Gemeinderat,
3. Sitzung vom 26.6.2001, Wörtliches Protokoll
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Bei der Stadtplanung
und bei der Flächenwidmung - das ist auch eine Uraufgabe des Planungsressorts -
erhöht schon alleine die Vielfalt der Nutzungsmöglichkeiten, die für diese
Flächen bestimmt werden, die Chancengleichheit. Einerseits ist es wichtig,
soziale Infrastruktur mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder zu Fuß direkt
erreichbar zu machen oder die Stadt der kurzen Wege wirklich wahr und real
werden zu lassen, indem Nahversorgung und Infrastruktur gleich mitgeplant
werden und wirklich nahe sind und die Nahversorgung nicht in Wirklichkeit eine
Fernversorgung ist. Es besteht aber auch, glaube ich, ein sehr enger
Zusammenhang - und das bedenken wir, fürchte ich, zu selten - zwischen der
Widmung, die wir irgendwann einmal am Schreibtisch festlegen, und der
Wohnqualität Jahre später, wenn dann irgendwelche Gebäude errichtet worden
sind. Es ist doch ganz klar, dass die Anordnung und die Höhe von Baublöcken
natürlich eine immense Auswirkung auf das Wohlbefinden haben, ebenso wie die
Nutzbarkeit von Freiflächen und Grünflächen.
Noch ein
anderer Gedanke zur Frage der Mitbestimmung: Ich denke, Mitbestimmung ist schon
angesprochen worden und ist schon eingefordert worden. Eine der Qualitäten
muss, glaube ich, in Zukunft auch darin bestehen, dass im Zusammenhang mit der
Mitbestimmung bei Stadtbauprojekten, bei Planungsvorhaben, Frauen vermehrt die
Möglichkeit gegeben wird, sich einzubringen.
Es ist zum
Beispiel darauf zu achten, dass bei geladenen Begleitgruppen wirklich die
Geschlechterparität gewährleistet ist und dass diese Menschen einen
einigermaßen repräsentativen sozialen Background haben. Bei offenen
Diskussionen, wo Vorhaben, wo Projekte diskutiert werden, sollte auf jeden Fall
Kinderbetreuung angeboten werden. Ich denke, dass aber auch die Moderation von
solchen Prozessen sehr wichtig ist, weil sehr oft die Stillen ja nicht zu Wort
kommen, und wir wissen alle, dass die, die laut sind, nicht immer die sind, die
auch Recht haben. Moderatorinnen und Moderatoren helfen da durchaus, auch
leisere Gedanken in die Überlegungen mit einzubeziehen.
Kurzum, ich
denke, Frauen sind als Alltagsexpertinnen viel zu wichtig, als dass wir es uns
als Stadt leisten könnten, auf ihre Meinungen und auf ihre Erfahrung zu verzichten.
(Beifall bei der SPÖ.)
Im
öffentlichen Raum ist natürlich auch das subjektive Sicherheitsgefühl sehr
entscheidend für das Wohlbefinden. Unbedachtes Gestalten von Gängen, Gehwegen,
Durchgängen, Unterführungen, Höfen, was auch immer, führt sehr oft zu
Angsträumen, wobei mir wichtig ist festzustellen, dass auch statistisch
erwiesen ist, dass diese Angsträume nicht unbedingt dann auch wirklich Taträume
sind. In der Realität finden Taten, die Gewalt nach sich ziehen, viel öfter in
den Wohnungen der Frauen statt, als im öffentlichen Raum. Aber trotzdem, allein
das subjektive Angstempfinden schränkt unheimlich ein und hat auch eine ganze
Menge Konsequenzen, indem es zum Beispiel die Frequentierbarkeit von Orten
bestimmt und auch die Benutzbarkeit von kurzen Wegen bestimmt, weil - und das
ist irgendwie auch ganz klar - nicht nur Frauen, sondern auch Kinder und ältere
Leute um bedrohliche Situationen einen Bogen machen, sprich, sie nehmen Umwege
in Kauf und lassen sich so auch mehr oder weniger in ihrer Mobilität
einschränken.
Es gibt in
Wirklichkeit ein paar ganz einfache Regeln, die dieses Unsicherheitsgefühl
beseitigen können, die Angsträume wirklich entfernen können, die dunkle Wege
beleuchten können und die für Frauen Raum nutzbar machen, und darum sollte es
uns gehen.
Es gibt ein
sehr tolles, wirklich auch international herzeigbares Modellprojekt, die
Frauen-Werk-Stadt am Carminweg im 21. Bezirk. Die Frauen-Werk-Stadt
bekommt eine Nachfolgerin. Es hat einen Bauträgerwettbewerb für ein Areal im 10. Bezirk,
in der Troststraße gegeben, wobei der Schwerpunkt das betreute Wohnen sowie
auch das alltags- und frauenfreundliche Planen gewesen ist. Abgesehen von
ökologischen Kriterien in der Bauweise sind bei der Entscheidung, wer diesen
Bauträgerwettbewerb gewinnt, ganz besonders gestalterische Elemente zum Tragen
gekommen. Es ging, wie auch schon am Carminweg, um Sicht- und Rufkontakt zu den
Spielbereichen, es ging um Transparenz der Hauseingangsbereiche und - und das
ist wirklich ein neuer, ein weiter ausgebauter Gedanke - um die
Nutzungsflexibilität der einzelnen Wohnungen. Es ist in diesem Projekt zum
Beispiel möglich, Vorräume, je nachdem, ob man sie gerade braucht oder nicht
braucht, zur Wohnung zuzuschalten, in die Wohnung zu integrieren und Einzelräume
zu kompletten Familienwohnungen quasi dazuzuhängen. Jedenfalls ist versucht
worden, alles Mögliche zu machen, um auch älteren Menschen ein möglichst langes
eigenständiges Leben zu ermöglichen.
Aber nicht nur
bei diesen Musterprojekten, die wir vorzuzeigen haben, ist es so, dass die
Berücksichtigung von Fraueninteressen gewährleistet ist, sondern ich glaube,
dass wir in Wien stolz darauf sein können, dass bei jeder Wohnbautätigkeit, bei
der irgendeine Art von öffentlichen Geldern verwendet wird, die Leitstelle
darauf achtet, dass diese Projekte frauenfreundlich und alltagsgerecht sind.
Damit bestätigt sich einmal mehr, dass Wien eine der frauenfreundlichsten
Städte der Welt ist. (Beifall bei der
SPÖ.)
Abschließend möchte
ich sagen, dass das Gender Mainstreaming einfach ein sehr wichtiger Beitrag zur
Qualitätssicherung ist, aber dass wir trotzdem noch eine sehr große
Herausforderung vor uns haben, die ich darin sehe, dass es das Bewusstsein zu
schärfen und aufzuzeigen gilt, dass geschlechtsspezifische Betroffenheiten und
Planungs- und Bautätigkeit untrennbar miteinander verbunden sind und dass wir
diese Überlegungen in den Planungsalltag einfließen lassen müssen. Dafür werden
- darin bin ich mir ganz sicher - einerseits immer mehr Frauen im Planungs-
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