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Gemeinderat, 1. Sitzung vom 27.4.2001, Wörtliches Protokoll  -  Seite 60 von 65

 

demokratischen Marboe" gäbe es ja nur dann, wenn in den letzten Jahren sozialdemokratische Kulturpolitik gemacht worden wäre, aber so war es ja nicht! Es ist ja nicht die sozialdemokratische Ideologiepolitik fortgesetzt worden, meine Damen und Herren, sondern umgekehrt: Wir haben Unterstützung gefunden für eine offene, unvoreingenommene, undogmatische Kulturpolitik in dieser Stadt.

 

Seien wir doch ehrlich: Wären die Dreijahresverträge vorher denkbar gewesen? - Es soll jetzt niemand Ja sagen, denn es ist ja versucht worden, wie ich nachträglich herausgefunden habe.

 

Seien wir doch ehrlich: Wären die strengen Unvereinbarkeitsbestimmungen in den großen Kulturvereinen möglich gewesen, wenn man an den Widerstand denkt, der bestanden hat, bevor wir das überhaupt konstruktiv diskutieren konnten?

 

Seien wir doch ehrlich: Gab es konsequent offene Ausschreibungen in dieser Stadt? Gab es limitierte Funktionsperioden im Theaterbereich, im Filmbereich, im Tanzbereich? Gab es - Hand aufs Herz - Transparenz bei der Besetzung von Leitungspositionen oder wurden die einfach aus den Sekretariaten mit Siebenjahresverträgen abgeschlossen?

 

Meine Damen und Herren! Heute gibt es das alles und es gibt noch viel mehr. Wir wissen, dass etwa im Film, im Tanz oder beim Schauspielhaus ganz klar nachvollziehbare Abwicklungen durchgeführt wurden, dass nach ganz bestimmten Ausschreibungsmodalitäten besetzt wurde. Wir sind darauf stolz und wir werden sicherlich - und den Satz werden Sie in den nächsten zehn Minuten oder so noch ein paar Mal über sich ergehen lassen müssen - alles tun, damit sich daran nichts ändert! (Beifall bei der ÖVP.)

 

Ich glaube noch etwas. Wir waren ja selbst alle überrascht über diese intensive Frage der Medien, aber auch bei jedem Gespräch, das man in den letzten Wochen geführt hat: Na, wer wird es jetzt werden? Wird es der Mailath-Pokorny oder wird es der Scholz oder wird es wer immer? - Die Liste ist ja täglich länger geworden, meine Damen und Herren.

 

Ich glaube - und ich kann mir nicht vorstellen, dass es hier jemanden gibt, der das nicht so sieht -, dass diese so intensive mediale Befassung aus einer ganz ehrlichen und echten Sorge heraus entstanden ist, dass sich in dieser Stadt nach dem Ergebnis der letzten Wahlen etwas ändern könnte, aus der Sorge darüber, ob dieses Fenster, das aufgemacht wurde, jetzt auch offen bleiben wird, ob es weiterhin den Wind des Zulassens, den Wind des Dialogs, den Wind der Offenheit, der Diskursbereitschaft und der argumentativen Auseinandersetzung in Wien geben wird und nicht das Gegenteil, meine Damen und Herren.

 

In diesem Zusammenhang muss ich schon sagen, weil es heute auch mehrfach erwähnt wurde, dass die Scholz-Ablöse da nicht gerade etwas ist, was einem wirklich Hoffnung in diese Richtung vermitteln könnte, um es einmal so zu formulieren. Denn bei aller Bereitschaft zu einem Vertrauensvorschuss kann man sich ja doch nicht des Eindrucks erwehren, dass da dem Neuen auch relativ schnell gezeigt werden sollte, wer, wenn es ernst wird, der Herr im Haus ist. Ich sage das vorläufig noch mit einem Fragezeichen und auch mit der Hoffnung, dass dieser scheinbare Griff ans Fenster, um es wieder ein bisschen oder vielleicht auch ganz zuzumachen, missverstanden wurde. Das nennt man benefit of the doubt. Und doch war es ein Signal, meine Damen und Herren, das von vielen als solches gesehen wurde.

 

Ich möchte mit aller Deutlichkeit sagen, dass in der Politik die eigene Meinung einfach das Wichtigste ist, und in der Kulturpolitik wahrscheinlich noch mehr als sonst wo, und zwar als unumgängliche Voraussetzung für freies Handeln und kreatives Wirken.

 

Ich glaube, dass der Kulturstadtrat oder die Kulturstadträtin - wer immer die Freude hat, ein solches Amt zu bekleiden - sich in allererster Linie als Anwalt der Künste zu verstehen hat, als Anwalt der Künstlerinnen und der Künstler in dieser Stadt.

 

Es war jetzt viel von Demut die Rede. Ich glaube, der Herr Bürgermeister hat das sozusagen begonnen und dann ist es immer fortgesponnen worden, und ich glaube, es war heute das meistausgesprochene Wort bei allen Debatten. Gleich am ersten Tag, am Wahlabend, war von Demut die Rede, und auch dann noch oft und mit ein bisschen gutem Willen, weil auch ich oft gefragt werde, ob mir das sozusagen schwer fällt, jetzt von der Seite der Amtsführung hinüberzugehen auf die Seite der Kontrolle. Vielleicht kann man auch das in gewisser Weise als einen Akt politischer Demut sehen, und ich bin auch überzeugt, dass Demut in der Politik immer etwas Gutes ist.

 

Vielleicht hat der Herr Bürgermeister - er wird es ja am besten authentisch interpretieren können - am Wahlabend, als er das gesagt hat, auch irgendwo gespürt, dass es da eine Sorge in der Bevölkerung gibt, wenn in dieser Stadt plötzlich wieder eine absolute Mehrheit da ist. Ich weiß nicht, wie es Ihnen ergeht, aber auf meinem Schreibtisch liegen viele Briefe, die einem versichern, dass es diese Sorge gibt.

 

In der Kulturpolitik hat die politische Demut noch einen besonderen Stellenwert, weil der Diskurs zwischen Politik und Kultur, wenn er ernst gemeint wird, auch ein Nachdenken darüber ist - und zwar ein permanentes Nachdenken -, welchen Stellenwert die Politik bei der grundsätzlichen Gestaltung des kulturellen Klimas in einer Gesellschaft einnehmen soll.

 

Natürlich geht es dann um die Frage: Wie viel Einfluss soll sie haben? - Ich habe es immer respektiert, wenn die Sozialdemokratie gemeint hat, wir sollen - oder sie soll - möglichst viel Einfluss haben, etwa in der Kulturverwaltung. Denn wenn man gleichzeitig Stadtrat und Präsident ist und selbst den Generalsekretär bis hin zu den Sekretärinnen und Mitarbeitern benennen kann, dann hat man sehr viel Einfluss in der Kulturverwaltung, und da wird es dann schwer sein zu sagen, den habe ich nicht. Ich habe das immer respektiert und ich habe gerade auch mit dem jetzigen Präsidenten -

 

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