Gemeinderat,
1. Sitzung vom 27.4.2001, Wörtliches Protokoll
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demokratischen Marboe" gäbe es ja nur dann, wenn in den
letzten Jahren sozialdemokratische Kulturpolitik gemacht worden wäre, aber so
war es ja nicht! Es ist ja nicht die sozialdemokratische Ideologiepolitik
fortgesetzt worden, meine Damen und Herren, sondern umgekehrt: Wir haben
Unterstützung gefunden für eine offene, unvoreingenommene, undogmatische
Kulturpolitik in dieser Stadt.
Seien wir doch ehrlich: Wären die Dreijahresverträge
vorher denkbar gewesen? - Es soll jetzt niemand Ja sagen, denn es ist ja
versucht worden, wie ich nachträglich herausgefunden habe.
Seien wir doch ehrlich: Wären die strengen
Unvereinbarkeitsbestimmungen in den großen Kulturvereinen möglich gewesen, wenn
man an den Widerstand denkt, der bestanden hat, bevor wir das überhaupt
konstruktiv diskutieren konnten?
Seien wir doch ehrlich: Gab es konsequent offene
Ausschreibungen in dieser Stadt? Gab es limitierte Funktionsperioden im
Theaterbereich, im Filmbereich, im Tanzbereich? Gab es - Hand aufs Herz -
Transparenz bei der Besetzung von Leitungspositionen oder wurden die einfach
aus den Sekretariaten mit Siebenjahresverträgen abgeschlossen?
Meine Damen und Herren! Heute gibt es das alles und
es gibt noch viel mehr. Wir wissen, dass etwa im Film, im Tanz oder beim
Schauspielhaus ganz klar nachvollziehbare Abwicklungen durchgeführt wurden,
dass nach ganz bestimmten Ausschreibungsmodalitäten besetzt wurde. Wir sind
darauf stolz und wir werden sicherlich - und den Satz werden Sie in den
nächsten zehn Minuten oder so noch ein paar Mal über sich ergehen lassen müssen
- alles tun, damit sich daran nichts ändert! (Beifall bei der ÖVP.)
Ich glaube noch etwas. Wir waren ja selbst alle
überrascht über diese intensive Frage der Medien, aber auch bei jedem Gespräch,
das man in den letzten Wochen geführt hat: Na, wer wird es jetzt werden? Wird
es der Mailath-Pokorny oder wird es der Scholz oder wird es wer immer? - Die
Liste ist ja täglich länger geworden, meine Damen und Herren.
Ich glaube - und ich kann mir nicht vorstellen, dass
es hier jemanden gibt, der das nicht so sieht -, dass diese so intensive
mediale Befassung aus einer ganz ehrlichen und echten Sorge heraus entstanden
ist, dass sich in dieser Stadt nach dem Ergebnis der letzten Wahlen etwas
ändern könnte, aus der Sorge darüber, ob dieses Fenster, das aufgemacht wurde,
jetzt auch offen bleiben wird, ob es weiterhin den Wind des Zulassens, den Wind
des Dialogs, den Wind der Offenheit, der Diskursbereitschaft und der
argumentativen Auseinandersetzung in Wien geben wird und nicht das Gegenteil,
meine Damen und Herren.
In diesem Zusammenhang muss ich schon sagen, weil es
heute auch mehrfach erwähnt wurde, dass die Scholz-Ablöse da nicht gerade etwas
ist, was einem wirklich Hoffnung in diese Richtung vermitteln könnte, um es
einmal so zu formulieren. Denn bei aller Bereitschaft zu einem
Vertrauensvorschuss kann man sich ja doch nicht des Eindrucks erwehren, dass da
dem Neuen auch relativ schnell gezeigt werden sollte, wer, wenn es ernst wird,
der Herr im Haus ist. Ich sage das vorläufig noch mit einem Fragezeichen und
auch mit der Hoffnung, dass dieser scheinbare Griff ans Fenster, um es wieder
ein bisschen oder vielleicht auch ganz zuzumachen, missverstanden wurde. Das nennt man benefit of the doubt. Und doch
war es ein Signal, meine Damen und Herren, das von vielen als solches gesehen
wurde.
Ich möchte mit aller Deutlichkeit sagen, dass in der
Politik die eigene Meinung einfach das Wichtigste ist, und in der Kulturpolitik
wahrscheinlich noch mehr als sonst wo, und zwar als unumgängliche Voraussetzung
für freies Handeln und kreatives Wirken.
Ich glaube, dass der Kulturstadtrat oder die
Kulturstadträtin - wer immer die Freude hat, ein solches Amt zu bekleiden -
sich in allererster Linie als Anwalt der Künste zu verstehen hat, als Anwalt
der Künstlerinnen und der Künstler in dieser Stadt.
Es war jetzt viel von Demut die Rede. Ich glaube, der
Herr Bürgermeister hat das sozusagen begonnen und dann ist es immer
fortgesponnen worden, und ich glaube, es war heute das meistausgesprochene Wort
bei allen Debatten. Gleich am ersten Tag, am Wahlabend, war von Demut die Rede,
und auch dann noch oft und mit ein bisschen gutem Willen, weil auch ich oft
gefragt werde, ob mir das sozusagen schwer fällt, jetzt von der Seite der
Amtsführung hinüberzugehen auf die Seite der Kontrolle. Vielleicht kann man
auch das in gewisser Weise als einen Akt politischer Demut sehen, und ich bin
auch überzeugt, dass Demut in der Politik immer etwas Gutes ist.
Vielleicht hat der Herr Bürgermeister - er wird es ja
am besten authentisch interpretieren können - am Wahlabend, als er das gesagt
hat, auch irgendwo gespürt, dass es da eine Sorge in der Bevölkerung gibt, wenn
in dieser Stadt plötzlich wieder eine absolute Mehrheit da ist. Ich weiß nicht,
wie es Ihnen ergeht, aber auf meinem Schreibtisch liegen viele Briefe, die
einem versichern, dass es diese Sorge gibt.
In der Kulturpolitik hat die politische Demut noch
einen besonderen Stellenwert, weil der Diskurs zwischen Politik und Kultur,
wenn er ernst gemeint wird, auch ein Nachdenken darüber ist - und zwar ein
permanentes Nachdenken -, welchen Stellenwert die Politik bei der
grundsätzlichen Gestaltung des kulturellen Klimas in einer Gesellschaft
einnehmen soll.
Natürlich geht es dann um die Frage: Wie viel Einfluss soll
sie haben? - Ich habe es immer respektiert, wenn die Sozialdemokratie gemeint
hat, wir sollen - oder sie soll - möglichst viel Einfluss haben, etwa in der
Kulturverwaltung. Denn wenn man gleichzeitig Stadtrat und Präsident ist und
selbst den Generalsekretär bis hin zu den Sekretärinnen und Mitarbeitern
benennen kann, dann hat man sehr viel Einfluss in der Kulturverwaltung, und da
wird es dann schwer sein zu sagen, den habe ich nicht. Ich habe das immer
respektiert und ich habe gerade auch mit dem jetzigen Präsidenten -
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