Gemeinderat,
24. Sitzung vom 30.01.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 23 von 82
wirklich nichts mehr zu tun. (Beifall bei der SPÖ.)
Ich glaube, bei dieser Geschichte – und da nehme ich
an, das ist auch Ihre Meinung – kann man nicht einfach zum Alltag zurückkehren.
Dieses ungerechte Bild muss korrigiert werden. Ich finde es in diesem
Zusammenhang – nur kurz gesagt – positiv, dass die ÖVP sich auch positiv
ausgesprochen hat. Okay, das war nicht immer so. Ich darf nur daran erinnern,
dass einmal ein gewisser Herr Dr Busek, seinerzeit Vizebürgermeister von Wien,
da noch von Wohnmaschinen gesprochen hat, von Slums von morgen, von
Kriminalität von Jugendlichen. Vielleicht sind damals gewisse Vorurteile
geprägt worden.
Ich möchte feststellen, dass die damalige
Stadtregierung sehr rasch reagieren musste, einen leistbaren, einen schönen,
einen grünen Wohnraum in diesen Stadterweiterungsgebieten zu schaffen. Der
Wohnungsbedarf war, wie wir alle wissen, damals sehr hoch. Die Infrastruktur
wurde vielleicht – das gebe ich schon zu – nicht sofort mitgeliefert. Es ist
aber heute in der Stadtplanung gang und gäbe, dass gleichzeitig mit einem
Stadterweiterungsgebiet die Infrastruktur mitgeliefert wird.
Die Großfeldsiedlung, wie sie sich heute darstellt,
ist ein lebendiger Stadtteil mit hoher Lebensqualität. Ich könnte jetzt alle
die Dinge aufzählen, die es in der Großfeldsiedlung gibt: Kindertagesheime,
Volksschulen, Hauptschulen, Sport- und Spielflächen, Jugendplätze, Grünanlagen,
Hallenfreibad, Ärztezentrum, Apotheken, Banken, Einkaufszentren,
Pensionistenheim, Volkshochschule et cetera, et cetera. Die Liste ließe sich
verlängern. Das wird mein Kollege Michael Ludwig dann tun.
Ich möchte Ihnen abschließend noch sagen, dass dieser
Film gut und positiv ist, dass die Großfeldsiedlung, wie sie wirklich ist, in
"Korrektur einer Diffamierung" gezeigt wurde, dass diskutiert wurde
mit den besorgten Großfeldsiedlern und dass dieses verzerrte Bild der
Großfeldsiedlung wieder gerade gerichtet wurde. – Danke schön. (Beifall bei
der SPÖ.)
Vorsitzende GRin Josefa Tomsik: Danke. – Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau GRin
Jerusalem. Ich erteile es ihr.
GRin Susanne Jerusalem (Grüner Klub
im Rathaus): Frau Vorsitzende! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Ich sehe die Dinge etwas anders und darf vielleicht
auch bei der ÖVP anknüpfen. Wenn Sie an die "Alpensaga" zurückdenken,
die da positiv erwähnt wurde: Na, was war das für eine wahnwitzige Aufregung.
Der Bauernbund hat sich aufgeregt, der Kameradschaftsbund, der Tourismus, die
Klerikalen. Alle haben sich fürchterlich aufgeregt und sich auf den Schlips
getreten gefühlt. Denken Sie zurück an die Aufregung beim "Herrn
Karl", wo den Österreichern ein Spiegel vorgehalten wurde und wo es um
Opportunismus und Mitläufertum ging. (GR
Walter Strobl: Das ist ein Spiegel für Sie!) Alle Österreicher sind
verunglimpft worden. Große Aufregung! Und so weiter und so fort. Denken Sie an
den "Mundl", denken Sie an den "Kottan" und die Polizei,
die da so schlecht dargestellt wurde, sodass alle Polizisten wie ein Mann
aufgestanden sind. (Zwischenruf des GR Dr
Tschirf.)
Um genau das geht es. Spira ist eine Künstlerin und
hat das Recht, einen Blickwinkel einzunehmen und darzustellen. (GR Dr Matthias Tschirf: Aber sie hat nicht
das Recht, die Menschen zu verhöhnen!) Den Film kann es geben und er kann
gezeigt werden. Da geht es auch um die Freiheit der Kunst (GR Dr Andreas Salcher: Dann soll sie Schauspieler nehmen!), und es
soll diese Diskussion nicht vorbeigehen, ohne dass das nicht von diesem Pult
aus hier jemand sagt. (GR Dr Matthias
Tschirf: Sie verhöhnt die Menschen!) – So. Das ist der eine Teil. Das ist
der eine Teil, von dem mir wichtig ist, dass er gesagt wird.
Zweiter Teil. Frau Spira legt natürlich den Finger
auf eine Wunde, und das stört. Und was stört, ist diskussionswürdig. Jetzt wird
über die Großfeldsiedlung endlich einmal diskutiert. Na, was gibt es denn
Besseres? Meine Meinung nach – und da bin ich ganz, ganz sicher – werden die
Großfeldsiedler profitieren von Spiras Sendung plus großer Aufregung.
Und jetzt möchte ich auf das kommen, was ich als
Zweites so besonders gut finde: Das ist, dass auf die Provokation – und
natürlich ist dieser Film eine Provokation – große Aufregung gefolgt ist, dass
nunmehr andere einen anderen Blickwinkel eröffnen auf die Großfeldsiedlung und
dass vor allem Leute, die dort wohnen, sich zu Wort melden und auch gehört werden.
Ich finde das sehr, sehr gut: die Aufregung das Sich-zum-Wort-melden und dass
die Leute jetzt etwas dazu zu sagen haben. Das finde ich großartig. (Zwischenruf des GR Heinz Hufnagl.) Ja,
das ist ein guter Einwand. Ich fände es großartig, wenn es auch "Alltagsgeschichten"
über Politikerinnen und Politiker gäbe zum Beispiel. Das wäre eine wunderbare
Geschichte, wenn man einmal diese Berufsgruppe vor den Vorhang bäte, oder
andere, aber eben auch die Politiker. Dann gäbe es auch eine große Aufregung,
dann könnten sich auch alle zu Wort melden.
Diesen Film soll es auch geben, nur bitte, sagen Sie
der Frau Spira nicht, welchen Blickwinkel sie einzunehmen hat, welche Filme sie
drehen darf oder welche sie nicht drehen darf. Das ist nicht unsere Aufgabe als
Politiker. Unsere Aufgabe ist es, in der Großfeldsiedlung, die ja wahrlich
keine Meisterleistung der Städteplanung darstellt und wo es viel zu ändern
gebe, auch tatsächlich etwas zu ändern.
Vielleicht schreibt auch einmal ein Journalist, wenn er
noch darf und nicht zensuriert wird, etwas über die rechtsextremistischen
Probleme mit Jugendlichen in der Großfeldsiedlung. Oder darf man das dann auch
nicht schreiben? Darf man das dann auch nicht sagen, dass es in der
Großfeldsiedlung genau diese Probleme gibt?
Und ein Allerletztes: Selbstverständlich gibt es diese
Probleme nicht nur in der Großfeldsiedlung, und niemand will die Menschen dort
beleidigen, verhöhnen oder sonst irgendetwas Derartiges. Die Geschichten hätte
man woanders auch finden können. Aber wären Sie aufs Währinger Platzl gegangen,
um diese Leute zu finden und zu interviewen? Also ich glaube nicht. Da findet
man
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