Gemeinderat,
39. Sitzung vom 30.01.2004, Wörtliches Protokoll - Seite 16 von 64
Bundeshauptstadt
Wien): Sehr geehrte Frau Stadträtin! Wenn eine
SPÖ-Gemeinderätin eine solche Frage an eine SPÖ-Stadträtin stellt, nämlich wie
die Jugendlichen auf das Wahlrecht vorbereitet werden, dann reagiert man als
Oppositionspolitiker natürlich schon sehr sensibel, wurde doch in letzter Zeit die
Schule vermehrt zum parteipolitischen Spielball, ob es die Lehrerbeschäftigung
war oder andere Beispiele, umso mehr, als mir hier ein corpus delicti vorliegt,
und zwar ein Schreiben des Zentralvereins, mit dem die SPÖ-Lehrervereinigung
anlässlich der letzten Gemeinderatswahl aufgefordert wurde, einen Wahlaufruf in
den Klassen zu verteilen.
Meine Frage in dem Zusammenhang ist daher: Wie kann
Parteipolitik in den Schulen ausgeschlossen werden? Was wird die Stadt Wien
unternehmen? Bei der nächsten Gemeinderatswahl, wo ja 16- bis 18-Jährige
möglicherweise wahlberechtigt sein werden, wird sich herausstellen, was der
Verfassungsgerichtshof dazu meint.
Wie wird die Stadt Wien reagieren und welche
Vorkehrungen wird sie treffen, um auszuschließen, dass Parteipolitik in die
Klassenzimmer getragen wird?
Vorsitzender GR Rudolf Hundstorfer: Bitte.
VBgmin Grete Laska:
Sehr geehrter Herr Gemeinderat! Wenn man länger in diesem Haus ist, dann kommen
manche Zusatzfragen nicht unerwartet. Ich finde aber diese Diskussion, und für
die Frau Gemeinderätin wird sie deshalb sehr spannend sein, immer wieder für
beachtenswert, wenn Politiker das – ich bleibe jetzt konkret bei dem männlichen
Begriff, weil Sie einer sind –, was sie doch hier gelobt haben und mit voller
Überzeugung tun, sich nämlich im Interesse der Wienerinnen und Wiener
einzusetzen, da mit solchen Wortmeldungen Politik in Wirklichkeit ad absurdum
führen.
Denn was ist denn der Unterschied zwischen dem, was
Sie hier anprangern mit angeblicher Parteipolitik, und dem, was Sie doch
hoffentlich alltäglich tun, nämlich als aktiver Politiker einer Partei, mit
voller Überzeugung der Ideologie der Partei folgend, die Sie vertreten, zu
versuchen, möglichst viele Menschen in politische Prozesse mit einzubeziehen,
damit in demokratische Prozesse, letztendlich mit der Zielsetzung, dass
möglichst viele Menschen an demokratischen Prozessen teilhaben und wir nicht
beobachten müssen, dass die Wahlbeteiligung immer mehr zurückgeht und ganz
bewusst das, was wir wollen, nämlich das, was hier im Wiener Gemeinderat oder
im Wiener Landtag passiert oder auf nationaler Ebene im Parlament passiert,
tatsächlich die Entscheidung der Wählerinnen und Wähler ist, derer, die Sie
gewählt haben, nämlich Sie als Person, jeden anderen, der hier im Haus ist,
auch als Person.
Das heißt, tun wir doch nicht so, als ob es zwei
verschiedene Arten von Politik gäbe, nämlich eine böse Parteipolitik, und wir
alle sind böse Parteipolitiker, und eine gesunde Art von Politik, was immer die
ist. (Beifall bei der SPÖ.)
Daher sage ich, es ist so wichtig, dass Schule
Demokratie von Anfang an lernt. Wir haben in den Schulen viele demokratische
Abläufe, sei es die Schülervertretung, sei es die Elterneinbindung, mit den
Rechten, die in den Gesetzen festgelegt sind, wie das Zusammenspiel von
Schülern, Eltern und Lehrern zu funktionieren hat.
Und nicht
nur die SPÖ hat einen Lehrerverein, sondern auch die ÖVP. Auch die ÖVP versucht
berechtigterweise über ihren Lehrerverein und über ihre gewerkschaftliche
Organisationsform Interessen zu vertreten, denn sonst braucht man keine
Interessensvertretung. Und wir befinden uns doch, so hoffe ich, auf dem
gemeinsamen demokratischen Boden, dass die Interessensvertretungen und die
Sozialpartnerschaft in diesem Land etwas Wichtiges sind.
Ich würde Ihnen zustimmen, wenn Sie der Meinung
wären, es ist falsch, in der Schule den Jugendlichen bei der nächsten
Möglichkeit – wo ich überzeugt bin davon, dass 16-Jährige in Wien wählen werden
dürfen – zu sagen: Wenn du nicht ÖVP wählst, dann wirkt sich das unmittelbar in
deinem nächsten Zeugnis aus. Da würde ich mit Ihnen übereinstimmen: Das wäre zu
verurteilen und ein absoluter Blödsinn.
Ich halte es aber der österreichischen
Schulgesetzgebung und dem Lehrplan entsprechend für wichtig, dass sich auch in
den Schulen Pädagoginnen und Pädagogen mit politischen Systemen, die
Auswirkungen auf wirtschaftliche Systeme, auf alle unsere Lebensbereiche haben,
auseinander setzen, um die Jugendlichen zu kritischen Persönlichkeiten zu
erziehen.
In diesem Sinne werden wir, wie auch von Ihnen
gewünscht, in den Schulen nicht die Türen zumachen, wenn die dort Tätigen und
die dort Lernenden wünschen, mit PolitikerInnen zu diskutieren, Parteiprogramme
zu vergleichen und alles zu tun, um auf demokratische Prozesse vorbereitet zu
werden. Ich glaube auch nicht, dass wir uns in diesem Punkt uneins sind. (Beifall
bei der SPÖ.)
Vorsitzende GRin Josefa Tomsik: Die
dritte Zusatzfrage stellt der Herr GR Dr GÜNTHER. Bitte.
GR Dr Helmut GÜNTHER (Klub der
Wiener Freiheitlichen): Frau Vizebürgermeisterin! Ich bin mit Ihnen
eins, wenn Sie sagen: Demokratie ist in der Schule auch vorzubereiten. Dass das
nicht in dieser Form passieren sollte, glaube ich, sind sich in diesem Haus
auch alle einig, dass Lehrervereinigungen nicht zur politischen Agitation
herangezogen werden.
Ihr Angebot, zu sagen, gehen wir gemeinsam auf die
Schüler zu, auch alle Politiker, ist ein vernünftiges. Nur, ich habe in dem
Alter nach 15, also nach Beendigung der allgemeinen Schulpflicht, auch viele
Jugendliche, die ich nicht mehr im Schulbereich halte, weil sie aus dem
Schulbereich ausgeschieden sind und in dem Alter zwischen 15 und 16 Jahren
entweder in einer Lehre sind, dort sind sie zum Teil noch im Schulbereich
eingebunden, oder überhaupt nicht in einer Lehre sind, sondern einem
ungelernten Beruf nachgehen. Ich glaube, dass es vor allem hier notwendig wäre,
auf die Jugendlichen zuzugehen.
Jetzt haben Sie einige Modelle
angezogen und gesagt, wir machen das und das und das. Ich glaube aber, dass das
verstärkt werden sollte, denn bei Beginn der
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