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Gemeinderat, 44. Sitzung vom 28.06.2004, Wörtliches Protokoll  -  Seite 6 von 121

 

allerdings muss man dazusagen, dass eine Reihe von Projekten eben in das kommende Jahr verschoben wurde, dass also nicht der Wille dahintersteht, diese Mittel zu kürzen, sondern einfach die Flexibilität des Einsatzes der Mittel entscheidend war.

 

Dem Wiener Wirtschaftsförderungsfonds standen mit 31 Millionen EUR zwar nominell weniger Mittel - gegenüber den überproportional ausgestatteten Vorjahren - zur Verfügung, es ist aber gelungen, dieses Minus durch mehr Genauigkeit im Mitteleinsatz auszugleichen. So hat sich der Umstieg vom System der Förderungsgießkanne auf das Wettbewerbsmodell der Calls absolut bewährt.

 

2003 wurden über 30 Förderungsschienen - von den Unternehmungsgründungen, Geschäftsstraßen, Nahversorgung bis hin zu Technologieförderungsmodellen - 687 Wiener Unternehmen gefördert, damit 253 Millionen EUR an Investitionen ausgelöst und rund 1 200 neue Jobs geschaffen - eine Bilanz, die sich auch im internationalen Vergleich durchaus sehen lassen kann.

 

Wie gesagt, meine sehr geehrten Damen und Herren: 2003 war nicht nur österreichweit, sondern europaweit ein schwieriges, man kann sagen, ein schlechtes Wirtschaftsjahr, offensichtlich aber nicht für alle. Vor wenigen Tagen wurde berichtet, dass Europas Top-Konzerne, die 500 größten Unternehmen, ihre Gewinne im Jahr 2003 fast vervierfacht haben: 223 Milliarden EUR Gewinn, und das bei sinkendem Umsatz! Als Begründung wird neben dem Konjunkturaufschwung darauf hingewiesen, dass - ich zitiere jetzt wörtlich - "viele Unternehmen jetzt wieder rank und schlank seien und Maßnahmen zur Kostensenkung sich ausgezahlt haben".

 

Was hier sehr diffus mit "rank und schlank" umschrieben wird, ist in Wirklichkeit Personalabbau. Es ist daher nicht überraschend, dass dem Wirtschaftsaufschwung nicht nur in Wien, nicht nur in Österreich, sondern auch in Europa keine Entspannung auf dem Arbeitsmarkt entspricht. Dazu kommt, dass immer öfter internationale Konzerne die Nichtverlagerung von Arbeitsplätzen in das Ausland von gewerkschaftlichen Zugeständnissen zu einer längeren Arbeitszeit - ohne Lohnausgleich - abhängig machen. Unter dem Titel "Stunden für Standort" wurde vor wenigen Tagen - zunächst in den deutschen Zeitungen, jetzt auch in den österreichischen Zeitungen - über die Einigung zwischen Siemens und IG Metall berichtet, und schon jetzt gibt es auch in Österreich, so wie in Deutschland, eine generelle Diskussion darüber, ob man auf diesem Weg eine Verbesserung der Gesamtwirtschaftslage erreichen kann.

 

Es gibt aber auch bereits eine Reihe mahnender Stimmen, und zwar nicht nur von Seiten der Gewerkschaft, sondern auch auf Seiten der Wirtschaftsexperten und Wirtschaftsforscher, die einmahnen, dass das, was seinerzeit Ford gesagt hat und was von unserem Bürgermeister immer wieder zitiert wird, noch heute gilt, nämlich dass nicht Autos Autos kaufen, sondern Menschen, wenn sie dazu in der Lage sind, also das Geld dafür haben, das zu tun. Und es ist daran zu erinnern, dass es Henry Ford war, der in seinen Betrieben die Fünftagewoche eingeführt hat, und zwar mit der sehr salopp verkürzten Begründung, dass die Menschen nicht nur das Geld brauchen, sondern auch die Zeit brauchen, um ihre Autos zu kaufen.

 

In denselben Tagen, in denen über diese generelle Diskussion berichtet wird, geht fast eine andere Meldung unter, die erfreulicherweise nicht den Standort Wien betrifft, die aber auch zeigt, wie internationale Konzerne mit Standorten und mit den Mitarbeitern an Standorten umgehen: Die neue GM-Europa-Spitze hat vor zwei Tagen entschieden, dass die Verlagerung der Produktion der neuen Opel-Tochter nicht an das Stammwerk Rüsselsheim geht (GR Dr Wilfried Serles: Die Bank Austria ist ein gutes Beispiel!), sondern dass das polnische GM-Werk Gleiwitz gewählt wird, weil dort das Lohnniveau günstiger ist. Ich bin wirklich froh, dass es auch klare Aussagen gibt - die man vor dem Hintergrund der Tatsache sehen muss, dass jetzt am 30. Juni im Wiener Opel-Werk in Aspern die Inbetriebnahme der neuen Betriebsschiene für das "Sechsganggetriebe neu" stattfinden wird -, dass diese Entscheidungen, diese Strukturmaßnahmen bei Opel den Standort in Wien nicht betreffen. Aber man muss auch sagen: Weder die Bundesregierung noch die Stadtregierung hat in solchen Situationen wirklich die Chance, bei einer Verlagerung eine Änderung herbeizuführen, denn ich bin überzeugt, dass zumindest die Stadtregierung und auch die Bundesregierung in Deutschland einiges versucht haben werden, um bei Opel zu erreichen, dass diese Produktion im eigenen Land bleibt.

 

Umso positiver, wie gesagt, ist es zu sehen, dass es auch internationale Konzerne mit einer durchaus bemerkenswerten Standortflexibilität gibt, die trotzdem auch eine Standortloyalität gegenüber ihrem Standort in Wien aufweisen.

 

Aber es gibt noch etwas anderes, was ich hervorheben möchte, meine sehr geehrten Damen und Herren, nämlich dass es vor allem die Klein- und Mittelunternehmungen sind, die in den Ballungszentren und natürlich auch in Wien auf Facharbeit setzen und damit auch ein Wachstumspotential für die Beschäftigungssituation gewährleisten. Auch da gibt es natürlich Produktionssteigerungen durch Personalabbau, aber wir sollten in dieser Situation nicht vergessen, dass es gerade in Wien dieses gewichtige Potential an innovativen Klein- und Mittelunternehmungen gibt, die für uns ein festes Standbein auch in der Beschäftigungs- so wie in der Wirtschaftspolitik darstellen. Und Sie wissen, dass unsere Förderungsmaßnahmen zu einem Großteil auf diese Wirtschaftsstruktur zugeschnitten sind.

 

Nicht überraschend ist aber - und das muss man einbekennen -, dass der Gesamttrend, der sich hier abzeichnet, nicht vor den Grenzen Österreichs, aber auch nicht vor den Stadtgrenzen Wiens Halt macht. Wir stehen hier auch in einer nicht sehr erfreulichen Partnerschaft mit den Metropolen und Großstädten Europas.

 

Dazu kommt - und das ist der zweite Faktor, der sich in allen Wirtschaftsexpertisen wieder findet -, dass die Verunsicherung der Konsumenten die Nachfrage schrumpfen und die Sparquote steigen lässt. Das

 

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