Gemeinderat,
5. Sitzung vom 21.9.2001, Wörtliches Protokoll
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cen, die man relativ schnell heben und sinnvoller einsetzen
kann. Ich denke, es wäre ganz gut, einmal in der MA 47 einen ausführlichen
Planungsprozess in Gang zu setzen. Ich denke auch, dass die Kostenstrukturen
verschiedener Leistungen nach wirtschaftlichen Entwicklungen und nicht nach
wahltaktischen Kalkülen zu adaptieren sind.
Frau Stadträtin, schauen Sie sich bitte einmal Ihre
Personalkennziffern und Ihre Kostenstruktursätze im Wiener Krankenanstaltenverbund
an. Ich weiß schon, es gibt immer dieses Killer-Argument, wenn ich sage, wir
haben zu viele Bedienstete: Wir brauchen so viele Bedienstete, das ist eine
Qualitätssicherungsmaßnahme. Aber Sie können mir mit Qualitätssicherungsmaßnahmen
nicht erklären, warum in Wien nahezu auf ein Krankenbett ein Mitarbeiter des
nichtmedizinischen Personals kommt; österreichweit ist es fast die Hälfte
davon. Wir haben bei den Krankenpflegern, bei den Schwestern wienweit
275 Schwestern auf 100 tatsächliche Betten, der österreichweite
Durchschnitt liegt bei 205.
Daher gibt es hier Differenzen, die weder mit dem
Arbeitszeitgesetz noch mit der - in vielen Bereichen zugegebenermaßen höheren -
medizinischen Leistung Wiens zu argumentieren sind, sondern ich glaube, dafür
sind auch sehr viele organisatorische Mängel maßgeblich. Zum Beispiel
produziert auch das sture Festhalten wider besserem Wissen und wider die
Erfahrung am Zwölf-Stunden-Tag bei den Krankenschwestern derartige Notwendigkeiten.
Frau Dr Pilz! Sie haben mehrfach die Problematik mit
der Unternehmenswerdung angesprochen. Kein Eigentümer spaltet ein Unternehmen
ab und gründet eines neu, in dem er weiterhin Eigentümer beziehungsweise
Besitzer bleibt, ohne sich der Kontrolle zu begeben. So ist es auch hier bei
der Unternehmung KAV. Selbstverständlich sind auch dort eine Fülle von
Kontrollmechanismen eingebaut, und - ich glaube, das ist heute in der
Anfragebeantwortung schon erwähnt worden - es ist im November 2000 hier das
Statut für den KAV beschlossen worden.
Ich lade Sie ein, lesen Sie die sehr komplexe Unterlage
durch, in der die einzelnen Zuständigkeiten geregelt sind: des Gemeinderats,
des Bürgermeisters, der Stadträtin und des Ausschusses. Ich meine daher, es
sind Kontrollmöglichkeiten politischer und sonstiger Art gegeben, die ausreichend
sein sollten; da ist sogar noch mehr möglich. Mein Selbstverständnis besteht
darin, dass sich Politik auf die Setzung von Rahmenbedingungen reduzieren
sollte; aber es ist nicht die Aufgabe der Politik, sozusagen laufend die
Geschäfte - welcher Dienstleistung der Stadt Wien auch immer - zu betreiben.
Meines Erachtens ist hier eine vernünftige Grundlage geschaffen worden, und es
gibt kein wie immer geartetes Indiz dafür, dass hier nicht die
Mitsprachemöglichkeit der Politik gewährleistet sein könnte.
Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie! Wie
gesagt, haben Sie viele bekannte und auch noch viele ungeahnte Möglichkeiten,
mit intelligenten, phantasievollen, aber auch mutigen Maßnahmen das Wiener
Gesundheitswesen umzustrukturieren, ohne dass es zu einem Qualitätsverlust
kommen muss. Kein Qualitätsverlust heißt auch, dass es zu keinen Einschränkungen
im Leistungsangebot und in der Leistungsdichte kommen muss.
Es ist auch, wenn man diesem Vorgehen folgt, nicht
notwendig - jedenfalls zunächst nicht notwendig -, den Steuerzahler nach dem
Gießkannenprinzip zusätzlich zu belasten. Ich sage "zunächst", weil
immer wieder auch von Interessenvertretern diese Forderung erhoben wird, und
auch im Hinblick darauf, dass die Gesundheitsaufwendungen im internationalen Vergleich
zugegebenermaßen - und ich sage: Gott sei Dank - im Mittelfeld liegen. Aber
daraus abzuleiten: ich kann das steigern, weil es ohnehin im Mittelfeld liegt -
das halte ich für falsch und für eine zutiefst eindimensionale,
strukturkonservative Maßnahme, zumal wir, wie schon erwähnt worden ist und
immer wieder gesagt wird, im medizinischen Bereich in den letzten Jahren
Quantensprünge vollzogen haben.
Wenn man Quantensprünge vollzieht, kann man nicht mit
einer linearen Maßnahme reagieren, sondern hierfür sind andere, komplexere,
aber durchaus machbare Formen vorzusehen. Vor allen Dingen hat eine solche
Maßnahme die Konsequenz, dass wir dann wieder ein, zwei Jahre das Budget der
Gebietskrankenkassen, der Sozialversicherungen ausgeglichen haben, sich aber an
den strukturellen Problemen nichts ändert. In zwei Jahren haben wir dann neuerlich
den Scherm auf und fangen wieder von vorne an.
Solange nicht der Druck da ist, durch konsequente
Umstrukturierungen, Einsparungen und Umschichtungen Geld zu lukrieren, sollten
wir von solchen einfachen - in der jetzigen Situation sage ich bewusst:
dümmlichen - Maßnahmen Abstand nehmen. Der österreichische Steuerzahler hat es
nicht verdient, dass er in dieser Frage belastet wird. (Beifall bei der ÖVP.)
Sie haben jetzt die Chance, hier in Wien vieles im
Alleingang zu lösen. Ich fordere Sie auf: Tun Sie etwas, bewegen Sie sich - wenn
es gescheit, wenn es sinnvoll, wenn es nachvollziehbar ist, kann ich Ihnen
schon heute die Unterstützung der Volkspartei garantieren!
Aber wie gesagt, neben Kompetenz, Intelligenz und
Phantasie ist auch Mut gefragt. Ich sage bewusst "Mut" angesichts einer
nicht zu leugnenden dominanten Personalvertretung. Bei Gesundheitsstadtrat Rieder
hatte ich zumindest die Einschätzung, dass ihm durchaus bewusst war, dass er
sozusagen unter einer aufmerksamen Obhut durch die Gewerkschaft stand. Bei Frau
StR Pittermann orte ich aber erste Anzeichen des Stockholm-Syndroms. Es wird
sich zeigen, ob sich diese Einschätzung verdichtet. (GR Rudolf Hundstorfer:
Was ist das?)
Das Stockholm-Syndrom besteht darin, dass Geiseln sich
zusehends mit den Anliegen der Geiselneh
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