Gemeinderat,
17. Sitzung vom 24.06.2002, Wörtliches Protokoll - Seite 48 von 145
ausgewiesen sind. Das ist nicht
das Thema, das wissen Sie ganz genau. Machen wir jetzt mitten in
Rudolfsheim-Fünfhaus Betriebsansiedlungsgebiete? Machen wir das? - Stellen Sie
sich hin und sagen Sie das! Trauen Sie sich? Trauen Sie sich, das zu machen?
Was macht
diese Firma? - Sie geht natürlich nach Hagenbrunn. Das ist ja gar keine Frage,
denn kaum gibt es ein bisschen ein Problem, gehen wir nach Hagenbrunn, kaum
gibt es ein bisschen ein Problem, gehen wir nach Groß Enzersdorf, nach
Vösendorf und und und, der ganze Kreis rund um Wien. Alle 13 Gemeinden,
die Wien einschließen, leben unter anderem auch davon, dass sich bei ihnen
Betriebe ansiedeln, die aus Wien weggegangen sind. Die sind aber nicht nur aus
Platzgründen aus Wien weggegangen, sondern sie sind auch sehr oft deswegen
weggegangen, weil Bürgerinitiativen dahinter stehen, die sich belästigt gefühlt
haben durch Geruch, Lärm und so weiter. (GR
Kurth-Bodo Blind: Ist das schlecht?)
Herr
Blind, das ist nicht schlecht. Es ist nur eines: Sich dann herzustellen und zu
behaupten, die Sachgüterproduktion sei auf Grund der sozialistischen Politik in
dieser Stadt ausgewandert, das ist das Schlechte, und genau das verurteile ich.
(GR Kurth-Bodo Blind: Das stimmt ja
leider auch!)
Gehen wir
doch bitte zum Kern der Sache! Es gibt viele Betriebe, die sich rund um Wien
angesiedelt haben, nicht deshalb, weil das negerantische Betriebe waren,
schlechte Betriebe waren, sondern weil das hervorragende Betriebe waren und
weil diese hervorragenden Betriebe im Stadtkern Wiens keinen adäquaten Platz
mehr bekommen haben. Darum sind sie unter anderem in das Umland gegangen. (GR Kurth-Bodo Blind: Schlechte Stadtplanung!
Das ist es!) Aha, schlechte Stadtplanung.
Herr
Blind, ich will Sie jetzt nicht an Penzing erinnern - aber ich höre dann eh
gleich auf mit Ihnen, denn es ist sinnlos -, ich erinnere Sie ... (GR Kurth-Bodo Blind: Sozialistische
Beschimpfung vom Rednerpult aus!) Herr Blind, wenn Sie sich beschimpft
gefühlt haben, dann verzeihen Sie diese Worte, dann nehme ich sie mit dem
Ausdruck des Bedauerns zurück. Aber kaum will die Stadt im 14. Bezirk ein
bisschen was investieren, sind Sie der Erste, der dagegen ist. (GR Kurth-Bodo Blind: Darüber können wir
dann diskutieren!) Auch hier geht es darum, Wirtschaftsimpulse zu setzen,
auch hier geht es darum, ganz einfach etwas für die Wiener Wirtschaft zu tun.
Es dürfte
auch in der Stadt nicht allzu schlecht sein, denn wir sind immerhin die
viertwichtigste Kongressstadt der Welt. Immerhin - und auch das sei als nicht
uninteressant erwähnt - arbeiten 18 Prozent unserer Arbeitskräfte in sehr
jungen, dynamischen Betrieben - in ganz Österreich sind es nur 9 Prozent
-, wir haben allerdings auch - Herr Dr Günther
hat das zuerst auch erwähnt, und ich stehe überhaupt nicht an, das zu negieren,
das ist keine Frage - per Saldo gesehen ein Arbeitsplatzdefizit, die Frage ist
nur, wie wir mit diesem Arbeitsplatzdefizit umgehen.
Antworten
auf diese Frage gibt Wien einerseits durch den Wiener ArbeitnehmerInnen-Förderungsfonds
- Wien ist immer noch das einzige Bundesland, das so einen Fonds eingerichtet
hat -, durch Technologiefördermaßnahmen, durch Förderungen von Fachhochschulen
und so weiter. Gerade in den letzten Sitzungen des Stadtsenats und Gemeinderats
ist auch für Fachhochschulen nicht Unwesentliches geschehen. Es geht natürlich
auch darum, mit diesem Strukturwandel dahingehend umzugehen, dass wir uns
selbstverständlich bemühen müssen, einerseits die bestehende Sachgüterproduktion
in Wien zu halten, andererseits neue zu bekommen.
Genau das ist einer der Punkte, wo wir uns ganz einfach
weiterhin gemeinsam anstrengen werden, wobei wir aber sehen müssen, dass wir
diesen Strukturwandel in unserer gesamten Wiener Wirtschaft haben. Ich glaube,
wir sollten uns nicht - und werden das auch nicht tun - auf unseren Lorbeeren
ausruhen, was den Dienstleistungssektor betrifft, was vor allem auch Wien als
Standort zum Osten betrifft. Es ist ja nicht uninteressant, dass eine sehr,
sehr hohe Anzahl derjenigen Firmen, die Österreich als Drehscheibe in den Osten
verwenden, sich primär in Wien ansiedelt. Zwei Drittel dieser Ansiedelungen
finden nämlich in Wien statt und nicht im Umland Wiens. Ich glaube, das sollte
hier auch einmal sehr eindringlich gesagt werden.
Ich möchte noch auf zwei Punkte eingehen, weil heute
auch schon das Nulldefizit der Republik gerühmt wurde, dieses Nulldefizit, dass
das Credo alles Guten darstellt oder des angeblich Guten. Man sollte bei der Budgetkonsolidierung
auch berücksichtigen - und das sehen die Damen und Herren der vereinten
Oppositionsparteien ja überhaupt nicht -, was die negativen Seiten sind, was
hinter einer Budgetkonsolidierung steht. Dass hinter einer Budgetkonsolidierung
eine Wachstumsbremse steht, dass hinter einer Budgetkonsolidierung der Anstieg
der Arbeitslosigkeit steht, das wird ja nicht gesehen.
Gerade im Baubereich zum Beispiel ist der Ausfall des
Bundes bei Projekten in Wien ein ganz, ganz dramatischer, auch wenn von diesen
15 000 Arbeitsplätzen, die der Bund abgebaut hat, angeblich nur ein
Drittel auf Wien entfällt. In Wahrheit sind es laut Auskunft des zuständigen
Sektionschefs des Bundeskanzleramts nicht ein Drittel, sondern zwei Drittel der
Wiener Arbeitsplätze; aber das Zahlenspiel sei jetzt dahingestellt. Es ist ganz
einfach so, dass die Republik Österreich als Bund bei den Investitionen in Wien
keine Rolle mehr spielt. Sie ist nicht mehr vorhanden, sie ist in eine
Wien-Feindlichkeit hineingerückt, die man den Menschen ganz einfach erklären
muss, die man aufzeigen muss.
Es ist auch zu befürchten, dass dieser
Nulldefizit-Fetischismus weitergehen wird in einer Art und Weise, die bewirken
wird, dass wir wahrscheinlich noch einmal Sparpakete bekommen werden, die vor
allem diejenigen am ärgsten treffen werden, die am meisten Zuschüsse von der
öffentlichen Hand brauchen. Das heißt, die Ärmsten unter uns, die Armen unter
uns, die Kranken unter uns werden diejenigen sein, die wahrscheinlich noch
einmal von diesen Sparpaketen betroffen sein
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular