Gemeinderat,
3. Sitzung vom 25.6.2001, Wörtliches Protokoll
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Vorsitzender GR Rudolf Hundstorfer: Als nächster Redner ist Herr GR Stark zum
Wort gemeldet.
GR Rudolf Stark (Klub der Wiener Freiheitlichen): Sehr geehrter Herr Vorsitzender!
Sehr geehrter Herr Vizebürgermeister! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Ein wesentlicher
Bestandteil und Motor der Wiener Wirtschaft sind und bleiben die Klein- und
Mittelbetriebe in Wien. Ich darf hier einige statistische Zahlen in Erinnerung
rufen. Betrachtet man zum Beispiel die Leistung der Betriebe, dann erarbeiten
Betriebe bis 99 Mitarbeiter über die Hälfte des Bruttoproduktionswertes.
Oder: Betriebe bis 99 Mitarbeiter beschäftigen rund die Hälfte der
Arbeitnehmer Wiens. Oder: Die Anzahl der Arbeitgeberbetriebe, die 1 bis
49 Beschäftigte haben, beträgt fast 98 Prozent, und nur
2,3 Prozent der Wiener Betriebe beschäftigen mehr als
50 Dienstnehmer. Aus diesen wenigen Zahlen erkennt man die Wichtigkeit der
Klein- und Mittelbetriebe für Wien.
Nun habe ich aber mit einem
gewissen Unbehagen, sehr geehrter Herr Vizebürgermeister, einen Bericht in der
letzten oder vorletzten Ausgabe des Magazins "Format" mit folgender
Überschrift gelesen: "Streit um Wiener Ankündigungsabgabe". In diesem
Artikel wird Folgendes berichtet: "Die zuständige MA 4 fordert nun
aber plötzlich von Kleinbetrieben, vom Wirt bis zum Autohändler, auch
Ankündigungsabgaben für Werbetafeln ihrer Lieferanten, von Coca-Cola bis zu den
Schildern der großen Automarken, und das bis fünf Jahre zurück. Strafandrohung
bis zu 300 000 S." - So der Artikel.
In diesem Artikel, sehr
geehrter Herr Vizebürgermeister, werden auch Sie zitiert: "Wir treiben nur
alte Schulden ein." Hier, sehr geehrter Herr Vizebürgermeister, sehe ich
einen Widerspruch, und ich ersuche Sie um Bestätigung Ihrer Aussage, nur alte
Schulden eintreiben zu wollen und nicht neue Abgaben, wie man diesem Artikel
fälschlich entnehmen könnte, vorschreiben zu wollen.
Als Steuerberater bin ich
mit den gesetzlichen Vorschriften der Ankündigungsabgabe vertraut. Nur unter
ganz bestimmten Voraussetzungen muss man für eine Cola-Tafel Ankündigungsabgabe
entrichten. Ich weiß - unter anderem von meinen Klienten -, dass diese Abgabe
auch immer entrichtet wurde und im Bereich des Gastgewerbes sogar vom Magistrat
laufend mit geprüft wurde.
Da die Anzeigenabgabe in
dieser Form nicht vorgeschrieben und eingehoben wird, mein Appell, mein
Ersuchen an Sie, sehr geehrter Herr Vizebürgermeister, im Interesse der
Kleinbetriebe Wiens einerseits nicht durch eine Aktion scharf zu starten, die
ohnedies keine wesentlichen Mehrergebnisse bringen würde, andererseits die
durch diesen Artikel entstandene Verunsicherung beziehungsweise Rechtsunsicherheit
mit einer klaren Aussage, keine Anzeigenabgabe rückwirkend vorzuschreiben, zu
entkräften. (Beifall
bei der FPÖ.)
Dass zudem für das Anbringen einer einfachen Reklametafel
eventuell auch noch Gebrauchsabgabe, die so genannte Luftsteuer, zu entrichten
ist, ist übrigens ein weiteres Wiener Kuriosum.
Im Zusammenhang mit der Rechtsunsicherheit gibt es
ein weiteres Problem, welches ich schon einmal aufgezeigt habe, das Fehlen
einer Manuduktionspflicht in der Wiener Abgabenordnung. Andere Gesetze wie zum
Beispiel die Bundesabgabenordnung oder das AVG normieren eine Rechtsbelehrungspflicht,
die der Information der Bürger dient beziehungsweise für eine bürgernahe
Verwaltung unverzichtbar ist. Außerdem ist festzuhalten, dass gemäß § 110
der Wiener Abgabenordnung die Abgabenpflichtigen die Verwaltung aus eigenem
unterstützen müssen und daher eine erweiterte Servicepflicht der Behörde nur
fair und gerecht ist.
Wir Freiheitliche fordern diese Fairness der Behörde
gegenüber den Bürgern und werden daher in einer der nächsten Landtagssitzungen
einen diesbezüglichen Antrag einbringen. (Beifall
bei der FPÖ.)
Auch unsere überhöhten Lohnnebenkosten sind zu einem
internationalen Standortnachteil geworden.
Eine weitere große Belastung, sehr geehrter Herr Vizebürgermeister,
bringt die Einführung des Euro für die Klein- und Mittelbetriebe. Abgesehen von
den finanziellen Belastungen durch die Umstellung auf den Euro, auf die ich
noch zurückkommen werde, wird eine Vielzahl dieser Betriebe als Wechselstuben
agieren müssen. Bekanntlich muss der Unternehmer in der Übergangsphase
Schillinge und Euro akzeptieren, darf das Retourgeld aber nur in Euro
ausbezahlen. Was wird geschehen? - Die Kunden werden nicht in Schlange vor den
Kreditinstituten stehen, sondern zum nächsten Greißler, Bäcker, Wirt, Fleischer
oder Trafikanten gehen und dort die Semmel, die Wurstsemmel, das Achtel Wein
oder die Schachtel Zünder, übertrieben gesprochen, mit einer 5 000-S-Banknote
bezahlen. Das Wechselgeld muss in Euro retourniert werden.
Dies erfordert aber in der Übergangszeit, dass die
Betriebe ein Vielfaches an Wechselgeld bereitstellen müssen. Dieses
Wechselgeld, meine sehr geehrten Damen und Herren, Herr Vizebürgermeister, muss
zwischenfinanziert werden. Das bedeutet für diese Betriebe zusätzliche Kosten.
Um nun in der Anfangsphase ausreichend Wechselgeld
zur Verfügung zu haben, gibt es so genannte Euro-Startpakete. Wissen Sie, sehr
geehrter Herr Vizebürgermeister, meine sehr geehrten Damen und Herren, wie
schwer so ein Euro-Startpaket im Gegenwert von 2 000 S ist? -
2,5 Kilogramm! Für 2 000 S bekommen Sie 2,5 Kilogramm
Münzen in Euro.
Einer meiner Klienten, ein Trafikant, hat mir erzählt, dass
er für diese Übergangsphase 80 Kilogramm Euro bereitstellen muss. Wo kann
man bitte diese Geldmenge verwahren? - Zusätzliche Kosten entstehen für die
Versicherung, wenn hier überhaupt eine Versicherungsdeckung möglich ist. Wie
Sie sehen,
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