Gemeinderat,
40. Sitzung vom 03.03.2004, Wörtliches Protokoll - Seite 37 von 78
wieder gibt es Pleiten und viele Beispiele dafür,
dass das einfach nicht funktioniert.
Wenn jetzt gesagt wird, andere Musicalstandorte
werden nicht finanziert, dann muss man sagen: Vielleicht nicht aus dem dortigen
Kulturbudget. Dann werden sie aus dem Wirtschaftsstandortbudget gefördert, weil
es als Wirtschaftsförderung tituliert wird. Oder es wird, wie heute schon
erwähnt, über Steuerabschreibung finanziert, was insgesamt zu
Steuermindereinnahmen führt und so indirekt auch zu öffentlicher Förderung.
Was wir auch nicht wollen, ist Musical, wie es oft -
ich sage jetzt nicht immer, aber oft - beispielsweise in London zu sehen war.
Ich war mit dem Kulturausschuss zweimal in London, und wir haben uns während
dieser zwei Besuche drei Musicals angeschaut. Obwohl wir uns das nicht
ausgemacht haben und erst später drangekommen sind, sind alle Mitglieder des
Kulturausschusses bei allen Produktionen der Überzeugung gewesen: Das wollen
wir nicht! Viele - über alle Parteigrenzen hinweg, daher kann ich das sagen, es
war bei allen dasselbe - haben gesagt: Da gehen wir in der Pause, das halten
wir nicht aus! Da gibt es teilweise ... (GR Dr Andreas Salcher: Ich war der
Einzige, der nicht gegangen ist!) Du bist offensichtlich in der Pause
eingeschlafen oder so ähnlich, daher hast du es vielleicht durchgehalten.
Aber es waren teilweise so schlechte Produktionen,
dass wir sagen müssen, das wollen wir als Musicalstadt Wien eigentlich nicht:
Musik vom Band, keine Orchester, elende Ausstattungen, elende, desolate Häuser,
bei denen man sich überlegt, ob man dort überhaupt mit einem schönen Gewand
hingehen soll oder ob das nicht sozusagen zu gefährlich ist, weil schon das
Ambiente so schlecht ist. Genau so wird dort Musical frei finanziert, aber das
wollen wir als Stadt nicht! Daher machen wir anderes Musical, und dazu bedarf
es öffentlicher Förderung. (Beifall bei der SPÖ.)
Wenn man es mit Deutschland vergleicht: Was wir auch
nicht wollen, sind völlig gesichtslose Musicalhallen, die an
Autobahn-Raststationen und Autobahn-Schnittpunkten errichtet werden, oder bei
Messehallen, damit man es mit Messebesuchen kombinieren kann. Wir machen hier
in dieser Stadt völlig anderes Musical: Wir machen Musical in großartigen
historischen Gebäuden im Zentrum der Stadt, die sich in einem tollen baulichen
Zustand befinden beziehungsweise, was das Ronacher betrifft, nach dem Umbau in
diesem Zustand sein werden. Wir fördern damit nicht nur das Musical, sondern
wir fördern auch die Erhaltung dieser historisch bedeutenden Theater wie
beispielsweise des Theaters an der Wien, des Ronacher und des Raimund Theaters.
Und eines ist uns Sozialdemokraten auch ganz wichtig:
Wir sichern damit nicht nur die Substanz dieser Häuser, wir sichern auch
Arbeitsplätze! Es gibt derzeit 650 hoch qualitative Arbeitsplätze im Bereich
der Vereinigten Bühnen Wien, und wenn es zur Ausweitung des Angebots auch auf
das Ronacher und zu höheren Subventionen kommt, sind dort bis zu 250
zusätzliche Arbeitsplätze möglich.
Das betrifft nicht nur die Technik und die
Administration, sondern das gilt auch für 80 Orchestermusiker der
Vereinigten Bühnen Wien. Die sind hoch qualifiziert, Top-Leute, die im
Orchester spielen und nicht nur Musicalproduktionen spielen, sondern die
nebenbei auch in anderen Klangkörpern und Orchestern tätig sind. Da gibt es
Musiker, die im Orchester der Vereinigten Bühnen Wien spielen und nebenbei im
Vienna Art Orchester und in freien Produktionen spielen. Das heißt, hier
schaffen wir 80 Musiker-Arbeitsplätze in dieser Stadt. Wir spielen eben
Musicalproduktionen mit hoch qualitativem Orchester und nicht vom Band.
Sozialdemokraten wollen aber nicht nur Arbeitsplätze,
sondern vor allem auch Arbeitsplätze mit sozialer Absicherung und
menschenwürdigen Arbeitsbedingungen. So schaut es nämlich dann aus, dass in
Musicalproduktionen, die frei produziert werden in Deutschland, in England, in
Amerika oder wo auch immer, das Prinzip des "Hire and fire" besteht:
Leute werden aufgenommen, teilweise zu Hungerlöhnen, und wenn die Produktion
nicht mehr funktioniert, werden sie am nächsten Tag hinausgeworfen! Bei uns
haben alle 650 Musiker Kollektivverträge, sie alle haben eine Absicherung
und sind damit ans Theater, aber auch an den jeweiligen Klangkörper gebunden.
Die Ausweitung der öffentlichen Förderung für die
beiden Musicalstandorte von 14,5 Millionen EUR auf 18,4 Millionen EUR
ist auch deshalb gerechtfertigt, weil es im Bereich der Vereinigten Bühnen Wien
bisher ein Angebot von Musical im Ausmaß von 7 plus 12 Monaten gegeben
hat, wogegen es in Zukunft zwei Mal 12 Monate, also 24 Monate an
Musicalbespielung geben wird, und zwar nicht mit einer Produktion allein,
sondern im Ronacher auch mit einem sehr differenzierten Programm. Da wird es
mehrere kleine Produktionen zusätzlich geben, und da sollen vor allem die
österreichischen Kreativen einbezogen werden.
Der Umbau des Ronacher um, ich sage jetzt, 34,
35 Millionen EUR ist notwendig, um ein voll bespielbares Haus für
qualitativ vollwertiges Musical zu haben. Es hat im Jahr 1992 nur eine bauliche
Renovierung des Hauses gegeben, und jetzt gehen wir den notwendigen zweiten
Schritt, nämlich eine zeitgemäße Bühnentechnik einzubauen.
Weil hier Vergleichszahlen genannt worden sind -
Kollegin Ringler hat ja gesagt, sie vergleicht eine Werkstattbühne, die quasi
eine Probebühne ist, mit uns -: Wir machen keine Probebühne, sondern wir machen
ein Haus mit 1 200 Plätzen und voller Bühnentechnik! Daher kann man
das selbstverständlich nicht vergleichen.
Man kann es auch nicht mit der
Listhalle vergleichen. Diese kenne ich sehr gut, ich schätze sie sehr, aber sie
ist bestenfalls mit irgendeinem der Säle im neuen Musikverein vergleichbar,
jedoch nicht mit dem Ronacher. Wenn man es vergleichen will, dann muss man es
mit dem Salzburger Festspielhaus vergleichen - dieses wird um
39 Millionen EUR umgebaut -, dann muss man es mit der Grazer Oper
vergleichen, die bereits vor 20 Jahren, in den achtziger Jahren, um
29 Millionen EUR umgebaut wurde, und dann muss man es zum Beispiel
mit dem
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