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Gemeinderat, 1. Sitzung vom 27.4.2001, Wörtliches Protokoll  -  Seite 25 von 65

 

scheidungsfragen im Wohnviertel. Wir wollen aber auch Bürgerinitiativen die Möglichkeit geben, etwa auf der website der Stadt Wien ihre Vorstellungen zu präsentieren. Und wir wollen das Wiener Wahlrecht reformieren: Wählen mit 16, ein stärkeres Persönlichkeitswahlrecht und ein Wahlrecht für nichtösterreichische Mitbürgerinnen und Mitbürger auf Bezirksebene sollen hier die Schwerpunkte sein. Ich möchte aber auch die Briefwahl einführen. Außerdem bin ich der Meinung, dass all jene, die einen Zweitwohnsitz in Wien haben, in Zukunft nicht vom Wahlrecht ausgeschlossen werden sollen.

 

Zum Schutz der Demokratie gehört für uns auch der Schutz der Medienfreiheit in Wien und die Förderung der Medienvielfalt. Wir werden nicht zulassen, dass die Bundesregierung Medien zu Instrumenten ihrer Politik macht, wie das derzeit mit dem ORF versucht wird. Wir werden demgegenüber die Medienvielfalt, nicht-kommerzielle Medien, Freie Radios, Neue Medien und die Aus- und Weiterbildung von Medienmitarbeitern fördern.

 

Modernität ist heute zur Anpassung an wirtschaftliche Zwänge, zur Individualisierung und Entsolidarisierung verkommen. Wien steht demgegenüber für eine politische Kultur, die auf ein Mehr an Demokratie und gesellschaftlicher Beteiligung, ein Mehr an Wissen und Bildung, ein Mehr an Lebensqualität und vor allem auch ein Mehr an menschlichem Miteinander, Vielfalt und Toleranz zielt. Wien lässt die Gesellschaft nicht auseinanderbrechen.

 

Im Wien des 21. Jahrhunderts soll es mehr Miteinander von Menschen geben, soll es neben individueller Aufgabenerfüllung durch die Bürger auch die gemeinschaftliche Aufgabenerfüllung geben. Wo größere Gestaltungsfreiheit gewünscht wird, soll es sie geben. Wo Schutz und Unterstützung für Schwächere nötig ist, muss es sie geben. Die Stadt soll Eigenverantwortung und größere Gestaltungsfreiheit ermöglichen, Integration, Schutz und Absicherung aber ebenso bieten. Wir werden uns um ein Miteinander der Generationen, der Geschlechter, der Kulturen und Lebensweisen in Wien bemühen.

 

Was Wien von anderen Städten unterscheidet, ist und bleibt das Bekenntnis zur Integration der Zuwanderer in unsere Gesellschaft. Es geht dabei nicht um die Frage OB, sondern WIE das Zusammenleben von "alten" und "neuen" Bürgern funktionieren soll. Dementsprechend lautet die Maxime der Wiener Integrationspolitik: nur ein gedeihliches Miteinander, ein aktives Aufeinanderzugehen kommt allen Bevölkerungsgruppen zugute, während andererseits Intoleranz, Ausgrenzung und wechselseitige Hetze immer nur schaden.

 

Die Schwerpunkte unserer Integrationsarbeit sollen in den kommenden Jahren sein: eine Sprach- und Bildungsoffensive für MigrantInnen, also etwa kostengünstige und bedarfsorientierte Sprachkurse oder BegleitlehrerInnen in den Schulen; mehr Chancen, insbesondere Ausbildungs- und Arbeitsmarktchancen, für die Jugendlichen der 2. und 3. Generation; die besondere Förderung der Eigenständigkeit von Frauen aus Migranten-Familien durch Sprachkurse, Bildungsangebote und vor allem auch Arbeitsmöglichkeiten; die Förderung von integrativem Wohnen. Es soll möglich sein, nach fünfjährigem legalen Aufenthalt spezielle Integrationsgemeindewohnungen beziehen zu können.

 

Migration ist ebenso wie Integration in einer Weltstadt von Format Normalität und soll daher als Normalität gesehen und auch empfunden werden.

 

Wir werden daher einen unnachlässigen, kompromisslosen Kampf gegen jede Form von Diskriminierung, Rassismus und Antisemitismus führen und ich schlage dafür die Ausarbeitung einer "Charta für das Miteinander" in Wien vor, die zukunftsweisend für Toleranz und Weltoffenheit in unserer Stadt werden wird. (Beifall bei der SPÖ.) 

 

Akzeptanz und Toleranz in Wien umschließt alle Menschen, alle Bevölkerungsgruppen, ebenso daher auch Homosexuelle und Transgender Personen. Wir werden homosexuelle Lebensgemeinschaften überall dort gleichstellen, wo immer es uns die Bundesverfassung erlaubt. Und wir werden auch unverzüglich den Entwurf für ein Antidiskriminierungsgesetz im Landtag vorlegen.

 

Wien ist - und das erlauben Sie mir sehr bewusst auch an den Schluss zu stellen - eine lebendige Kulturstadt, in der Alt und Neu aufeinander treffen. Diese Stadt steht dank vieler für Freiheit der Kunst und Vielfalt der Kultur und damit konsequenterweise auch auf der Seite der Kunst- und Kulturschaffenden. Und die Stadt unterstützt sie gegen alle, die die Freiheit der Kunst gefährden, einschränken oder funktionalisieren wollen. Die Maxime der Kulturpolitik ist ein offenes kulturelles Klima, das aktuelle Entwicklungen aufgreift und zu einem Teil des Stadtlebens werden lässt. Daher soll auch die Förderung des neuen, innovativen und autonomen künstlerischen Schaffens und nicht hauptsächlich des reproduzierenden Bereiches erfolgen.

 

Die Stadt nimmt Kultur auch als Wirtschaftsfaktor ernst und wird sie durch ExistenzgründerInnenprogramme mit kulturellem Schwerpunkt fördern. Wien will selbstverständlich in die Kultur investieren und sich zum zentraleuropäischen Kreativitätszentrum entwickeln. Wien will sich als Metropole moderner Architektur ebenso positionieren wie als Designzentrum, als Modestadt, Medienstadt und als Stadt neuer Filmkultur.

 

Im Dialog mit Kunst- und Kulturschaffenden sowie einer interessierten Öffentlichkeit wird Wien ein mittel- bis langfristiges kulturpolitisches Leitbild, das Ziele, Schwerpunkte und die angestrebten Veränderungen formuliert, ausarbeiten.

 

Wir wollen die vielfältige Theaterlandschaft Wiens auch außerhalb des Stadtzentrums erhalten, finanziell absichern und für die große Zahl von Freien Gruppen öffnen. Wir wollen neue Impulse für die Darstellende

 

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