Gemeinderat,
17. Sitzung vom 25.06.2002, Wörtliches Protokoll - Seite 27 von 115
ist selbstverständlich der Privatbereich, ganz wichtig sind
auf der anderen Seite auch die Begegnungsmöglichkeit in einem
Gemeinschaftsraum, die ärztliche Betreuung und die therapeutischen Angebote wie
Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie oder Psychologie. All das muss
zusammenwirken, um den Menschen so lange wie möglich relativ selbständig zu
erhalten.
Das bedeutet natürlich qualifiziertes Pflegepersonal
und da besteht wirklich ein Personalnotstand. Ich muss Ihnen sagen, es war
berührend, wie die Leiterinnen und der Leiter dieser Abteilungen darauf
hingewiesen haben, in welcher Notsituation sie sich heute schon befinden. Jetzt
wissen wir aber, was da auf uns zukommt, und hier bedarf es vor allem
politischer Anstrengungen: Rekrutierung von Bewerberinnen für die
Krankenpflegeschulen, Anhebung des Ausbildungsniveaus, Anhebung der
Verweildauer in Berufen durch geeignete Personalentwicklungsmaßnahmen und
vieles andere mehr.
Bei der Lösung dieser Krise darf man die Pflegenden
nicht allein lassen. Dahinter müssen politischer Wille und ein Plan, aber
natürlich vor allem auch die Bereitstellung finanzieller Mittel stehen. Ich
habe den Eindruck, dass diese Fachleute wirkliche Idealisten sind, die
allerdings an den Realitäten fast scheitern. Da geht es tatsächlich um eine
Grundsatzdiskussion: Wie viel ist der Gesellschaft der alte und
pflegebedürftige Mensch wert? Sagen wir, dass es genügt, wenn immobile Menschen
in ihrem Bett warm, satt und sicher aufbewahrt werden?
Wenn wir das nicht wollen - und ich nehme an, das
wollen wir alle nicht -, dann muss man die Lebensqualität aufrechterhalten und
dann muss man die Möglichkeit bieten, am Leben noch teilzunehmen. Das bedeutet
aber ganz konkret, immobile Bewohner oder Bewohnerinnen mehrmals täglich aus
dem Bett in den Rollstuhl zu heben, eine aufwendige und fachlich
herausfordernde Aufgabe, die für die Bewohner das Leben lebenswert macht, aber
noch nicht Luxus bedeutet.
Wenn die Pflegenden, die ja die Fachleute sind, von
uns gesundheitspolitische Entscheidungen erwarten, wenn sie von uns erwarten,
dass wir uns gemeinsam mit ihnen an die Seite der alten Menschen stellen, dass
wir in Zeiten von knappen Ressourcen nicht nur über den Preis, sondern auch
über den nachhaltigen Wert diskutieren, so ist das ein Aufruf, den wir alle
hier in diesem Haus sehr ernst nehmen sollten. (Beifall bei der ÖVP.)
Aber apropos ernst nehmen, meine sehr geehrten Damen
und Herren: Beim Rechnungsabschluss im Vorjahr habe ich erwähnt, dass mein
nochmaliger Einstieg in die Kommunalpolitik mit der altersbunten Gesellschaft
zusammenhängt. Alter ist Chance und Abenteuer, aber natürlich auch verbunden
mit Risken, mit Leid, mit Problemen. Viele politische Entscheidungen sind hier
notwendig, und diese will ich wirklich mit beeinflussen.
Ich war sehr optimistisch und habe einen Antrag
eingebracht, den alle vier Parteien unterstützt haben und in dem ich gemeint
habe, wir brauchen ein Landesseniorengesetz, um hier einen Diskussionsprozess
in Gang zu bringen und Aufklärungsarbeit zu betreiben. Einige Monate später hat
Herr Präsident Römer einen Initiativantrag für ein Landesseniorengesetz
eingebracht. Da war mein Optimismus schon etwas geringer, denn siehe da: Die
Mehrheitsfraktion und die GRÜNEN haben diesen Antrag nicht unterstützt. Der
Antrag ist dann in den Ausschuss gekommen und dort ist er nicht behandelt
worden, sondern an den Verfassungsdienst weitergegeben worden. Der Rest, meine
Damen und Herren, ist Schweigen!
Wenn die Mehrheitsfraktion dieses Hauses die
Anliegen, Probleme, Wünsche der älteren Generation so ernst wie unsere Anträge
und unsere Gesetzesinitiativen nimmt, dann sieht die altersbunte Gesellschaft
dieser Stadt keiner guten Zukunft entgegen!
(Beifall bei der ÖVP.) Ich werde daher beim Landtag am Donnerstag ein
Landesseniorengesetz einbringen. Schon im Vorjahr habe ich gesagt, Wien könnte
ja hier ein Pionier sein.
Vorsitzender GR Günther Reiter (unterbrechend):
Frau Gemeinderätin, ich ersuche, zum Schluss zu kommen.
GRin Ingrid Korosec
(fortsetzend): Gerade in Wien leben
so viele alte Menschen. Pioniere sind wir heute keine mehr, weil inzwischen
zwei Länder bereits ein Landesseniorengesetz haben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist Aufgabe
der Politik, kommende Entwicklungen zeitgerecht zu erkennen. Ich sehe das auch
nicht parteipolitisch, sondern das ist unsere verdammte Pflicht und
Schuldigkeit. Es geht um Menschen in dieser Stadt, die viele Jahrzehnte hier
gelebt haben und in einer gewissen Zeitspanne, nämlich in der letzten Phase
ihres Lebens, unsere Unterstützung und Hilfe brauchen. Das ist Menschlichkeit!
Vergessen wir nicht, meine Damen und Herren, manch einer von uns wird dieser
Menschlichkeit vielleicht auch einmal bedürfen. Ich hoffe, er, sie oder wir
alle werden sie dann auch spüren können. (Beifall
bei der ÖVP.)
Vorsitzender GR Günther Reiter: Zum Wort gemeldet ist Herr GR Ing RUDOLPH. Ich
erteile es ihm. Aus aktuellem Anlass: Bitte die Redezeit von 20 Minuten
beachten.
GR Ing Herbert RUDOLPH
(Klub der Wiener Freiheitlichen):
Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Dieses Haus, dieser Saal ist durchaus auch ein Ort
der Rituale. Da gibt es ältere Rituale und jüngere. Zu den jüngeren Ritualen
zählt beispielsweise die Tatsache, dass bei Teilen der Gemeinderatssitzung das,
was hier gesprochen wird, von Gebärdendolmetschern übersetzt wird. Die stehen
hier, wechseln sich ab, sind hier ein paar Stunden im Dienst, und dann gehen
sie wieder weg. Das passiert so von Sitzung zu Sitzung, ohne dass man sich
eigentlich überlegt: Was ist denn das eigentlich, was hier passiert? Ist das
ausreichend - oder ist es nur ein Signal, ist es Symbolpolitik?
Natürlich sind Symbole als Einstieg für eine Initiative
notwendig. Sie sind richtig und gut, und daher werden
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