Gemeinderat,
20. Sitzung vom 25.10.2002, Wörtliches Protokoll - Seite 29 von 106
wie die "Ewigkeitsgasse" verschicken wir den
Artikel "Wiener Umweltstadträtin sagt: Öl ist wichtiger als Biomasse!"
an 100 000 Leute. Ich weiß ja gar nicht, ob das stimmt, dass
möglicherweise sogar bei einer Pressekonferenz jemand aus der Ölwirtschaft
dabei sein wollte und ein kluger Berater von Ihnen hier noch im letzten Moment
die Bremse gezogen hat.
Was haben Sie für ein Verständnis von Klimaschutz,
Frau Brent-Spar-Stadträtin? Wissen Sie, was Klimaschutz bedeutet, wo in ganz
Europa und Gott sei Dank auch in Wien, Gott sei Dank an Ihnen vorbei, Gott sei
Dank in anderen Ressorts etwas beschlossen wurde, eine Förderung - ich glaube,
hier herinnen sogar einstimmig -, wo gefördert wird, dass, wenn Häuser von
fossil auf erneuerbar, auf heimisch, auf CO²-neutral umsteigen, das von der
Gemeinde Wien unterstützt wird?
Also, mir ist jetzt kein Fall bekannt, wo ein Oppositionspolitiker
einen Beschluss einer Fördermaßnahme gegen die eigene Stadträtin verteidigen
muss! Zum Glück haben Sie hier keine Kompetenzen. Weit haben Sie es gebracht,
Frau Stadträtin! Irgendwie bin ich fassungslos und froh, dass ein derartiger
Klimaschutzbericht das imstande war, weil diese Geisteshaltung kann man
vielleicht bei der Regierung Bush sehen, die maßgeblich von der Ölindustrie
unterstützt wird, aber selbst nach langem Nachdenken wäre ich nicht auf die
Idee gekommen, sie auch bei der Wiener Umweltstadträtin zu sehen.
Frau Kollegin, ich sehe Sie jetzt in der Tat mit anderen
Augen, aber man kann ja dazulernen. Lesen bildet, haben wir heute gesehen.
Diese Lektüre im "Standard" oder in einer anderen Zeitung hat mir wieder
eine neue Erkenntnis gebracht, wie Umweltpolitik von der SPÖ - aber da muss ich
die SPÖ vor Ihnen in Schutz nehmen, denn die SPÖ hat ja zugestimmt -, also wie
die Umweltstadträtin hier agiert. Was das im Wahlkampf auch bewirkt hat, dafür
kann ich mich bei Ihnen nur bedanken, denn man sieht jetzt, wer für
Umweltmaßnahmen hier einen richtigen Schritt macht.
Biomasseförderung haben wir Gott sei Dank. Wir werden
sehen, wie sie funktioniert. Wir werden aber darüber nachdenken müssen - da es
sie jetzt nur auf Kleinanlagen gibt -, dass hier vernünftige, auch größere
Anlange außerhalb des Fernwärmeversorgungsgebiets eingesetzt werden können.
Wenn wir wissen, meine Damen und Herren, dass wir im
langfristigen Trend weltweit an der Spitze der Ölproduktion angelangt sind -
und das sage nicht ich, sondern maßgebliche Vertreter der Ölindustrie sagen,
dass durch China und Indien der Zuwachs an Öl weltweit stärker steigt, als das
Auffinden neuer Felder -, dann müssen wir uns auf höhere Preise einstellen. Es
wird nicht eine Knappheit im Sinne von "das Öl geht aus" geben, aber
preislich wird es deutlich nach oben gehen. All jene sind gut beraten, die Möglichkeiten,
Visionen und Technologien haben, Strom- und Wärmeerzeugung nicht fossil zu
decken. Darum freue ich mich, dass es bis zu den Stadtwerken einen breiten
Konsens gibt - demnächst werden wir die abschließende Sitzung dieses
Biomassekraftwerk-Arbeitskreises haben - und dass das kommen kann.
Wir warten jetzt auf einen vernünftigen Beschluss eines
zukünftigen Wirtschaftsministers, einer zukünftigen Wirtschaftsministerin, die
hier Einspeistarife festsetzt, die die Wirtschaftlichkeit dieses
Biomassekraftwerks gewährleistet. Dann kommen wir einer Vision einen Schritt
näher.
Ich möchte die Vision noch einmal formulieren, weil
sie auf den ersten Blick so radikal klingt, aber so notwendig ist, und zwar: In
einem absehbaren Zeitraum von 10, 20, 25 Jahren zumindest bei der Wärme-
und Stromversorgung Wiens vollständig auf erneuerbare Energien umsteigen. Das
ist möglich, das geht. Wir haben auch bereits mit der Gaswirtschaft gesprochen.
Wenn die Gaslieferverträge auslaufen, dann kann man auch die Gasversorgung
erneuerbar gewährleisten. In Deutschland boomt mit Zuwachsraten von
40 Prozent und mehr pro Jahr - wie sie die "Internet-Industrie“ nie
hatte - Wind und Solar, aber auch Biogas.
Wenn wir wissen, wie viel Brachflächen es bereits im
Weinviertel gibt, dann kann Biogas mit einer relativ geringen Bewirtschaftung
dieser Brachflächen mit Gras, Mais, mit anderen Pflanzen und mit heimischen
Technologien erzeugt werden, das Erdgas 1 zu 1 ersetzen kann. Dann
kann man das in das Gasnetz einspeisen und zum Beispiel das Kraftwerk Donaustadt
mit Biogas befeuern.
Genauso wie viele mich ausgelacht haben, als ich vor
Jahren durch Wien gezogen bin und gesagt habe, man könnte ein Großkraftwerk mit
Holz heizen, so ist das eine nächste Option, wo die Deutschen dank der
rot-grünen Bundesregierung sehr weit sind. Dort haben wir explosionsartige
Zunahmen beim Biogas. Ich hoffe auch, dass die Biogasanlage in Wien, die bei
der Entsorgung eine neue Schiene aufmacht, Optionen setzt.
Noch einmal: Mittelfristig ein vollständiger Umstieg
auf Erneuerbare, auch mit der Option Richtung Osteuropa, hier Technologien zu
entwickeln. Da sollten wir mittel- und langfristig denken. Der Firstmover, der
hier zuerst eigene Erfahrungen hat, der ist wirtschaftlich stark. Darauf
sollten wir setzen.
Ich freue mich ja, was es da für neue Allianzen gibt.
Das hätte man vor 10, 15 Jahren auch nicht geglaubt, dass die GRÜNEN für
ein Großkraftwerk kämpfen und das im Bereich der Wiener Stadtwerke auch mit
Gewerkschaftsvertretern, die froh sind, dass sie wieder ein Kraftwerk bauen
dürfen. Da vermischen sich auch, wenn es um die Nachhaltigkeit geht, die
Interessen und die (GR Heinz Hufnagl: Panta rhei!) schwindenden ...
Bitte? (GR Heinz Hufnagl: Panta rhei! Alles fließt! Alles fließt!) Alles
fließt, ja.
Irgendwie gibt es, damit wir noch streiten können,
zumindest die Wiener Umweltstadträtin, die sagt: Nein, Öl ist ihr wichtiger als
Biomasse. Aber so lange dieser Widerstand nur derartig - wie sage ich das jetzt
höflich - nicht durchsetzungsfähig oder nicht mehrheitsfähig scheint, können
wir auch mit diesem Widerstand leben.
Nächstes großes Thema, wo ich froh bin, dass wir
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