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Gemeinderat, 17. Sitzung vom 24.06.2002, Wörtliches Protokoll  -  Seite 68 von 145

 

20 Jahre, aber auch der Zukunft hinweisen: Es ist die deutliche Verschiebung der Bevölkerungszahl und der Wirtschaftsstruktur aus den inneren Bezirken hin in die äußeren Bezirke und insbesondere auch ins Wiener Umland. Ich habe in einer Pressekonferenz vor einigen Wochen auf eine sehr, sehr einseitige Siedlungsentwicklung in den letzten 10 Jahren hingewiesen - das nicht nur vom Kollegen Reiter empörte Vetorufe eingebracht hat -, wo sich nahezu die Hälfte der Bevölkerungsentwicklung dieser letzten 10 Jahre auf einen einzigen Bezirk konzentriert hat, und das war der 22. Bezirk (GRin Renate Winklbauer: Aber das stimmt ja nicht!) - ich habe auf den Zwischenruf gewartet -, und dass diese Entwicklung genau zu jenem Verkehrschaos geführt hat und führen wird, wenn diese Entwicklung weitergeht.

 

Und ich habe weiters darauf hingewiesen, dass in der ersten Vorlage von Daten, die jetzt, wie ich höre, auch vom Herrn Stadtrat durchaus angeregt überprüft werden und eine weitere Variante eingerechnet wird, auch für die nächsten 20 Jahre ursprünglich eine Bevölkerungsentwicklung angelegt war und ist, dass sich wiederum nahezu die Hälfte des Bevölkerungszuwachses, der erwartet wird, und der Wohnbauleistung auf den 22. Bezirk konzentriert. (GR Mag Thomas Reindl: Das ist eine gute Aussage!) Wenn derartig einseitig eine derartige Bevölkerungszunahme nur in einem Bezirk passiert und genau das Ergebnis dessen, nämlich ein Verkehrschaos, jetzt, heute schon das Ergebnis ist, was wird erst passieren, wenn in den nächsten 10 bis 20 Jahren eine ebensolche Siedlungsentwicklung in diesem Bezirk weitergeht? Und ich nehme nicht zur Kenntnis, dass man sagt, na ja, es gibt schon voreingereichte grundüberlegte Projekte, wo dann im Nachhinein Infrastruktur teuer nachgebaut werden muss.

 

Ich war vor einigen Tag im Zuge eines Tages der offenen Tür bei einem sehr, sehr interessanten Volksschulprojekt, das nicht in dieses Ressort gehört, die unter anderem das Problem haben - und das haben viele Volksschulen und Hauptschulen, aber auch andere Kindergärten -, dass die Siedlungsentwicklung innerhalb des Gürtels seit Jahren hinunterzeigt, wofür kein Stadtrat prinzipiell jemals etwas kann, um da keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, denn das hat damit zu tun, dass Wohnungen zusammengelegt werden, die Wohnungen Gott sei Dank größer werden, die Wohnfläche pro Kopf entsprechend wächst und dass es durch eine Gesellschaftsentwicklung mit mehr Singlehaushalten, mit höheren Scheidungsraten, et cetera, diese Entwicklung gibt. Gäbe es jetzt nicht im Zentralbereich entsprechende Flächen, dann müssten wir sagen, okay, innerhalb des Gürtels ist es ausgereizt. So ist es aber nicht!

 

Wir haben als Stadt Wien entlang bereits gebauter U-Bahn-Linien und Schnellbahnlinien große Siedlungs- und Flächenreserven. Die U 3-Achse ist nur eine davon, wo ich zum Beispiel massiv kritisiere, dass der Nutzungsmix dessen, was rund um die Gasometer im erweiterten Sinn geplant wird, aus meiner Sicht eindeutig Büro- und Geschäftsentwicklung ist und die Wohnentwicklung dort eindeutig zu kurz kommt. Die Grundidee, vernetzte Siedlungsstrukturen zu bauen, das, was noch immer im dicht besiedelten Gebiet die Qualitäten Wiens ausmacht, das Neben- und Über- und Durcheinander im produktiven Sinn von Wohnen, Freizeit, Arbeit, Bildung, Einkaufen, das macht die Urbanität dieser Stadt aus und das vermissen wir im enormen Ausmaß in vielen, vielen, in nahezu allen amerikanischen Städten.

 

Ich nehme da jetzt die unamerikanische Stadt New York aus, die ja eine Stadt sui generis ist, aber das, was man in der "Provinz" in Amerika sieht, dass man sich ohne Auto überhaupt nicht mehr fortbewegen kann, das hat man in den neu errichteten Siedlungsgebieten Wiens auch zu gewährleisten. Dass man quasi jetzt zwei Mal umfällt wie so ein privilegierter Mensch wie ich, der in der Gumpendorfer Straße wohnt und fußläufig trotz Geschäftesterben, das zunimmt, noch immer die Möglichkeiten hat, alle Verkehrsziele zu erreichen, das habe ich in weiten Teilen des 22. Bezirks nicht. Dort muss man sich ins Auto setzen. Und darum sollten wir diese Verkehrsstudie der Arbeiterkammer sehr, sehr ernst nehmen, die ein sehr differenziertes Bild der Verkehrsentwicklung Wiens zeichnet.

 

Nicht in ganz Wien nimmt der Verkehr zu. In vielen innerstädtischen Straßen nimmt der Verkehr ab, deutlich ab. Burggasse, Alser Straße, Abnahmen um 20, 30 Prozent. Warum? - Ja, in diesen Bereichen haben wir gut ausgebaute öffentliche Verkehrsmittel. Das war übrigens eines der Argumente, warum man richtigerweise auf der Zweierlinie auch einen Radweg bauen konnte und es überhaupt nicht notwendig gewesen wäre, dort eine weitere Spur dazu zu tun, weil auch in diesem Bereich durch die Siedlungsentwicklung, Bevölkerungsentwicklung, aber auch durch den Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel der Verkehr stagniert und sogar leicht abgenommen hat. Wo wir explosionsartige Zuwächse haben, das ist im Nordosten der Stadt. Na kein Wunder, wenn sich nahezu die gesamte Siedlungsentwicklung dort konzentriert.

 

Und da kommt es jetzt zu einem fatalen Irrtum von Betriebswirtschaft versus Volkswirtschaft. Dort waren in der Vergangenheit die Gründe billiger als in gut erschlossenen Gebieten. Also haben nicht zuletzt auch die Fonds dieser Stadt gekauft, aber im Nachhinein ist es natürlich sehr, sehr teuer, Infrastruktur nachzubringen: U-Bahnen, Straßen, die es nicht gibt, Straßenbahnen, die es nicht gibt. Übrig bleiben die von mir immer skizzierten verhungerten Busse, wo die wenigsten zu Recht damit fahren. Dann sitzen alle im eigenen Auto, Durchschnittsbelegung 1,2, und wundern sich über den Stau. Wären wir provokant, würden wir schreiben: "Der Stau seid ihr". Der Stau ist ja niemand dritter Böser. Aber diese Siedlungsentwicklung hat einen Grund.

 

Ich meine, dass eines der Grundprinzipien der Stadtentwicklung Wiens wäre, die Stadtentwicklung der nächsten Jahre dort zu konzentrieren, wo es bereits öffentlich erschlossen ist, zum Beispiel Nordbahnhof. Ja, auch wenn er teurer ist, ist es billiger dort zu bauen, und dass so nebenbei eine in der öffentlichen Hand befindliche

 

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