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Gemeinderat, 10. Sitzung vom 23.1.2002, Wörtliches Protokoll  -  Seite 18 von 56

 

wissen, dass Qualifizierung, Ausbildung eine entscheidende Chance sind, um in der gegenwärtigen Situation der verengten Möglichkeiten Arbeit zu finden. Daher sehe ich da überhaupt keine Ideologisierung, sondern ich glaube, dass das eine notwendige Maßnahme ist.

 

Was nicht ausschließt, Herr Dr Tschirf, dass wir uns selbstverständlich auch weiterhin zum dualen Ausbildungssystem bekennen. Aber die Antwort darauf, wenn es weniger Lehrstellen von Seiten der Wirtschaft gibt, kann doch nicht sein, zu sagen, dann muss der Steuerzahler das zahlen, sondern ich glaube, dass man sich doch überlegen muss: Es gibt doch ein Lehrstellenförderungsprogramm des Arbeitsmarktservice Österreich. Da sind österreichweit 11,2 Millionen EUR im vergangenen Jahr eingesetzt worden. In Wien waren es immerhin 2,1 Millionen EUR und es sind 744 Lehrstellen geschaffen worden. Warum man dann nicht sagt, nützen wir dieses Lehrstellenförderungsprogramm, wo es geht, sondern warum man sagt, es muss wieder eine andere Form gefunden werden, wo der Steuerzahler das finanziert, das ist nicht wirklich schlüssig. Ich bin der Meinung, dass wir uns durchaus überlegen sollen - so wie etwa auch vom ÖAAB-Obmann Fasslabend an der Wiener Wirtschaft Kritik geübt worden ist -, worum die Wiener Wirtschaft so wenig Lehrstellen anbietet. Ich denke, dass man sich mit dieser Frage ernsthaft auseinander setzen muss. Aber die Lösung kann nicht darin bestehen, dass man einfach pauschal sagt: Das zahlt sozusagen jeder Steuerzahler. Denn es muss einem klar sein: Es muss sich ja ein Unternehmer blöd vorkommen, der bisher Lehrstellen angeboten hat, wenn in Zukunft der andere, der das bisher nicht gemacht hat, einen Geldbetrag dafür bekommt. Das kann in der Entwicklung keinen Sinn ergeben.

 

Wir bekennen uns dazu - Sie wissen das -, dass Wirtschaftspolitik und Beschäftigungspolitik genau genommen zwei Seiten ein und derselben Medaille sind, dass daher genauso eine Wechselbeziehung zwischen der Wirtschaftskonjunktur und der Beschäftigungslage besteht und dass daher auch hier gemeinsam vorzugehen ist.

 

Unsere Wirtschaftspolitik hat - da stimme ich völlig mit Frau Rothauer überein - zwei Zielrichtungen: Das, was sich bewährt hat, zu erhalten, aber auch jene Strukturen, die überholt sind, zu verbessern und Innovation einzubringen. Wir haben das auch zum Maßstab der Neuordnung der Wirtschaftsförderung gemacht. Ich habe schon in der Fragestunde darauf hingewiesen, welche Elemente davon hier eine Rolle spielen, und ich will das jetzt nicht wiederholen.

 

Gleichzeitig haben wir bereits im Wirtschaftsförderungsfonds die weiteren Richtlinien für die Internationalisierung der Kleinunternehmungen fertig gestellt. Auch das ist ein wichtiger Beitrag, um die Wiener Wirtschaft anzukurbeln, die möglicherweise hier einen kleinen Nachholbedarf hat.

 

Der dritte Punkt in unserem Programm ist neben der Beschäftigungspolitik im engeren Sinn und der Wirtschaftsförderungspolitik die Strukturreformpolitik, die insbesondere ein wesentlicher Teil der Technologiepolitik ist. Ich erspare mir, hier jetzt das alles wiederzugeben, was schon im Zusammenhang mit der Budgetrede gesagt worden ist. Ich glaube, dass etwa die weitere Beteiligung der Stadt an dem K-plus-Programm, also an dem Kompetenzzentrum-Programm des Bundes und der Wirtschaft, ein entscheidender Beitrag sein kann neben vielen anderen Beiträgen und die Qualifizierung, die Erschließung neuer Bereiche für Beschäftigungen mit sich zu bringen wird. Der dafür insgesamt eingesetzte Betrag über mehrere Jahre macht 14 Millionen EUR aus.

 

Ich habe es schon erwähnt, dass der Chef des Arbeitsmarktservice Österreich, Herbert Buchinger, darauf hinweist, dass wir im Jänner in Österreich - also nicht nur in Wien, sondern in Österreich - mit einem weiteren Anstieg der Arbeitslosigkeit konfrontiert sein werden, und er nennt als zentrales Problem österreichweit die Bauwirtschaft. Insgesamt waren in Österreich Ende des Jahres 2001 51 959 Bauarbeiter arbeitslos, davon - es ist schon erwähnt worden - 11 040 in Wien. Das bedeutet, wenn man das über das Jahr vergleicht, Dezember 2001 mit Dezember 2000, eine Steigerung um 35,7 Prozent.

 

So dramatisch das für mich ist, und wahrscheinlich für die Bauarbeiter und die Baubranche ganz besonders, so ist es eigentlich im österreichweiten Vergleich die niedrigste Steigerungsrate bei der Arbeitslosigkeit der Bauarbeiter. Denn in anderen Bundesländern ist sie deutlich höher. Mit 56 Prozent ist die höchste in Salzburg. Herr Klubobmann Chorherr, Ihre Empfehlung, sich an der Wirtschaftspolitik Salzburgs zu orientieren, hat diesen einen Schönheitsfehler auch.

 

Aber es ist nicht ganz auszuargumentieren, dass man sagt: Na gut, die Bauarbeiter, die in Wien beschäftigt sind, sind zu einem Teil in anderen Bundesländern wohnhaft. Das erklärt vielleicht die bessere Situation zu einem Teil, aber nicht völlig, sondern ich glaube, dass man mit Recht ohne Selbstgefälligkeit sagen kann, dass diese günstigere Situation, relativ günstigere Situation in der Baubranche und in der Arbeitslosenzahl schon auch zu tun hat, mit dem vergangenen milliardenintensiven Investitionsprogramm in Wien, das deutlich höher ist als andere - und ich erspare mir jetzt den Vergleich mit dem Investitionsprogramm des Bundes.

 

Wir werden daher - und das ist der zweite Schwerpunkt unseres Maßnahmenpakets gegen Arbeitslosigkeit - vor allem durch ein hochgezogenes Investitionsprogramm versuchen, hier Arbeit zu schaffen. Ich weiß schon, dass es manche geben wird, die sich dann hier vornehm hinstellen und sagen werden, das ist alles längst überholt, das hat man seinerzeit gemacht, heute haben wir andere Maßnahmen, da orientieren wir uns an einer Lohnsteuerreform im Jahr 2010 und Ähnliches mehr. Ich glaube, dass sofortiges Handeln im Interesse der Bauwirtschaft notwendig ist. Und ich teile auch nicht die Einschätzung Bartensteins, der gemeint hat, es existiert in Österreich eine Überkapazität der Bauwirtschaft. Das ist mit Recht zurückgewiesen worden, weil es einfach nicht stimmt.

 

Wir werden, wenn man alles zusammennimmt, Stadt

 

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