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Gemeinderat, 3. Sitzung vom 25.6.2001, Wörtliches Protokoll  -  Seite 92 von 127

 

Es genügt nicht, dass die Menschen warm, satt und sauber untergebracht sind. Es ist wichtig, dass wir die Bedürfnisse, die wir für uns selbst wichtig und selbstverständlich erachten, eine Intimsphäre, einen Rückzug, eine Behandlung als erwachsene Menschen, die ein Recht auf Respekt haben, dass wir das, was wir für uns beanspruchen, auch für die Menschen in der Pflegebedürftigkeit gelten lassen. Und da gibt es konkrete Dinge, die zu sanieren sind.

 

Beispielsweise - und hier habe ich mit dem Personal im Geriatriezentrum Am Wienerwald gesprochen, und es ist in den anderen Pflegeheimen vielleicht ähnlich - gibt es da Anti-Dekubitus-Matratzen. Für diejenigen, die nicht vom Fach sind, das sind Matratzen, die haben einen Motor eingebaut und man verhindert damit das Wundliegen, indem unterschiedliche Druckpunkte hergestellt werden. Diese Anti-Dekubitus-Matratzen hat es im vergangenen Jahr gegeben und sie haben die Dekubitus-Rate um 30 Prozent gesenkt. Sie sind also hoch wirksam.

 

Heuer, hat mir ein Arzt im GZW gesagt, gibt es statt 12 Millionen nur mehr 8 Millionen S dafür. Das heißt, das Programm muss zurückgefahren werden, das Risiko, dass Patienten und Patientinnen sich wieder wund liegen, ist gegeben.

 

Das ist jetzt nicht nur ein ganz persönlich menschliches Problem, für die Person, die betroffen ist, sondern es ist auch - und jetzt verwende ich die Argumente der Gesundheitsökonomen - in jeder Hinsicht unwirtschaftlich, denn ein Dekubitus muss medikamentös behandelt werden, mit Pflegeaufwand, es verlangt Zeit und ist ein Risiko für den Patienten und das alles ist teuer. Es hat Kollegen aus dem GZW gegeben, die mir gesagt haben, die sind nur gemietet, diese Matratzen. Ja, wo sind wir denn in dieser Stadt, dass wir Dinge, die so wichtig, so entscheidend für die Gesundheit unserer pflegebedürftigen Menschen sind, mieten müssen und dann geht uns das Geld aus und wir mieten weniger und die Menschen müssen die Folgen tragen?

 

Noch ein Letztes zu dem Thema: Stellen Sie sich vor, Sie sind alt, Sie sind pflegebedürftig und Sie sind in einer Station in einem der Pflegeheime. Da könnte es sein, dass Ihre Blase schwach geworden ist und Sie müssen ziemlich dringend aufs Örtchen. Das ist schon für einen durchschnittlich belasteten Menschen oft ein eiliger Weg. Dann stellen Sie aber fest, dass das Klo wegen Verstopfung oder permanenter Renovierung zugesperrt ist und Sie müssen in die andere Etage gehen. Glauben Sie mir, das Personal hat es mir erzählt, und ich sage nur Dinge, die ich glaube, und das bedeutet, dass viele alte Menschen unterwegs Stuhl verlieren oder einnässen. Und was kriegen sie dann? - Eine Windel.

 

80 Prozent der über 75-Jährigen im Geriatriezentrum tragen Windeln. Und viele davon würden diese Windeln nicht brauchen, wenn man die nötige Sorgsamkeit, die nötige Infrastruktur, die nötigen kurzen Wege herstellen würde. Vielleicht haben Sie das letzte Mal in der Volksschule in die Hose gemacht, es ist eine peinliche Situation und die wollen wir den älteren Menschen nicht zumuten, wenn es nicht notwendig ist. Das waren die Punkte, die wir kritisieren.

 

Wir haben aber auch Vorschläge, wie man dem abhelfen könnte. Ich gebe zu, Frau Stadträtin, sie kosten. Sie kosten Geld und sie kosten eine Änderung der Haltung gegenüber alten Menschen, gegenüber pflegebedürftigen Menschen, und die würden wir am besten dadurch beweisen, indem wir ihnen Rechte geben, Rechte, auf die sie eigentlich Anspruch hätten. Und daher haben die Wiener GRÜNEN eine Punktation für ein Pflegeheimgesetz vorgelegt, in der die wichtigsten Grundlagen für menschliches, würdevolles Altern festgelegt sind, wenn man in einem Pflegeheim ist:

 

Das Recht auf Selbstbestimmung, schlicht und einfach Angehörigenrechte, qualitative Mindeststandards, die dann schlicht und einfach verbieten würden, dass man unter Zuständen, die wir hier kritisieren, leben muss und Heimverträge, die sicherstellen, dass nicht aus schleichender Fürsorge eine fürsorgliche Belagerung und dann vielleicht eine totalitäre Situation für die Menschen in den Pflegeheimen entsteht.

 

Heimverträge, die klarmachen, dass hier zwei gleichberechtigte Partner an der Situation arbeiten und wo die gleichberechtigten Partner ihre Möglichkeiten, sich zu äußern, auch haben. Ein Pflegeheimgesetz, das all diese Standards hier sichern würde. Und dann meinen wir, dass es nicht gut ist, Großpflegeheime in Wien weiterhin zu forcieren. Wir glauben, dass das ein überkommenes Modell von Pflege, von Betreuung im hohen Alter ist. Insofern sind wir auch über die neu eröffneten Großpflegeheime nicht glücklich. Den Verbleib in der sozialen Umgebung, der Verbleib im Grätzel, das Leben in kleinen Einheiten, Dinge, die wir für uns beanspruchen, sollten wir auch hier zu Grunde legen.

 

Daher wünschen wir uns und fordern wir, dass im Kuratorium der Wiener Pensionistenhäuser der Anteil der Pflegebetten - und da meinen wir dann auch kleine Wohneinheiten - erhöht wird, verdoppelt wird und vor allem, dass Pflegebedürftigkeit nicht weiterhin ein Ausschließungsgrund für eine Aufnahme ist. Das meinen wir, ist der falsche Weg, denn wir wollen, dass auch pflegebedürftige Menschen in diesen kleinen, überschaubaren Pensionistenhäusern Unterkunft finden.

 

Einen letzten Punkt zum hohen Alter, zum Sterben und Lebensende. Palliativmedizin trifft nicht nur die ältere Bevölkerung. Die Diskussion, die es in Holland gegeben hat und in der Folge die Diskussion über Hospizbewegung in Österreich, zeigt, dass wir uns mit dem Thema Sterben, Abschiednehmen, Schmerzen haben, Alleinsein, Einsamkeit vor dem Tod, beschäftigen müssen und nicht zuletzt der Tod von Robert Hochner hat dem Ganzen auch die mediale Emotionalität gegeben, die ich im Grunde kritisiere, aber wo wir auf ein Thema hinweisen können, von dem wir glauben,

 

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