Gemeinderat,
44. Sitzung vom 28.06.2004, Wörtliches Protokoll - Seite 9 von 121
offenbar dahinter steht, sich nicht sehr rasch eines Besseren besinnen, werden sehr drastische juristische Schritte folgen, und wir werden das wieder in Ordnung bringen.
Aber dass es überhaupt einer derartigen Vorgangsweise
bedarf, zeugt doch von einem Klima und einer Verhaltensweise sowohl gegenüber
dem Allgemeinen Krankenhaus als auch gegenüber Wissenschaft und Forschung in
Wien und gegenüber der Stadt Wien, die eigentlich nur sehr traurig stimmen
können - oder man geht davon aus beziehungsweise ist der Meinung, es kommt
nicht überraschend.
Es kommt wirklich nicht überraschend: Wir können,
meine sehr geehrten Damen und Herren, obwohl Wien als Bundeshauptstadt eine
Reihe von Aufgaben erfüllt, die zentrale Bedeutung für Österreich haben, anders
als andere Bundesländer überhaupt nicht automatisch damit rechnen, dass wir von
der Bundesregierung unterstützt werden - auch dort nicht, wo es sich eindeutig
um Angelegenheiten handelt, die Bundessache sind. Im Gegenteil: Wir müssen
zunehmend, immer mehr mit einem Gegenwind rechnen. Ob diese Situation, dass wir
da anders behandelt werden als andere Bundesländer, mit der regionalen Herkunft
der Mitglieder der Bundesregierung zu tun hat, das überlasse ich der
Beurteilung der Wienerinnen und Wiener. Und ich überlasse es auch der
Beurteilung der Wienerinnen und Wiener, ob dieser Gegenwind, der da auf allen
Gebieten gegen die Bundeshauptstadt Wien deutlich wird, ebenso
"parteiungebunden" ist wie die Postenbesetzungen der Bundesregierung
heute, in den letzten Tagen, in den letzten Wochen, in den letzten Monaten und
in den letzten Jahren. Das überlasse ich wirklich der Beurteilung der
Wienerinnen und Wiener.
Wir nehmen das zur Kenntnis. Wir werden uns nicht
kleinkriegen lassen. Wir werden unsere Arbeit fortsetzen!
Der Rechnungsabschluss 2003 steht zur
Diskussion. (Beifall bei der SPÖ.)
Vorsitzender GR Rudolf Hundstorfer: Ich danke schön und darf nun die Debatte
eröffnen.
Erste Rednerin ist Frau StRin Mag Vassilakou. -
Bitte.
StRin Mag Maria Vassilakou: Sehr geehrter Herr Vorsitzender!
Sehr verehrter Herr Stadtrat! Sehr geehrte Damen und Herren!
Wien ist wunderschön! - Das sage
ich in Richtung des Herrn Klubobmanns Oxonitsch von der SPÖ - wo auch immer er
jetzt gerade ist -, der mir vor ein paar Tagen ausrichten ließ, es bekomme mir
nicht gut, wenn ich die Stadt schlechtreden würde. Also seien Sie sicher:
Niemand hier hat vor, die Stadt schlechtzureden, ganz im Gegenteil: Ja, Wien
ist wunderschön! Die Stadt lebt, die Stadt entwickelt sich ständig weiter, und
man muss auch sagen: Wer es sich leisten kann, hat es in Wien sehr gut.
Zwischen Naschmarkt und Museumsquartier bis hin zur Copa Kagrana: Eine
Spaßmeile nach der anderen macht auf, ein Modetempel nach dem anderen macht
auf. Ja, in der Stadt, kann man sagen, geht etwas weiter. Sie hat das Gesicht
in den letzten Jahren verändert.
Aber es gibt nicht nur dieses Wien, es gibt auch ein
zweites Wien. Und über dieses zweite Wien möchte ich heute hier reden, denn
dieses zweite Wien sollte Gegenstand unserer Erörterungen sein und nicht das
Wien derjenigen, die es sich leisten können, das Leben in der Stadt zu
genießen, sondern das Wien derjenigen, die es sich nicht leisten können - und
die immer mehr werden.
Ja, in Wien wächst nicht nur die Spaßgesellschaft, in
Wien wächst auch Armut, und die wächst leise - Armut wächst immer leise -, und
sie wächst auch schleichend. Es freut mich sehr, dass sich der Herr Stadtrat gerade
in seinen Erörterungen auch auf dieses Wien bezogen hat. Die Frage ist: Was
haben wir 2003 getan? Was haben wir erreicht für dieses Wien? Und was können
wir hoffen, in den nächsten Jahren zu erreichen, damit es dieses Wien auch
etwas besser hat?
Ja, Herr Stadtrat, Sie haben selbst erwähnt, in Wien
gibt es eine Gruppe der Working Poor, die jahrein, jahraus arbeiten, arbeiten
und arbeiten und sich aus dem, was sie verdienen, immer weniger leisten können.
Und in diesem selben Wien, diesem selben wunderschönen Wien, das man nicht
schlechtreden darf, gibt es Tausende, mehr als tausend Jugendliche pro Jahr,
die jahrein, jahraus eine Lehrstelle suchen und keine finden. Und in diesem
selben Wien gibt es mittlerweile stabil 82 000 Menschen – manchmal ein bisschen
mehr, manchmal ein bisschen weniger, aber im Durchschnitt 82 000 Menschen
-, die Arbeit suchen und keine Arbeit finden. Und in diesem selben Wien müssen
sozial bedürftige Menschen sechs bis acht Wochen - sechs bis acht Wochen! - auf
einen Termin vor dem Sozialamt warten. - Oops, das ist dann plötzlich unser
Bereich. Da können wir etwas tun! Aber nein, sechs bis acht Wochen lang müssen
Menschen auf einen Termin warten, weil die Sozialämter unterbesetzt sind, weil
dort Personal fehlt, weil wir dort gespart haben, weil es im Sozialressort eine
Finanzmisere gibt. - Das gilt es zu verändern!
Und in diesem selben Wien, in diesem wunderschönen
Wien müssen sich diejenigen, die es sich nicht anders leisten können, im Alter
auf einen Lebensabend in 6-Bett-Zimmern gefasst machen. Ja, es gibt eine kleine
Besserung: Bis vor kurzem waren es 8-Bett-Zimmer; jetzt sind es 7-Bett- und
6-Bett-Zimmer. - Das macht das Kraut nicht fett! Das Problem bleibt bestehen in
diesem roten reichen Wien - und Wien ist eine der reichsten Städte der
Welt, und diese Missstände sind wirklich unfassbar!
Und dieses selbe rote reiche Wien spart bei den
Sozialleistungen. Das lässt sich alles eindrucksvoll belegen allein anhand
dessen, was im Jahr 2003 passiert ist. Was war 2003? - 2003 hatten wir in
Wien zum ersten Mal eine Diskussion über die Finanzmisere im Sozialressort, und
Kürzungspläne sind geoutet worden. Und nachdem sie geoutet worden sind, hat sie
der Herr Bürgermeister wie der Deus ex Machina in den Mistkübel befördert, und
es hat geheißen, dass sie nie und niemals geplant wären, sie sind nur halt
irgendwie in Auftrag gegeben worden und wurden nicht verwirklicht.
Aber schauen wir uns das an:
Wurden sie denn
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