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Landtag, 34. Sitzung vom 19.06.2024, Wörtliches Protokoll  -  Seite 61 von 79

 

work oder an Parkbetreuung und ähnliche Angebote, Kooperation gelingt immer dort, wo sich Betroffene sicher und wohl fühlen, also an ihren vertrauten Orten.

 

Diese Logik kann nicht nur in Bildungseinrichtungen bedeutungsvolle Veränderungen hinsichtlich der Gesundheitsprävention und Gesundheitsvorsorge darstellen, sondern auch in anderen städtischen Dienstleistungen. Beispielsweise zeigt das ambulante Angebot Home-Treatment, das gemeinsam mit dem PSD und dem AKH durchgeführt wird, eine hohe Nachfrage. Oder denken wir an die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe. Ambulante Angebote auszubauen, mit den Familien in ihrem vertrauten Umfeld zu arbeiten und kontinuierliche Beziehungsangebote zu setzen, stärkt Familien.

 

Darüber hinaus gilt es, die Selbstwirksamkeit von Familien im Lernen voneinander sichtbar zu machen. Gruppen-Settings, Multifamilientherapie, Peer-Arbeit, und vieles mehr sind Formate, die auf Empowerment setzen und lösungsorientiert ausgerichtet sind. Der Fokus liegt auf den Fähigkeiten der Menschen und darauf, diese auszubauen, die Gemeinschaft zu stärken und den Zusammenhalt zu fördern. Vorbehalte verschwinden dadurch, Vertrauen wächst, und Unterstützung wird gegeben und angenommen. Gerade im urbanen Raum zeigt sich das zunehmende Bedürfnis der BewohnerInnen nach Grätzlgemeinschaft, Grätzlarbeit, verkehrsberuhigten Grätzlzonen und mehr Grünflächen und Erholungsräumen. Gemeinsam die Stadt gestalten, aufeinander schauen und füreinander da sein: Das gelingt nur durch entsprechende Moderation. Das ist das Herzstück verantwortungsbewusster Nachbarschaften, und genau dieser Community-Ansatz wird sich auch im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe als nachhaltiges Konzept durchsetzen.

 

Eine unserer wichtigsten Aktivitäten unmittelbar mit Kindern und Jugendlichen ist das schon angesprochene Monitoring von Wohngemeinschaften und Krisenzenten, die ich nach wie vor bevorzugt als Schutzwohnungen bezeichnen möchte. Gerade, wenn wir Kinder und Jugendliche in Wohngemeinschaften kennen lernen dürfen, wird uns bewusst, wie verunsichert diese junge Menschen hinsichtlich ihres eigenen Könnens, ihrer Selbstwirksamkeit und Selbsterhaltungsfähigkeit sind. Sie alle sind durch unterschiedliche Gewalterfahrungen und schließlich Gefährdungsabklärungsprozesse gegangen und mussten sich der Tatsache stellen, nicht mehr in ihrer Ursprungsfamilie leben zu können. Diese Entscheidung wurde zu ihrem Schutz getroffen, einem Schutz vor Gewalt und Vernachlässigung, den die Familien nicht bieten konnten.

 

Lassen Sie mich hier ein bisschen präziser werden: Die fachliche Einschätzung einer Kindeswohlgefährdung wird niemals leichtfertig getroffen. Die Kolleginnen und Kollegen der Kinder- und Jugendhilfe prüfen im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten akribisch, ob ein gelinderes Mittel zur Anwendung kommen kann. Unter gelinderem Mittel verstehen wir ambulante Angebote innerhalb der Familie, also zu Hause im gewohnten Umfeld. Doch gerade da fehlen nach wie vor zeitnahe und hochfrequente Angebote. Im Kinderschutz dürfen wir Familien nicht monatelang sich selbst überlassen, weil Unterstützungsmaßnahmen limitiert sind. Der bedarfsorientierte Ausbau der ambulanten Angebote ist daher entscheidend für die qualitätsvolle stationäre Fremdunterbringung, also die Arbeit in den Wohngemeinschaften in Wien. Unsere Aufgabe ist es, das Augenmerk verstärkt auf die oftmals selbst sehr bedürftigen Eltern zu legen und mit ihnen gemeinsam Unterstützungsformate zu kreieren, die das selbstbestimmte Leben der Familie im Sinne der Kinderrechte ermöglicht, denn der erste Tag der stationären Fremdunterbringung der Kinder ist auch der erste Tag der Arbeit an der Rückführung der Kinder zurück in die Familie.

 

Wie bedeutungsvoll die Arbeit im Rahmen des Monitorings ist, sehen wir nicht nur in der Kinder- und Jugendhilfe und in privaten Trägern von Wohngemeinschaften, sondern auch durch den Besuch des Jugenddepartments der Justizanstalt Josefstadt. Wir haben dort zwei Sprechtage installiert. Wir führen das unangekündigte Monitoring weiter, das wird in einem Dreierteam bespielt. Die Sprechtage sind so stark gefragt, dass wir mittlerweile zwei Zweierteams in die Josefstadt schicken müssen. Die Situation für die Jugendlichen in der Josefstadt hat sich auch hinsichtlich der pädagogisch geschulten Justizwachebeamten verbessert. Eine Gefährdung dieser positiven Entwicklung ist zu befürchten, da die Justizanstalt Gerasdorf geschlossen wurde und die Justizanstalt Simmering mit dem Ausbau des Jugenddepartments noch nicht begonnen hat. Die Josefstadt wird daher als Zwischenlösung für die jugendlichen Insassen verwendet, und wir vermuten einen Verlust der Qualität an diesem Standort für die Burschen und auch die Mädchen - es sind verhältnismäßig immer mehr Burschen als Mädchen.

 

Die Biographie von ehemaligen Insassen begleitet uns auch im Rahmen unserer Tätigkeit mit ehemaligen Heimkindern. Die massiven Gewalterfahrungen vieler ehemaliger Heimkinder hat eine lebenslange Auswirkung auf ihre konstruktive Gestaltungsmöglichkeit genommen. Nach wie vor sind wir für viele Betroffene Anlaufstelle, um Unterstützung hinsichtlich psychotherapeutischer Angebote zu erhalten oder Beratung bei der Beantragung ihrer Heimopferrente oder Invaliditätspension in Anspruch zu nehmen. In Zusammenarbeit mit dem PSD und dem fachlichen Austausch mit dem Weissen Ring gelang uns, in den letzten fünf Jahren ein Konzept zu entwickeln, diesen Menschen voller Respekt für ihre Lebensgeschichte zu begegnen. Das ernsthafte und authentische Interesse an ihrer Wahrnehmung des Erlebten beschreiben die Betroffenen entscheidend für das Vertrauen in staatliche Institutionen. Ich möchte mich daher auch dieses Jahr verstärkt für eine transparente und kontinuierliche Entschädigungsleistung für diese Personengruppe aussprechen. Kinder und Jugendliche, die in der stationären Fremdunterbringung Gewalt und Missbrauch erlebt haben, haben einen Rechtsanspruch auf Entschädigung. Die gesetzlichen Rahmen im Sinne dieser Kinder und Jugendlichen zu gestalten, obliegt auch den jeweiligen Ländern.

 

Geschätzte Kinder und Jugendliche! Werter Landtag! Ich habe euch/Ihnen einen Auszug aus meiner Arbeit skizziert. Lassen Sie mich noch ein wenig ausholen, wo die Reise der Kinderrechte hingeht. Als Kinder- und Jugendanwaltschaft haben wir uns neu organisiert. Wir sind ein

 

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