Gemeinderat,
17. Sitzung vom 24.06.2002, Wörtliches Protokoll - Seite 7 von 145
und die Ausbildung in Zukunftsbranchen, weil es gerade in
den Zukunftsbranchen sehr schwierig ist, im herkömmlichen traditionellen System
der dualen Ausbildung für Lehrplätze zu sorgen, ohne dass es eine Unterstützung
gibt. Und diese Unterstützung und dieses gemeinsame Vorgehen der Sozialpartner
und der Stadt Wien, die auch dazu Budgetmittel einsetzen wird, wird hier eine,
glaube ich, entscheidende Verbesserung bringen.
Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, weder die
Sozialpartner noch geschweige die Stadt Wien sind in der Lage, was immer sie
unternehmen, was immer sie hier finanziell zustande bringen, die
Arbeitsmarktpolitik des Bundes zu ersetzen. Wir können begleitende Maßnahmen
treffen, wir können uns konzentrieren auf die Jugendausbildung, aber wir können
die Arbeitsmarktpolitik des Bundes nicht ersetzen, und wir werden wenig Chancen
haben, wenn sich der Arbeitsminister weiterhin versteckt. Ich höre nie das
Thema der Arbeitslosenfrage aus seinem Mund in die Öffentlichkeit gebracht. Wir
laden Sie alle ein aus der ÖVP, Zitate zu bringen, wann sich der Herr
Bartenstein in letzter Zeit zu diesem Thema gemeldet hat. Und wir werden nur
dann in der Lage sein, wirklich erfolgreich zu sein, wenn der Bundesminister
Bartenstein als Arbeitsminister jene 109 Millionen EUR, die ja Reserve
sind und die Mittel sind, die Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam
aufgebracht haben, für eine Situation der Krise in der Beschäftigungspolitik,
in die Hand nimmt und tatsächlich für die Arbeitsmarktpolitik einsetzt, statt
das Nulldefizit zu finanzieren. (Beifall
bei der SPÖ.)
Ich füge auch hinzu: Es wird
notwendig sein, dass sich der Bundesminister Bartenstein ernsthaft Gedanken
macht, ob es nicht Sinn gibt, Lehrlingsstiftungen zu ermöglichen oder eine
Regionalstiftung oder/und eine Regionalstiftung für die Bundesländer
Niederösterreich, Burgenland und Wien gemeinsam einzurichten. Die Ostregion ist
zwar eine wirtschaftlich starke Region, aber trotzdem besteht hier Bedarf nach
einer Regionalstiftung, und die zu ermöglichen ist Sache des Ministers
Bartenstein.
Ich möchte das noch einmal sagen, weil das ja auch in
der politischen Diskussion so sehr in den Vordergrund getragen worden ist.
Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik einschließlich der Lehrlingsfrage ist
Bundessache pur. Nicht weil es so in der Verfassung steht, das auch, sondern
weil die Mittel dafür von den Arbeitgebern und Arbeitnehmern gemeinsam
aufgebraucht werden und die Stadt Wien diese Mittel nicht hat. Die Mittel aus
der Arbeitslosenversicherung sind auf der Bundesseite da, sie sind nicht da auf
Seiten der Stadt und daher haben wir nicht die Möglichkeit, sie einzusetzen.
Und ich rufe uns allen in Erinnerung, man kann aus
dem politischen Blickwinkel, den man einschlägt, was den Erfolg betrifft,
unterschiedlicher Meinung sein, aber es hat bisher keinen Sozialminister und
keine Bundesregierung gegeben, die sich nicht dem Thema der Arbeitslosigkeit
und dem Thema der Maßnahmen gegen Arbeitslosigkeit gestellt hat, nicht dem
Thema gestellt hat, dass man sich gegen die Jugendarbeitslosigkeit besonders
einsetzen muss. Und es ist diese Bundesregierung, die die Erste ist, die sich
dieser Verantwortung entzieht. Und wenn es keinen anderen Beweis dafür gäbe,
dann sind es, Herr Dr Serles, die 109 Millionen EUR, die angespart sind
für diesen Zweck, jetzt eingesetzt zu werden, und die eigentlich aus der
Beschäftigungspolitik verschwunden sind. Das ist meines Erachtens der deutliche
Beweis.
Und wenn, meine sehr geehrten Damen und Herren, jetzt
gerade sich die Politiker der ÖVP und der FPÖ überbieten, wirklich überbieten,
tagtäglich sozusagen die Verantwortung für die Situation am Wiener Arbeitsmarkt
auf Wien zu schieben, dann halte ich das entweder für makaber oder lächerlich.
Ich sage Ihnen warum: Es kann doch nicht sein, dass der Wiener Arbeitsmarkt
exterritorial ist, also quasi außerhalb von Österreich liegt, so als wenn für
die ÖVP/FPÖ-Bundesregierung nur dort Österreich existiert, wo auch in den
Ländern schwarz und blau regiert wird. (Lebhafte
Zwischenrufe bei der FPÖ und bei der ÖVP.) Es kann doch nicht sein, dass es
gute Arbeitslosenzahlen gibt in den Bundesländern, wo die Schwarzen und die
Blauen regieren, und schlechte Arbeitslosenzahlen, wo die Roten regieren. Das
gibt es einfach nicht, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. - Weitere lebhafte
Zwischenrufe bei der FPÖ und bei der ÖVP.)
ÖVP und FPÖ werden es einfach zur Kenntnis nehmen
müssen (GR Mag Hilmar Kabas: Sie werden zur Kenntnis nehmen müssen!),
dass wir für eine Hasenrolle in ihrem Igel-Hase-Stil nicht zur Verfügung stehen
und auch nicht als Prügelknabe.
Was die Regierung macht, ist die Politik nach dem
Drei-Affen-Prinzip. Das ist jetzt nicht ein wörtliches Zitat von mir, sondern
ich zitiere wieder einmal aus einer österreichischen Tageszeitung. In dieser
Tageszeitung vom 18. Mai heißt es eben unter der Überschrift "Politik
nach dem Drei-Affen-Prinzip": "Die Arbeitslosigkeit ist schlimmer als
prognostiziert. Bekommt das AMS kein zusätzliches Geld, müssen Kurse und
Schulungen zurückgefahren werden. Arbeitsmarktpolitik" - wörtliches Zitat
- "ist an sich Bundessache. In ihrer Not wenden sich viele
AMS-Landesstellen nun an die Länder, um dort zusätzliche Gelder aufzutreiben."
Und es heißt weiter in diesem Beitrag: "Das Arbeitslosengeld wurde zwar
gekürzt" - das sollte man auch einmal zur Kenntnis nehmen -, "die
Arbeitslosen selbst werden aber nicht ernst genommen. Nichts sehen, nichts
hören, nichts reden, das ist das Prinzip der Bundesregierung."
Also die Tatsache, dass wir uns hier wehren,
Prügelknabe zu sein, ist nicht etwas, was quasi wir hier erfinden in einer
politischen Diskussion, sondern das ist die Meinung, die von Kommentatoren, von
Wirtschaftsexperten in Österreich zum Ausdruck gebracht wird.
Wir werden, meine sehr geehrten Damen und Herren, auf Grund
des Ergebnisses des Sozialpartnergipfels zwei Maßnahmen noch zusätzlich setzen.
Wir werden auf der einen Seite die Richtlinien des Wirtschaftsförderungsfonds
ergänzen und eine zusätzliche Förderungsschiene aufmachen für den Bereich der
Berufsausbildung,
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