«  1  »

 

Gemeinderat, 7. Sitzung vom 19.11.2001, Wörtliches Protokoll  -  Seite 101 von 138

 

und dass Sie jetzt das Netz der Lücken schließen müssen. Sie haben aber versäumt, zu erwähnen, dass wegen des mit 1.1.2002 eingeführten Kindergeldes Wien relativ viel Geld einsparen kann. Ich hoffe, dass dieses Geld für andere Maßnahmen im Sozialbereich verwendet werden wird. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Meine Damen und Herren! Das Budget, das wir heute diskutieren, zeigt wenig Fantasie - das ist schon gesagt worden - und bedeutet in erster Linie eine Fortschreibung. Viele Vorredner haben dazu eine Reihe von Punkten angeführt und aus zeitökonomischen Gründen erspare ich mir hier Wiederholungen.

 

Ich möchte nur an einem Punkt, nämlich beim Bäderkonzept, aufzeigen, wie mit dem Geld der Wienerinnen und Wiener umgegangen wird. Da wird einmal ein Bäderkonzept beschlossen, 2 Millionen wurden zur Verfügung gestellt; 600 Millionen beträgt der Abgang pro Jahr. Das Bäderkonzept hätte mit März 2001 fertig gestellt sein sollen. Jetzt haben wir fast Ende November und es liegt uns noch immer nicht vor. Wie sollen Sie Strukturmaßnahmen setzen, wenn Sie nicht einmal die Konzepte rechtzeitig erstellen lassen?

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir - nachdem meine Vorrednerin sich mit der Jugendpolitik beschäftigt hat, was ich durchaus unterstreiche -, dass ich mich mit der Seniorenpolitik in Wien auseinander setze.

 

Was ich im heutigen "Kurier" gelesen habe, nämlich was Dozent Dr Peter Fasching vom Pflegeheim Baumgarten, Leiter einer Arbeitsgruppe, verlangt und sagt: die Zukunft des Alters erfordert dringend Planung, kann ich nur unterstreichen. Er meint auch, es wäre ein geriatrischer Versorgungsplan dringend erforderlich und raschest zu erstellen. Warum ist das so wichtig?

 

Meine Damen und Herren! Wir wissen, dass das Durchschnittsalter in den nächsten Jahrzehnten enorm zunehmen wird - Gott sei Dank! Das heißt, die Medizin ist gut, wir werden älter. Das Alter der Frauen wird von 80,7 Jahren auf 87 Jahre steigen, jenes der Männer von 74,6 Jahren auf immerhin 81 Jahre. Dabei sind allfällige medizinische Quantensprünge noch überhaupt nicht eingerechnet; auch dazu kann es ja kommen.

 

Wie sieht die Altersstruktur in Wien aus? - Wir haben derzeit in Wien 330 000 Menschen, die über 60 Jahre alt sind. In einigen Jahrzehnten werden wir 550 000 Menschen in diesem Alter haben, das bedeutet eine Steigerung von 70 Prozent. Über 75-Jährige gibt es derzeit 120 000, in einigen Jahrzehnten wird sich deren Zahl mehr als verdoppeln.

 

Was heißt das? - Das heißt, dass im Alter die Wahrscheinlichkeit der Pflegebedürftigkeit steigt. Daher ist sicherzustellen, dass es für eine stark wachsende Altersgruppe eine ausreichende Versorgung mit Pflege- und Betreuungsangeboten gibt. Natürlich ist die Familie wichtig, aber auch die Familie braucht Unterstützung in Form von Hauskrankenpflege und Heimhilfen. Dieser Bereich ist entscheidend auszubauen. Es heißt ja nicht, dass es das nicht gibt, aber das alles ist, wenn man zukunftsorientiert denkt, entscheidend auszubauen. Wir brauchen mehr Besuchsdienste und Kurzzeitbetten für ein Wochenende der Erholung der Pflegenden. Wir brauchen natürlich auch Ersatz für die Zeiten des Urlaubs der Pflegenden.

 

Aber auch das Erleben von Sterben und Tod hat sich entscheidend gewandelt. Heute ist der Tod weitgehend auf die höchsten Altersstufen konzentriert und diese wiederum sind aus dem gesellschaftlichen Gefüge herausgenommen. Es ist daher nicht mehr der Tod, sondern das Sterben, das als Irritation des normalen Ganges der Dinge empfunden wird. Der heutige Mensch gliedert Sterbende aus, diese können immer seltener in Familien ihr Leben beenden. Wenn wir einige Jahrzehnte zurückschauen, sehen wir, dass das Sterben früher nicht nur die Sache des Einzelnen war, sondern die Sache der Familie, die Sache der Gemeinschaft, in welcher der Sterbende zumindest die letzte Lebenszeit verbringen durfte. Das war die natürliche Sterbehilfe.

 

Heute findet das Sterben überwiegend in Spitälern und Pflegeheimen statt. Der Tod in der Krankenanstalt ist vor allem ein großstädtisches Phänomen. In Wien sterben 80 Prozent der Menschen nicht zu Hause. Ich behaupte, dass Krankenhäuser auf diese Aufgabe überhaupt nicht vorbereitet sind. Ebenso wenig eignen sich dort die Organisationsstrukturen und das Selbstverständnis. Krankenhäuser sind technologisch auf Heilen und auf Erfolg hin orientiert. Unheilbar Kranke, denen man nur noch durch intensive emotionale Zuwendung und Gespräche das Sterben erleichtern kann, gelten in solchen Krankenhauskulturen als Fehlschläge, die noch dazu jene Zeit kosten, die man Erfolg versprechenden Fällen zuwenden könnte. - Was bedeutet das?

 

Meine Damen und Herren! Wir müssen akzeptieren lernen, dass das Sterben und der Tod ein Teil des Lebens sind. So, wie wir unsere Kinder ins Leben führen, so sollen wir auch unsere Eltern und unsere Großeltern aus dem Leben begleiten. Das zeigt die menschliche Qualität einer Gesellschaft. Ich halte es daher für unendlich wichtig, dass Menschen bei ihrem Abschied vom Leben nicht allein gelassen, sondern begleitet werden.

 

Daher ist der Ausbau der stationären und der mobilen Hospizdienste dringendst notwendig. Der Budgetansatz dafür ist verschwindend klein. Wir haben derzeit in Wien zirka 30 Hospizbetten. Meine Damen und Herren, das ist ein Tropfen auf einen heißen Stein. Ich halte auch die Schaffung von Abschiedszimmern in allen Krankenhäusern für wichtig. Es gibt ja welche; bei allem, was ich hier sage, sage ich nicht, dass es das überhaupt nicht gibt. Das gibt es zwar, aber wir brauchen solche Abschiedszimmer in allen Krankenhäusern und auch in den Pflegeheimen, eben dort, wo der Sterbende die letzten Stunden in Ruhe und Geborgenheit mit Angehörigen und Freunden verbringen kann. Das muss wirklich eine Selbstverständlichkeit

 

«  1  »

Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular