Gemeinderat,
24. Sitzung vom 30.01.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 39 von 82
breit angelegten Diskussion bestmögliche Lösungen für alle
Beteiligten zu suchen wären. Und da komme ich wieder auf das eingangs Gesagte:
Es sind keine Querulanten dort, die Leute von der BIG sind keine wild
gewordenen Spekulanten. Wenn man da von vornherein einen echten
Mediationsprozess in Gang gesetzt hätte, über ein sechswöchiges
Auflageverfahren hinaus, das hier alle als zu kurz bekritteln, hätte man
wahrscheinlich heute eine Lösung, die für alle tragfähig ist.
Und das bringt uns, meine Damen und Herren, zur
generellen Frage der Bürgermitbestimmung und Partizipation an Bauvorhaben und
an Widmungsvorhaben. Wir haben zwar erste Ansätze dazu, wie das zukünftig
funktional ausschauen kann, im Hochhauskonzept, aber wie gesagt nur Ansätze
dazu.
Wir wissen aus vielen Großprojekten der letzten Jahre
und auch jetzt wieder am Beispiel Sensengasse – das wurde dort von der Agenda
in ihren Unterlagen sehr gut und prägnant herausgearbeitet –, dass wir mit
unserem herkömmlichen Instrumentarium für die Stadtplanung und für den
Flächenwidmungsprozess heute nicht mehr das Auslangen finden. Das Interesse der
Bürger und vor allem der Anrainer an Bauprojekten ist immer größer geworden. Es
gibt heute fast bei jedem größeren Bauvorhaben eine Bürgerinitiative, was
natürlich aus Sicht der Bauwirtschaft nicht immer wünschenswert ist, was aber
auf der anderen Seite verständlich ist, und es sind die Zeiten vorbei, Gott sei
Dank vorbei, wo man sich das für Großbauvorhaben mit dem zuständigen Stadtrat
oder dem Bürgermeister en passant ausmachen konnte. Das so genannte, wie es in
der Wirtschaft heißt, das Ballencenter, also die verschiedenen
Entscheidungsträger für so ein Großprojekt, sind heute viel vielfältiger
geworden und es bedarf einer ganz neuen Kommunikation zwischen den einzelnen
Guten, um hier eben nicht enttäuschte Hoffnungen bei den einzelnen Projekten
dann vorzufinden.
Wir brauchen also einen neuen instrumentalisierten
Prozess der Einbindung der direkt Betroffenen bei Flächenwidmungs- und
Bauvorhaben. Wobei wir natürlich das Interesse der Grundeigentümer nicht außer
Acht lassen dürfen, weil eines muss auch klar sein: Es kann nicht heißen, wenn
wir ein neues Instrumentarium haben, dass dann Bauvorhaben oder
Flächenwidmungs-verfahren jahrelang dauern und völlig unrentabel werden.
Aber genau diesen Ausgleich zwischen den Interessen,
etwa der Gemeinde, des Bauträgers und den betroffenen Anrainern, zu finden ist
Aufgabe der Politik. Das wäre ein zweites großes Vorhaben für den Herrn StR
Schicker für die nächsten drei Jahre. Und auch hier darf ich wieder anbieten,
dass wir gerne daran mitarbeiten.
Der nächste Aspekt, auf den ich noch eingehen wollte,
weil er auch hier wieder zutage getreten ist bei der Sensengasse, ist der
ominöse § 69 der Wiener Bauordnung. Das ist wirklich der
Gummiparagraph. Wenn Ihnen einmal langweilig sein sollte, in einer Mußestunde,
meine Damen und Herren, weil hier so oft davon die Rede ist, darf ich
empfehlen, ab Seite 45, 46 ist das im Internet zu finden bei der Wiener
Bauordnung. Sie finden dann dort auf Seite 45 eine ganze A4-Seite mit den
Ausnahmebestimmungen, was auf Grund des § 69 erlaubt ist, was vielleicht
im Flächenwidmungs- und Bebauungsplan nicht drinnen steht. Das ist aber
wirklich ein absoluter Persilschein, mit dem man, wenn man ihn anwendet, fast
alles darf.
Und wenn Sie sich so ganz kurz zurückerinnern, bei
welchen Projekten in der letzten Zeit – jetzt zähle ich nur ganz wenige auf –
vom 69er – weil es wird immer "der 69er" gesagt – geredet wurde, so
war das der Millennium-Tower, das Internationale Zentrum Donaustadt, das war
das Wien-Hilton, es war das Hotel Ambassador, es war erst vor wenigen Tagen in
der Presse der Hochstädtplatz – ja und die Sensengasse.
Bei der Sensengasse haben wir eine neue Variante der
69ers, den ich einmal, ohne Jurist zu sein, als vorauseilenden 69er titulieren
würde. Sie kennen ja die Zitate vom Herrn Bezirksvorsteher Benke, ich erspare
Ihnen jetzt, sie herauszusuchen und vorzulesen, aber sinngemäß hat er gemeint,
im Anschluss an das Widmungsverfahren wird es so zum Drüberstreuen noch einen
69er geben, weil dann kann man eh alles machen, was jetzt im Widmungsverfahren
für die BIG nicht gegangen ist.
Also ich meine, abgesehen davon – das haben wir auch
schon gehört –, dass Benke das gar nicht kann, weil er nicht die Mehrheit hat
im Bauausschuss, und das ist schon ein interessanter Anspruch, ähnlich wie l'État, c'est moi, der
Bezirk bin ich, er wird das dann schon machen. Aber das ist eine absolute
Perversion. Da beschließen wir heute gerade für ein Projekt einen
Flächenwidmungsplan, und gleichzeitig sagt der Bezirksvorsteher: Na ja, was da
nicht drinnen ist und was sich nicht ausgeht, das machen wir dann über eine
Ausnahme. – Ja wieso machen wir es dann nicht gleich jetzt im
Flächenwidmungsplan?
Also dieser 69er ist ein Thema, meine Damen und
Herren, mit dem wir uns auf jeden Fall beschäftigen werden müssen. Wenn Sie
sich den Paragraphen einmal durchlesen, werden Sie wahrscheinlich zu demselben
Schluss kommen wie ich, nämlich dass dem Bezirksbauausschuss hier eine
Machtfülle und Kompetenz gegeben wird, mit der er, glaube ich, nicht immer
sensibel genug umgehen kann. Das ist nämlich wirklich enorm, dieses
Instrumentarium des 69ers. Schauen Sie sich das an, eben der Millennium-Tower,
ICD, Ambassador, das geht alles auf Grund des 69ers und nicht auf Grund der
Flächenwidmung. (GRin Martina Malyar: Die Bezirksräte müssen zustimmen!) Das
hängt mit dem nicht zusammen, das hängt mit Machtfülle zusammen, Frau Kollegin.
Das hängt mit Machtfülle zusammen
Und wieso ist denn das so? Hier herinnen mag es manchmal
schwieriger sein, den Gemeinderat oder den Ausschuss positiv und milde zu
stimmen, sage ich einmal. Bei einem Bezirksgremium mag das im Einzelfall etwas
leichter sein. Es muss ja irgendeinen Grund haben, dass die ganzen großen
Bauvorhaben, die dann kritisiert wurden in der letzten Zeit, immer über diesen
69er gelaufen sind. Das kann doch keine Häufung von
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