ist es entscheidend, dass die Kinder- und Jugendanwaltschaft als Ombudsstelle und Menschenrechtsinstitution sich weiterhin dafür einsetzt und konkrete Schritte fordert, um Inklusion nicht nur als theoretisches Ziel, sondern als gelebte Praxis zu verankern. Es braucht ein gemeinsames Engagement von Politik, Institutionen, Bildungseinrichtungen und der Gesellschaft, um die nötigen Veränderungen zu bewirken und sicherzustellen, dass alle Kinder und Jugendlichen in ihren unterschiedlichsten Bedürfnissen und Fähigkeiten unterstützt und gefördert werden, denn eine inklusive Bildungslandschaft ist ein wesentlicher Bestandteil für ein selbstbestimmtes Leben.

 

Gerade Kindergärten und Schulen sind auch in Kinderschutzperspektive wichtig und relevant. Das pädagogische Personal sieht die Kinder und Jugendlichen jeden Tag, sie sind die Sensoren des Kinderschutzes. Sie sehen, wenn sich Kinder immer mehr zurückziehen, sie hören, wenn Freundschaften abgebrochen werden, oder erfahren, wenn die Schule geschwänzt wird. PädagogInnen sind daher die wichtigsten PartnerInnen im Kinderschutz.

 

Kinderschutzkonzepte sind verpflichtend und müssen bereits von jeder elementarpädagogischen Einrichtung und mit Schulstart 2024 von jeder Schule vorgelegt werden. Ziel ist es, dass Lehrkräfte Hinweise auf innerfamiliäre und außerfamiliäre Gewalt erkennen können, ihre Wahrnehmungen mit den Kinderschutzbeauftragten teilen, damit diese entsprechende Maßnahmen einleiten können. Kinderschutzbeauftragte sind dabei Anlaufstelle, Dreh- und Angelpunkt der Kommunikation und Vertrauensperson für Kinder und Jugendliche am jeweiligen Standort. Darüber hinaus sind Kinderschutzkonzepte auch im informellen Bildungsbereich zunehmend ein Thema. Sportvereine, Kunst- und Kulturbetriebe, Fahrtendienste, Schwimmbäder, und viele mehr sind mit Kinderschutzkonzepten, der Schulung ihrer Mitarbeiter und ihrer Kinderschutzbeauftragten befasst. Um diesen außerfamiliären Kinderschutz in Organisationen, Vereinen und Betrieben besser zu erfassen, braucht es auch politischen Mut, entsprechende gesetzliche Grundlagen zu schaffen, denn Kinderschutz gelingt nur gemeinsam. Es liegt an jedem Einzelnen von uns, hinzusehen, zuzuhören und der jeweiligen qualifizierten Person am Standort beziehungsweise in einem Kinderschutzzentrum die eigene Wahrnehmung über einen Verdacht einer möglichen Kindeswohlgefährdung zu berichten.

 

Das Thema Bildung hat uns im letzten Jahr in vielen Facetten beschäftigt. Wir als KIJA haben uns viele Fragen gestellt. Wie wird die kindgerechte Schule Wirklichkeit? Wie können Lehrpläne der Zukunft gestaltet werden, wenn wir doch die Herausforderung der Zukunft nur vermuten können? Wie gehen wir mit Gewalt im öffentlichen Raum um? Partizipation ist hier ein wesentlicher Faktor, um Gewalt in all ihren Formen zu reduzieren. Kinder und Jugendliche, die sich informieren können, gehört werden und mitentscheiden können, können sich besser ausdrücken und mitteilen. Sie können Konflikte konstruktiv lösen, haben mehr Vertrauen, wenn ihre Anliegen ernst genommen werden. Dieses Wissen hat uns in unserer Arbeit auch in diesem Jahr begleitet, ob beim Austausch mit Dienststellen, Vereinen und internationalen Organisationen, in Weiterbildung zum Thema Kinderschutz, bei der Aktualisierung der Wiener Mobbingbroschüre gemeinsam mit den befassten Organisationen, beim Einbringen von Stellungnahmen zu Gesetzentwürfen oder bei der Mitgestaltung der Konferenz Kinderrechte als Chance und Auftrag im Klimaschutz.

 

Um Bildungsangebote erfolgreich und qualitätsvoll sicherzustellen, müssen auch psychosoziale und medizinische Unterstützungsangebote bedarfsgerecht und flächendeckend ausgebaut werden. Der Pilot der Gesundheitsteams an Bildungsstandorten, besser bekannt als Projekt „School Nurses“, hat eindrucksvoll gezeigt, wie multiprofessionelle Zusammenarbeit gelingen kann und welche präventive Wirkung sie entfaltet. Prävention bedeutet vorbeugen und umfasst Maßnahmen und Strategien, die darauf abzielen, das Eintreten unerwünschter Ereignisse oder Zustände zu verhindern. In unserer Gesellschaft hat sich Prävention in verschiedenen Bereichen als Standard etabliert: Unfall-, Sucht-, Sicherheits-, Gesundheitsprävention sind gebräuchliche Begriffe. Bei genauer Betrachtung erkennen wir jedoch die unzureichende Ausrollung von gesundheitspräventiven Maßnahmen und Strategien.

 

Ich schließe mich hier den Empfehlungen des Patientenanwaltes an. Prävention muss bereits im Kindergarten beginnen. Es ist wichtig, dass Kinder schon früh Wissen darüber erwerben, wie gesunde Ernährung funktioniert, warum regelmäßige Bewegung und Sport bedeutungsvoll sind und wie psychische Gesundheit gestärkt werden kann. Da sind insbesondere auch die Gesundheitskassen gefordert, ihren Beitrag zu leisten und das multiprofessionelle Arbeiten im Team zu ermöglichen. An Bildungsstandorten sind Kinder und Jugendliche jeden Tag erreichbar. Warum also nicht die Leistungen der Krankenkassen dort anbieten, wo die Adressatinnen und Adressaten bereits sind?

 

In der sozialen Arbeit sprechen wir gerne davon, die Betroffenen dort abzuholen, wo sie sich befinden. Gemeint ist damit ihre psychosoziale Verfasstheit. Es hat sich jedoch gezeigt, dass es auch um die physische Präsenz der Menschen geht. Denken Sie nicht nur an Street

 

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