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Gemeinderat, 16. Sitzung vom 29.05.2002, Wörtliches Protokoll  -  Seite 20 von 90

 

Sie machen eine Politik, die dazu führen soll, dass die Leute umsteigen von ihren Privatautos auf öffentliche Verkehrsmittel. Gleichzeitig tun Sie etwas völlig anderes, faktisch das Gegenteil, um dieses Ziel zu erreichen, nämlich Sie erhöhen die Fahrpreise. Das passt doch überhaupt nicht zusammen, wenn Sie die Fahrpreise erhöhen! Es ist ein Widerspruch!

 

Zweiter Widerspruch: Sie fordern immer von der Bundesregierung eine Politik mit Herz, heißt das immer so schön. Dahinter versteckt sich die Sozialpolitik. Das sagen Sie.

 

Auf der anderen Seite aber erhöhen Sie nicht nur die Fahrpreise auf den Wiener Linien, sondern Sie lehnen auch den Antrag der GRÜNEN, dass es einkommensgestaffelte Fahrpreise geben soll, konsequent ab. Das heißt, die Einkommensschwächsten dieser Stadt zahlen genauso viel wie die Reichsten. Die Obdachlosen zahlen mehr als ein Pensionist, der 100 000 S Einkommen hat. Das ist doch keine Politik mit Herz! Das ist doch nicht Sozialpolitik!

 

Und jetzt gehen Sie einen Schritt weiter und kritisieren nicht nur die neoliberale Linie der Bundesregierung, sondern fahren dieselbe Linie selbst aus, indem Sie fortlaufend auslagern, privatisieren, die Entscheidungsrechte der Politik faktisch außer Haus geben und genau dasselbe, nur auf eine sehr versteckte Art und Weise, machen wie die Bundesregierung, nämlich eine liberale, eine neoliberale Politik zu fahren. Das ist ein massiver Vorwurf. Aber das ist noch etwas anderes. Das ist auch der Appell der GRÜNEN, das alles noch einmal zu überdenken.

 

Und wenn da vorhin auch eine Attacke gelaufen ist gegen den ehemaligen StR Hatzl, so kann ich Ihnen versichern: Unter Hatzl wäre das, was jetzt gelaufen ist, tatsächlich nicht gelaufen, und die Politik hätte sehr wohl noch das Sagen und die Entscheidungsrechte.

 

Und das wäre im Grunde genommen auch, was sich die Wienerinnen und Wiener nämlich verdient hätten: Eine Politik, die in der Lage ist, ökologische Politik und Sozialpolitik zu machen, statt auf alle Entscheidungen zu verzichten und alles in private Hände zu legen. - Danke. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Vorsitzende GRin Josefa Tomsik: Als Nächster ist Herr GR Mag Gerstl zum Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

 

GR Mag Wolfgang Gerstl (ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien): Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Vorsitzende!

 

Wenn ich mir die Debattenbeiträge von SPÖ und Grün nun angehört habe, dann frage ich mich: Wie konnte es gestern eine Jubelmeldung zu dieser rot-grünen Koalition geben, die wir heute in den Zeitungen lesen, was Sie hier Tolles erreicht haben? Das kann doch wohl nicht sein. Oder war das doch so toll?

 

Frau Kollegin Jerusalem regt sich gerade über die Tariferhöhungen auf. Diese wurden bei der Jubelmeldung aber auch hingenommen. Da gibt es einen Vizebürgermeister und einen Stadtrat, der macht sich Überlegungen, wie man den öffentlichen Nahverkehr in Wien verbessert, und er bekommt keine einzige Unterstützung von einem Debattenredner, sondern er bekommt nur Gegnerschaft für seine Vorschläge. Und wir wollen ihn in diesen Vorschlägen unterstützen, dass wir die Wiener Linien auch wirklich noch effizienter machen. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Der Herr Finanzstadtrat hat selbst gesagt: Die Wiener Linien müssen noch effizienter und kundenfreundlicher werden. Er sagte, dass sich die Wiener Linien bei der Straßenbahnlinie 5 extrem ungeschickt verhalten haben. Er sagte, dass das kein positives Signal an die Bevölkerung und gar keine vertrauensbildende Maßnahme war. - Ja, Sie haben Recht. Unterstützen wir doch den öffentlichen Nahverkehr. Versuchen wir ihn nicht nur von Seiten der SPÖ-Gewerkschaft zu vertreten, sondern versuchen wir, den öffentlichen Nahverkehr für die Wienerinnen und Wiener wirklich fruchtbar und tragbar zu machen. Das wäre einmal eine gute Sache. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Und wenn Sie auch noch den Streik angesprochen haben: Der ist von Seiten der SPÖ heute überhaupt noch nicht genannt worden. Zigtausende Wienerinnen und Wiener konnten heute nicht mit einem Postbus zur Arbeit fahren oder in die Schule kommen. Ich weiß nicht, wo Sie alle wohnen. Vielleicht wohnen Sie alle unmittelbar nur an den U-Bahn-Linien und haben das heute nicht mitbekommen. Oder sind Sie in der Nacht nicht unterwegs, wo heute um 0.50 Uhr die Menschen bereits am Bahnhof Hütteldorf gestanden sind und auf den 249er gewartet haben und nicht nach Hause fahren konnten, weil seit 0 Uhr der Streik gedroht hat?

 

Alle Angebote, alle Versuche, Ergänzungsmaßnahmen zu finden, Unterstützungen zu geben, wurden damit zurückgewiesen, dass die Wiener Linien ja nur bei einer Linie, bei der Linie 80A, für Ersatz verantwortlich sind, weil nur diese Linie in ihrem Auftrag fährt.

 

Aber es gibt zahlreiche andere Postautobusse, die in Wien fahren, die im Auftrag des VOR unterwegs sind. Und da hätte sich die Stadt auch überlegen können, ob man hier nicht einen Ersatzdienst anbieten soll. Vielleicht nicht im selben Ausmaß wie normal, aber doch in einem gewissen Ausmaß mit Taxis, mit Autobussen. Sie sind doch so sozial. Sie wollen doch so gerne sozial zu den Menschen sein. Dann geben Sie ihnen auch Sozialtaten und nicht nur Erhöhungen. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Meine Damen und Herren! Es sind die Linien 148, 149, 152, 153, 249, 243, 391, 590, 431, 552, 566, 567, 668, 765. Sie hätten sich bei all diesen Linien anstrengen können und etwas für die Wienerinnen und Wiener tun können. Sie haben es nicht getan.

 

Sie könnten, wenn Sie wollten, bei den Wiener Linien auch einen Fahrgastbeirat einführen, sodass die Wienerinnen und Wiener mitbestimmen können, was dort passiert. Das passiert in vielen anderen sozialdemokratischen Städten. In Salzburg, aber vor allem auch in vielen deutschen Städten, in Münster, im Verkehrsverbund Bremen, im Verkehrsverbund München, in Leipzig, in Frankfurt am Main, in Fulda, in Freiburg, in Charlottenburg et cetera. Warum tun Sie das nicht? Warum lassen

 

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