Gemeinderat,
44. Sitzung vom 28.06.2004, Wörtliches Protokoll - Seite 7 von 121
Problem der österreichischen, aber auch der Entwicklung in anderen europäischen Ländern ist eben, dass die Inlandsnachfrage immer geringer wird, nicht steigt, und vor diesem Hintergrund ergibt sich auch die Kritik gegen diese Vorgangsweise internationaler Konzerne, denn durch eine Ausweitung der Arbeitszeit ohne Lohnausgleich wird zwar die Produktivität, nicht aber insgesamt die Lohnsumme gesteigert und damit auch nicht die inländische Kaufkraft. Daher gibt es eine Reihe von Wirtschaftsexperten, die davor warnen, dass diese internationale Entwicklung applaudierend zur Kenntnis genommen wird.
Ferner - und das ist der dritte Punkt, den ich
hervorheben möchte - sind die Jobs für Billigstarbeitskräfte im Vormarsch. Mit
224 761 geringfügig Beschäftigten wurde im Mai 2004 eine
österreichische Rekordmarke erreicht. Dazu kommen noch 45 731 geringfügige
Dienstverträge.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist gerade
die dramatische Zunahme der Zahl derjenigen Menschen, die arbeiten und sich
trotzdem durch ihr Arbeitseinkommen keinen sozial ausreichenden Unterhalt
verschaffen können, die die dramatische Steigerung der Sozialausgaben - nicht
nur in Wien, sondern in ganz Österreich - zur Folge hat. Es ist nicht die
Gruppe jener Menschen, die sich in der Situation befinden, nicht in Arbeit
stehend, nicht leistungsfähig zu sein, die die Sozialdynamik auslöst, sondern
es sind – das sei noch einmal betont – jene Menschen, die arbeiten und arbeiten
wollen, die auch einen Verdienst haben, aber deren Verdienst nicht ausreicht,
um ein wirklich sozial abgesichertes Familieneinkommen zu gewährleisten.
Daher ist das starke Ansteigen der Sozialausgaben,
das wir in den letzten Jahren und auch in den nächsten Jahren feststellen
müssen, kein hausgemachtes Problem, sondern ein österreichweites Problem. Im
Ländermemorandum der Bundesländer vom 23.4.2004 wird festgestellt, dass die
Sozialausgaben österreichweit von 2 048 656 000 EUR im
Jahr 2000 bis zum Jahr 2003 auf 2 158 086 000 EUR
gestiegen sind und dass sich dieser konsequente Anstieg bis 2008 fortsetzen
wird. Es wird angenommen, dass im Jahr 2008 die Sozialausgaben in
Österreich bereits 2 984 739 000 EUR ausmachen werden - das
ist eine Steigerung um ein Drittel.
Begründung im Ländermemorandum, meine sehr geehrten
Damen und Herren, ist neben dem Hinweis auf die demographische Entwicklung auch
der Hinweis auf die Maßnahmen des Bundes, insbesondere auch auf die
Pensionsreform. Es ist daher nicht so, dass quasi nur das rote Wien in einer
Oppositionsrolle die Maßnahmen der Bundesregierung hinsichtlich ihrer sozialen
Unverträglichkeit kritisiert, sondern es ist dies die generelle Haltung der
Bundesländer, die ja auch in Bundesländern, die freiheitlich oder von der ÖVP
regiert werden, vertreten wird. Daher kann man dieser Darstellung nicht von
vornherein parteipolitische Absichten unterstellen.
Gleiches gilt übrigens für die Dynamik bei den
Ausgaben für Kinderbetreuung. Auch hier wird im Ländermemorandum österreichweit
ein Anstieg von 605 Millionen EUR - ich verkürze das - auf
656 Millionen EUR prognostiziert und angegeben. Auch in diesem
Bereich stehen wir einer für die Folgejahre zu erwartenden Dynamik gegenüber.
Der dritte Bereich, in dem es zu massiven
Steigerungen gekommen ist und kommt - und wiederum nicht nur in Wien, sondern
österreichweit -, ist die Entwicklung der Spitalsausgaben und auch der Ausgaben
für die Altenbetreuung. Auch das ist nicht von ungefähr einer der Knackpunkte
in den Finanzausgleichsverhandlungen, und ich sage: Die Frage, ob das jetzt auf
Grund der Gesundheitsreform der Frau Gesundheitsministerin erfolgen wird oder
ohne ihre Gesundheitsreform, wird uns nicht aufhalten können; es ist auch das
bereits klar mit dem Finanzminister ausgemacht: Es wird keinen Finanzausgleich
geben ohne eine Verbesserung der Situation in der Spitalsfinanzierung!
Man kann jetzt den Abzug des
Gesundheitsstaatssekretärs aus dem Gesundheitsministerium interpretieren, wie
man will, aber im Zusammenhang mit der Gesundheitsreform lässt er eigentlich
nur den Schluss zu, dass zumindest einer der beiden Koalitionspartner am
Zustandekommen der Gesundheitsreform zweifelt, denn sonst wäre es ja absurd,
den Gesundheitsstaatssekretär gerade in einem Stadium, wo eine
Gesundheitsreform gemacht wird, abzuziehen. Aber wir werden dafür ja, so nehme
ich an, auch vom Bundeskanzler irgendwann einmal eine Begründung bekommen.
Jedenfalls - und das sei auch an die Adresse der
Opposition gesagt - lässt sich das Problem der zunehmend größer werdenden
Finanzierungslücke im Spitals- und Pflegebereich nicht einfach dadurch lösen,
dass man an den Wiener Steuerzahler appelliert, er soll einmal mehr zusätzliche
Mittel aufbringen. Noch dazu angesichts dessen – auch das sei einmal mehr
erwähnt –, dass ja mit der Finanzierung nicht nur die Leistungen für
Wienerinnen und Wiener finanziert werden, sondern zu einem immer größeren Teil
auch jene Patientenbetreuung, bei der es sich um Patienten aus anderen
Bundesländern handelt. Ich glaube daher, dass es richtig ist, dass wir hier
gemeinsam die Forderung an die Bundesregierung erheben, im Zuge des Finanzausgleichs
zu einer Verbesserung der Situation der Spitäler und des Pflegebereiches
beizutragen. Ich erwähne nur, dass das Pflegegeld seit vielen, vielen Jahren
eingefroren ist und dass damit natürlich die Mittel für diesen Bereich
rückläufig sind.
Die Ausbildungs- und Beschäftigungsfrage war auch im
Jahr 2003 ein zentrales Thema der Wiener Regierungspolitik und wird es
auch in den Folgejahren sein. Ungeachtet der Tatsache - die zwar immer wieder
in Frage gestellt wird, aber sich aus der Bundesverfassung eigentlich lupenrein
ergibt -, dass Arbeitsmarktpolitik eine Sache der Bundesregierung ist, haben
wir unsere Bemühungen um Ausbildung und Beschäftigung auch im Jahr 2003
verstärkt fortgesetzt.
Wir haben in enger Zusammenarbeit
zwischen der Wiener Sozialpartnereinrichtung, dem Wiener ArbeitnehmerInnen
Förderungsfonds und dem AMS und in enger Zusammenarbeit zwischen der
Stadtregierung und
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