Gemeinderat,
17. Sitzung vom 24.06.2002, Wörtliches Protokoll - Seite 50 von 145
ausschauen. (GR Gerhard
Pfeiffer: Was ist mit den Rückzahlungen?) Aber so ist es billige Polemik,
und Sie wissen genau, die billige Polemik ist an und für sich bei dem, was die
SPÖ insgesamt in Wien macht, nicht notwendig. Da kann man ein bisserl
fundierter nach Sachen suchen und muss nicht Dinge herausgreifen, die eigentlich
auf dieser Ebene nicht wirklich anzugreifen sind. Möglicherweise wird man in
fünf Jahren sagen, das war wirklich ein schwerer Fehler, weil nicht rechtzeitig
jetzt 2002 zurückgezahlt wurde, aber wenn man zehn Jahre nimmt, dann schaue ich
mir das einmal an, ob da nicht die Stadt Wien sehr wohl davon profitiert hat.
Zum zweiten Bereich: Wiener Stadtwerke. Was soll man
zu den diversen Tariferhöhungen, die vorgenommen wurden, sagen, außer dass die
Menschen davon in erheblichem Ausmaß betroffen waren und Investitionen in
Wirklichkeit in manchen Bereichen leider nicht getätigt wurden. Das wurde im
Großen und Ganzen alles schon erschöpfend in der Generaldebatte besprochen.
Ähnliches gilt für die Wirtschaftspolitik der Vergangenheit.
Ich komme daher zu einem Thema der Wirtschaftspolitik
der Zukunft, einer Zukunft, der sich auch die Stadt Wien stellen wird müssen,
einer Zukunft, die, sofern die jetzigen Verhandlungen im Rahmen des General
Agreement of Trade and Services, kurz GATS, 2005 im Sinne der WTO abgeschlossen
werden, eine massive Rückwirkung auf die Stadt Wien haben werden. Sie werden
massiven Einfluss darauf nehmen, ob und in welcher Art und Weise die Stadt Wien
überhaupt noch diejenige sein wird, die öffentliche Dienstleistungen zur
Verfügung stellen kann.
Da uns - so wie auch Bgm Häupl am 30. Jänner gesagt
hat - die Bereitstellung der öffentlichen Dienstleistungen in Wien ein sehr
großes Anliegen ist, möchte ich die jetzt verbleibenden Minuten dazu benutzen,
Sie einerseits darüber zu informieren, was im Rahmen des General Agreement of
Trade and Services tatsächlich auf uns zukommt, und weiters einen diesbezüglichen
Antrag zur Positionierung der Stadt Wien bei diesen Verhandlungen einbringen.
Die Rahmenbedingungen sind relativ schnell erklärt.
Wir befinden uns nun seit rund 20 Jahren in einem Globalisierungsprozess,
in dieser Form ermöglicht und vorangetrieben von einer neoliberal motivierten
Politik der Liberalisierung und Deregulierung der Finanz- und Produktmärkte
sowie der Privatisierung vormals öffentlicher Unternehmen zur substanziellen
Verschiebung der Gewichte im Zusammenspiel von Politik und Ökonomie.
Sie werden es alle gemerkt haben: In den letzten
20 Jahren, vor allem auch in den letzten 10 Jahren hat sich der politische
Diskurs sehr verschoben, und zwar weg von wirklich politisch orientierten Entscheidungen
hin zu Sachzwangentscheidungen. Nichts anderes als eine Marketingstrategie mit
einer vornehmlichen Sachzwangentscheidung ist zum Beispiel die Diskussion um
ein Nulldefizit. Ein Saldo ist niemals Politik, es kommt immer darauf an: Was
macht man mit den Ausgaben? Woher bekommt man die Einnahmen? Und daraus dokumentiert
sich dann auch, welches politische Verständnis man letztendlich hat.
Das heißt, in den letzten 20 Jahren kam es zu einer
Stärkung des ökonomischen Sektors auf Kosten des politischen und des
gesellschaftlichen Sektors. Gleichzeitig - das kann man jetzt zunächst einmal
positiv oder negativ bewerten, das überlasse ich gerne Ihnen - kam und kommt es
zu einer Aushöhlung und Schwächung des Nationalstaats durch Verlagerung von
Entscheidungen und die parallele Aufwertung von supranationalen Politikebenen,
sei es jetzt EU, sei es WTO et cetera.
Im Zuge dieser Aufwertung kommt es natürlich auch zu
einer massiven Verschiebung der Politikgestaltung innerhalb der
Nationalstaaten, und zwar vor allem innerhalb der gewählten Gremien. Der
Einfluss von gewählten Mandataren und Mandatarinnen geht auf Kosten von
Exekutivorganen immer stärker zurück. Diese Verschiebung - ich werde das in weiterer
Folge herausarbeiten - hat natürlich auch einen massiven Entdemokratisierungsprozess
eingeleitet, einen Prozess immer weiter weg von den Bürgern und Bürgerinnen.
Sie alle wissen, in den letzten Wochen und Monaten ist das Schlagwort der
BürgerInnennähe immer wieder in den Mittelpunkt gerückt, vor allem im Zuge auch
der Konventdebatte, die gegenwärtig stattfindet. Doch die Auswirkungen der letzten
Jahre waren ein immer stärkeres Wegrücken von den Bürgern und Bürgerinnen,
immer weniger Politik, immer weniger Mitspracherecht von gewählten Mandataren
und Mandatarinnen, immer mehr öffentlich-private Politiknetzwerke, die zum Teil
über organisatorische Einheiten verfügen, die keine oder zumindest nur eine
sehr zweifelhafte demokratische Legitimität haben. Und genau unter diesen
Rahmenbedingungen finden die jetzigen Verhandlungen im Rahmen des
GATS-Abkommens statt.
Was ist GATS? - Für alle, die es nicht wissen, ein
ganz kurzer Überblick. Mit dem allgemeinen Abkommen über Handel und
Dienstleistungen wurde im Jahr 1994 mit Abschluss der Uruguay-Runde ein
Rahmenwerk für die fortschreitende Liberalisierung des internationalen Handels
für Dienstleistungen geschaffen. Gleichzeitig wurde festgelegt, dass im Jahr
2000 mit Neuverhandlungen begonnen wird, und diese haben, wie gesagt, jetzt
begonnen.
Einer der wesentlichsten Punkte dabei ist, dass die
Mitgliedsländer der WTO jetzt bis 30. Juni 2002 ihre
Liberalisierungsforderungen bekannt geben müssen und bis 31. März 2003
ihre Liberalisierungsangebote darlegen müssen. Die Mitgliedsstaaten der EU
werden dabei in ihrer Gesamtheit von der EU-Kommission vertreten. Der geplante
Abschluss dieser Verhandlungen soll 2005 stattfinden. Das heißt, es ist noch
genügend Zeit vorhanden, um eine Position zu finden. Ist es allerdings so, dass
sich die Verfechter des ach so freien Markts und der Liberalisierung und der
Deregulierung durchsetzen, so kann das Jahr 2005 gleichzeitig das Ende der
öffentlichen Dienstleistungen in Wien bedeuten.
Im Prinzip umfasst GATS sämtliche Dienstleistungen.
Ausgeschlossen sind einzig und allein die Luftverkehrsrechte und die so
genannten hoheitlichen Aufgaben,
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