Gemeinderat,
2. Sitzung vom 23.5.2001, Wörtliches Protokoll
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ein Sozialdemokrat -, das es der österreichischen Filmindustrie ermöglicht
hätte, dass zum Beispiel Investitionen in den Film steuerlich absetzbar sind,
in letzter Sekunde verhindert haben? - Und der Kollege Morak übernimmt jetzt
eine Situation, die ihm der Staatssekretär Wittmann vorgelegt hat. Also, da
kann doch niemand behaupten, dass der Staatssekretär Morak für die strukturellen
Defizite und Versäumnisse der Jahrzehnte in der Filmpolitik auf Bundesebene verantwortlich
ist! Das wird Ihnen niemand glauben! (Beifall
bei der ÖVP.)
Die ÖVP können Sie - und Chorherr hat das richtig und fair getan - in Bezug
auf ihre Filmpolitik nur daran messen, wo sie Verantwortung gehabt hat. Und wir
scheuen uns auch nicht zu sagen: Bewerten Sie den Kollegen Morak in vier
Jahren, wenn er eine volle Periode zur Verfügung hatte. Dann können Sie zu
Recht kritisieren und sich anschauen, was auf Bundesebene der Fall ist. Ich
gehe davon aus, dass es dann eine bessere Situation sein wird.
Was wir schon jetzt beurteilen können, was den Film betrifft und wo die ÖVP
hier die Verantwortung gehabt hat, ist die Ära Marboe in Wien. Was hat denn der
Dr Marboe - und ich sage Ihnen das schon ein bisschen als Warnung, was
vielleicht auf Sie zukommen könnte - für eine Situation vorgefunden? - Er hat
ein Ordinarium von 40 Millionen S vorgefunden und der Rest der
Filmförderung der Stadt Wien wurde auf der so genannten politischen Schiene
vergeben. Das heißt, dass Dinge, die ohnehin in einem Filmfinanzierungsfonds zu
Stande gekommen sind, von Produzenten teilweise glaube ich in nicht ganz
transparenter Art und Weise mit Doppelgleisigkeit und Unvereinbarkeiten über
eigene Projekte entschieden wurden. Aber die, die dort mit ihren Projekten
nicht durchgekommen sind, sind dann zum Herrn Bürgermeister oder zum jeweiligen
Finanzstadtrat gegangen und der Kulturstadtrat - dem Dr Marboe ist das ja auch
passiert - hat dann eine Liste gekriegt, wo man zum Beispiel gesagt hat, diese
21 Millionen S bekommen Sie, Herr Kulturstadtrat, allerdings unter
der Bedingung, dass das genau jene Filme sind, die hier auf der Liste vorgegeben
sind. Das war der Zustand der Filmwirtschaft im wahrsten Sinne des Wortes, den
wir hier in Wien vorgefunden haben, und eine ähnliche Situation hat der Morak
auch auf Bundesebene vorgefunden! (Beifall
bei der ÖVP.)
Und wir haben das dort, wo wir die Macht und die Zeit gefunden haben, nämlich
in Wien, miteinander verändert und ich sage, das war nicht einfach. Wie in
vielen anderen Fragen sage ich auch der Offenheit und der Fairness halber dazu:
Der Herr Bürgermeister war uns hier ein Verbündeter. Nicht alle sozialdemokratischen
Stadtsenatsmitglieder waren uns Verbündete in dieser Frage, dass Sie jetzt eine
kommode Situation mit 110 Millionen S übernehmen. Ich gebe Ihnen den
Vertrauensvorschuss, dass Sie sich da auch nichts dreinreden lassen werden und
das Sie auch dem neuen Wiener Film Fonds nichts dreinreden lassen, dass dieses
Geld nach objektiven und besten Kriterien für die Wiener Filmwirtschaft
vergeben wird! (Beifall bei der ÖVP.)
Wir waren diejenigen, die glaube ich auch vom Prozess her gerade im Bereich
Film vorbildlich vorgegangen sind. Ich habe selber das erste internationale
Filmhearing zum Thema "Filmstandort Wien" initiiert. Wir haben dort
Referenten aus ganz Europa eingelassen und haben uns die Modelle angehört. Dann
haben wir eine Reform erst der Struktur und des Fonds durchgeführt, dann haben
wir die Position des Geschäftsführers natürlich international ausgeschrieben,
dann hat es eine Besetzung gegeben, die glaube ich in der gesamten Branche und
auch in der Öffentlichkeit sowohl von der Art und Weise als auch in der Form
eine unumstrittene gewesen ist, und dann haben wir auch die nötigen Mittel zur
Verfügung gestellt.
Herr Stadtrat, Sie sind hier stolz drauf gewesen, auch der Ernst Woller war
stolz darauf, dass sozusagen für das Geld, bei dem man der Meinung war, dass es
von Bundesebene für Public Netbase nicht zu bekommen ist, die Stadt Wien
kurzfristig eingesprungen ist. Das ist das politische Recht jeder Mehrheit, das
zu tun. Ich möchte nur wissen: Was war das Kriterium, warum man dieses Geld zum
Beispiel Public Netbase gegeben hat und warum man es nicht zum Beispiel der
österreichischen Filmwirtschaft auf Bundesebene gegeben hat, die ja dort auch
von einer Ihrer Meinung nach bösen schwarz-blauen Bundesregierung um das ihr
zustehende Geld gebracht wurde? Warum die einen ja und die anderen nicht? Oder
positioniert sich Wien sowieso in die Richtung, dass man sagt, alles was auf
Bundesebene gekürzt wird, wird die Stadt Wien entsprechend ersetzen? - Das kann
ich mir nicht vorstellen. Sie werden aber der österreichischen Filmindustrie
beantworten müssen, warum Sie das für bestimmte Institutionen getan haben, wie
zum Beispiel für Public Netbase, und warum Sie es für den österreichischen Film
nicht getan haben. Ich weiß natürlich, warum Sie es nicht getan haben, weil Sie
es budgetär natürlich nicht machen können. Aber es ist die politische
Verantwortung der jetzigen Verantwortungsträger, für wen sie in Zukunft mehr
Geld ausgeben werden und für wen sie das nicht tun. (Beifall bei der ÖVP.)
Zum Abschluss möchte ich noch sagen, was die Sache mit dem "Drehbuch -
Drehbuch - Drehbuch" betrifft: Das ist natürlich absolut richtig. Da darf
ich uns auch ein bisschen auf die Fahnen heften, dass wir es zum Beispiel
waren, die dafür gesorgt haben, dass die einzige private "Drehbuchschule
und Filmschule Wien", wie sie damals noch hieß, auch die entsprechenden
Mittel erhalten hat. Mit Hilfe der Sozialdemokraten, sage ich hier. Es gibt
hier eine zusätzliche Angebotsmöglichkeit, wo junge RegisseurInnen, junge
SchauspielerInnen und auch Produzenten ihr Handwerk in einer privaten Schule
lernen können. Ich meine, die haben noch immer nicht genug Geld, um das im
entsprechenden Ausmaß zu machen, aber es ist
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