Landtag, 35. Sitzung vom 04.09.2024, Wörtliches Protokoll - Seite 13 von 23
diese Kinder in einer existenziellen Notlage alleine zu lassen, diesen Kindern nicht zu helfen, wenn ihnen das Notwendigste fehlt, darüber kann man mit uns nicht diskutieren. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Der Schutz der Kinder in unserer Gesellschaft entscheidet über die Frage von Zivilisation oder Barbarei. Schutz von Kindern bedeutet Vorrang des Kindeswohls, das heißt, wann immer wir als Politikerinnen und Politiker Entscheidungen treffen, die sich auf Kinder auswirken, müssen wir das Wohl der Kinder vorrangig berücksichtigen. Was bedeutet das nun? So sehr uns das Verhalten von Erziehungsberechtigten im Einzelfall zuwiderlaufen mag, die Kinder können nichts dafür, und es ist unfair, Kinder für etwas zu bestrafen, das ihre Eltern falsch gemacht haben. (Ruf bei der FPÖ: Die österreichischen Kinder werden aber schon bestraft!)
Schutz von Kindern bedeutet Recht auf Gleichbehandlung. Das heißt, kein Kind darf benachteiligt werden, sei es wegen seines Geschlechts, seiner Herkunft, seiner Staatsbürgerschaft, seiner Sprache, Religion oder Hautfarbe, einer Behinderung oder wegen seiner politischen Ansichten. Was bedeutet das? Es darf für die Unterstützung der Kinder keine Rolle spielen, woher die Eltern stammen, welcher Religion sie angehören. Alle Kinder in Österreich haben ein Recht, gut und fair behandelt zu werden.
Schutz von Kindern bedeutet, das Recht auf Leben und die Entwicklung von Kindern zu sichern. Da sind wir wieder bei der armutsfesten Kindermindestsicherung. Bildung, Gesundheit, aber eben auch die materielle Absicherung, der Schutz vor Armut, sind die entscheidenden Faktoren für die Entwicklung von Kindern, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei den GRÜNEN. - Abg. Dr. Markus Wölbitsch, MIM: Es geht um das Haushaltseinkommen!)
Vorrang des Kindeswohls, Recht auf Gleichbehandlung, Recht auf Leben und Entwicklung, das habe ich mir nicht selber überlegt, das sind die Grundprinzipien der UN-Kinderrechtskonvention. Eine Politik, die das Wohl der Kinder nicht an erste Stelle reiht, entscheidet sich für die Barbarei. Eine Politik, die Kinder wegen der Herkunft der Eltern benachteiligen will, entscheidet sich für die Barbarei. Eine Politik, die Kinder nicht vor Armut schützt, entscheidet sich für die Barbarei. Sehr geehrte Damen und Herren, der Schutz der Kinder in unserer Gesellschaft entscheidet über die Frage Zivilisation oder Barbarei. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Was mir in dieser Debatte in den letzten Wochen abgeht, ist die Unantastbarkeit des Kindeswohls. Man kann die Entscheidung für sieben Kinder persönlich nicht nachvollziehbar finden. Was aber nicht geht, ist, ein Kind für die Entscheidung und die Lebenssituation seiner Eltern zu bestrafen. Nichts anderes ist es, was Sie fordern - die Bestrafung von Kindern, weil sie mehrere Geschwister haben -, und das ist schäbig, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei den GRÜNEN.) Kinder kosten Geld, und die Kostenbelastung nimmt bei mehreren Kindern eher zu als ab. (Abg. Dr. Markus Wölbitsch, MIM: Nein! … das Wiener AMS …) Das hat auch die ÖVP einmal verstanden. Schauen Sie sich nur die Familienbeihilfe an, sehr geehrter Herr Wölbitsch! Diese hat eine Geschwisterstaffelung eingebaut, und was macht diese Geschwisterstaffelung? Sie staffelt die Leistung nicht nach unten, wenn mehrere Kinder da sind. Sie staffelt die Leistung nach oben, weil auch Sie einmal verstanden haben, dass mehrere Kinder höhere Kosten in einem Haushalt verursachen. (Abg. Dr. Markus Wölbitsch, MIM: Es geht um das Haushaltseinkommen!)
Wenn es um Armutsbetroffene geht, hört das Verständnis bei der ÖVP offensichtlich auf, dabei ist höchstgerichtlich geklärt, dass eine Schlechterstellung von Mehrkindfamilien verfassungswidrig ist. (Beifall bei den GRÜNEN.) Der VfGH hat das schwarz-blaue Sozialhilfe-Grundsatzgesetz in dieser Frage mit einer schallenden Ohrfeige aufgehoben. Ich zitiere: „In dieser Regelung liegt eine sachlich nicht gerechtfertigte und daher verfassungswidrige Schlechterstellung von Mehrkindfamilien, insbesondere kann diese Regelung dazu führen, dass der notwendige Lebensunterhalt bei Mehrkindfamilien nicht mehr gewährleistet ist.“ Das ist eine schallende Ohrfeige für Ihre Politik, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Diese Bestrafung von Mehrkindfamilien erinnert mich fast ein bisschen an die Ein-Kind-Politik in China. Im kommunistischen China sind Mehrkindfamilien bestraft worden, ich will das in Österreich nicht, sehr geehrte Damen und Herren, ich will das in diesem Land nicht. Man kann persönlich finden, dass sieben Kinder zu viele Kinder für einen selbst wären - also für mich wären sie das definitiv -, aber der Staat hat sich verdammt noch einmal nicht in solche Entscheidungen einzumischen. Der Staat hat dort nichts zu suchen, das haben sie selbst in China mittlerweile verstanden. Es wäre an der Zeit, dass auch die ÖVP das wieder versteht, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Gleichzeitig haben wir als Gesellschaft dafür Sorge zu tragen, dass jedes Kind gut leben kann, auch wenn die Eltern nicht in der Lage sind, dafür Sorge tragen zu können. (Abg. Mag. Manfred Juraczka: … das ist das Thema!) Das ist der Unterschied zwischen Zivilisation und Barbarei, Herr Juraczka! (Beifall bei den GRÜNEN.) Die Höhe der Wiener Kindermindestsicherung ist nicht zufällig festgelegt. Die Wiener Kindermindestsicherung ist an der Armutsgefährdungsschwelle der EU-SILC orientiert, das ist nichts, was wir erfunden haben.
Wien ist damit das einzige Bundesland, das mit Kindermindestsicherung und Familienbeihilfe zusammengerechnet an der Armutsgefährdungsschwelle liegt. Ich finde, das ist etwas, worauf man stolz sein sollte, sehr geehrte Damen und Herren. Der untragbare Zustand ist nicht die Höhe der Wiener Kindermindestsicherung, der untragbare Zustand ist, dass in allen anderen Bundesländern die Kinder nicht ausreichend vor Armut geschützt werden. Das ist es, was wir ändern müssen. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Dass es um das Kindeswohl geht, zeigt ja wohl auch, dass die Kindermindestsicherung weg ist, sobald die Kinder volljährig sind. Wir haben eine sehr hohe „Non take up“-Rate wegen dieser Diffamierungskampagnen, wegen
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