Gemeinderat,
29. Sitzung vom 23.06.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 71 von 122
Visionen.
Zuerst einmal hatte ich die Vision, dass der Herr Kollege VALENTIN für höhere
bundespolitische Weihen vorgesehen ist, weil ich glaube, er hat nämlich gerade
für eine Nationalratsrede trainiert. Dann kam aber die zweite Vision dazu, dass
er vielleicht gerade dabei ist, innerhalb der SPÖ einen Karrieresprung irgendwo
nach oben vorzunehmen, weil das war eine Parteitagsrede, was er soeben hier
abgeliefert hat, und nichts anderes.
Sollten Sie also für irgendwelche größeren Aufgaben in unmittelbarer
näherer Zukunft vorgesehen sein, so gratuliere ich namens meiner Fraktion jetzt
schon recht herzlich. Vielleicht haben wir irgendetwas übersehen. Wenn dem aber
nicht so ist, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, dann haben Sie
wieder einmal eine Chance vergeben, in diesem Haus Sachpolitik zu machen und
nicht nur Polemik und Bundespolitik. Wir sind hier im Wiener Landtag, meine
Damen und Herren! Nehmen Sie einmal das endlich zur Kenntnis! (Beifall bei
der ÖVP.)
Das bringt mich aber zu etwas, das heute schon mehrfach angezogen wurde,
nämlich zu dem Ritual, dem wir uns da wieder zweitägig jetzt stellen, meine
Damen und Herren. Und nicht nur mir, sondern allen, die hier ans Rednerpult
gehen heute Nachmittag, bietet sich, glaube ich, derselbe Ausblick: relativ
leere Bankreihen. Und besonders heute bei den Kolleginnen und Kollegen von der
Opposition, der GRÜNEN und Freiheitlichen, die - soweit mir bekannt wurde - ja
besonders darauf bestanden haben, dass diese Diskussion zweitägig geführt wird.
Natürlich verstehe ich das Argument, und ich sehe es ein, dass wir als
Opposition nicht auf unsere Rechte verzichten wollen. Aber ganz ehrlich, meine
Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen: Welches Recht ist es, hier vor
halbleeren Bankreihen zu reden? Das Fernsehen hat abmontiert, Journalisten sind
nur mehr sehr spärlich vertreten. Welches Recht ist es?
Ich glaube, wir sollten uns sehr ernsthaft, sei es in der Präsidiale
oder auch im größeren Rahmen, darüber unterhalten, wie wir in Zukunft
Rechnungsabschlussdebatten und Budgetdebatten vonstatten gehen lassen. So hat
es keinen Sinn, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)
Eingefordert wurde Sachlichkeit und weniger Ideologie in der
Planungsdebatte. Ich fange damit an und konzediere einmal heute als erstes,
dass ein Großteil gerade der Flächenwidmungen gemeinschaftlich beschlossen wird
im Ausschuss und damit auch im Gemeinderat. Gar keine Frage. Also, in einem
weiten Teil haben wir Commonsense, gemeinsame Praxis und Anschauungen.
Aber dort, wo es nicht so ist, meine Damen und Herren, die
Flächenwidmungen, wo Oppositionsparteien oder in manchen Fällen sogar die
Opposition geschlossen dagegen ist, die haben es in sich.
Herr Kollege VALENTIN, Sie haben groß von Bürgerbeteiligung bei der
Gemeinde Wien und Stadt Wien gesprochen. Was ist denn Bürgerbeteiligung für
Sie? Wo fangt es denn an? Wie viele Hunderte, Dutzende, Tausende, Zehntausende
Unterschriften müssen denn für oder gegen ein Projekt eingebracht werden, damit
Sie wirklich Bürgerbeteiligung ernst nehmen? Beteiligen heißt ja nicht nur
formal und alibimäßig mit den Menschen reden, sondern sie wirklich einbinden,
sie mitentscheiden lassen, meine Damen und Herren.
Und das geschieht bei den Flächenwidmungen dort, wo es nämlich hapert,
dort, wo es kritisch ist bei einzelnen Flächenwidmungen, immer weniger, sonst
hätten wir nicht jetzt eine ganze Reihe solcher kritischer Fälle, begonnen mit
der Sensengasse. Also, ich will gar nicht alle aufzählen, weil sonst
überschreite ich selbst diese 20 Minuten. Die Sensengasse. Das
Bauernvertreibungsprogramm im 21. und 22. Bezirk, ja?
Wir haben demnächst auch wieder ein durchaus umstrittenes Projekt in
Liesing, über das wir noch diskutieren werden, wo es auch eine sehr
umfangreiche Bürgerbeteiligung gibt, nicht nur im Rahmen des
Flächenwidmungsverfahrens, sondern auch darüber hinaus in Form von
verschiedenen Initiativen.
Ich denke, dass wir gut beraten sind, und nicht nur
wir von der Opposition, sondern insbesondere Sie in der Regierung, dass wir
wirklich, dass Sie beginnen, die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger in
Flächenwidmungsfragen ernst zu nehmen und sie mitbestimmen zu lassen.
Zweiter Themenkomplex bei der Flächenwidmung: die Flächenanlasswidmung.
Auch da haben wir regelmäßig derartige Projekte, die maßgeschneidert werden.
Zuletzt wieder das Town-Town-Projekt.
Jetzt habe ich, aus der Wirtschaft kommend, dagegen noch relativ wenig
einzuwenden, wenn wirklich dann sozusagen das drinnen ist, was vorher
draufgestanden ist.
Wir haben vor kurzem am Handelskai eine Flächenwidmung für eine
österreichische Konzernzentrale vorgenommen. Das würde ich verstehen. Nur, wenn
diese Konzernzentrale oder das Grundstück bereits vor dem Verkauf steht oder
schon tatsächlich verkauft wurde und wir haben dann eigentlich für die
maßgewidmet, wozu dann diese Art der Flächenwidmung? Wozu diese Spezialisierung
in den Flächenwidmungen bis ins kleinste Detail, die wir einstweilen immer
wieder in den verschiedenen besonderen Bestimmungen haben?
Und genauso wie bei diesem Verkauf am Handelskai, den ich gerade erwähnt
habe, oder beim Town-Town-Projekt und bei vielen, vielen anderen mehr haben wir
hier schon öfter moniert, dass der Planwertausgleich nicht kodifiziert ist in
Wien. Ich weiß schon, jetzt kommt der Herr Stadtrat wieder mit dem Mehrwert
Simmering. Aber es gibt außer dem Mehrwert Simmering immer wieder viele andere
Projekte, wo nicht klar definiert ist, was zahlt oder was gibt eigentlich der
Developer, der einen hohen Plangewinn hat? Jedes Mal ist das so eine
undurchsichtige Mauschelei zwischen Beamten, zwischen der Stadtregierung,
zwischen dem Bezirksvorsteher, so wie das der Herr Bezirksvorsteher Wurm vor
kurzem ausgedrückt hat in einer Zeitung: "Investoren wollen soviel wie
möglich, die öffentliche Hand schaut was geht."
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