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Gemeinderat, 44. Sitzung vom 28.06.2004, Wörtliches Protokoll  -  Seite 61 von 121

 

Das Defizit, wenn man es saisonal und wetterbereinigt betrachtet, beträgt 40 Millionen EUR. Bei durchschnittlich 4 Millionen Besuchern in den letzten Jahren – das ist so der gute Schnitt – kommt man, wenn man das dividiert, auf genau 10 EUR. Das heißt, pro Bäderbesucher zahlt der Wiener Steuerzahler 10 EUR dazu, damit der Badbesuch finanziert ist. Wir haben also ein Desaster in diesem Bereich, weil man offenbar bis heute nicht bereit ist, jene Maßnahmen zu setzen, die hier notwendigerweise gesetzt werden müssen, zum Beispiel eine genaue Analyse der Standorte, eine Überlegung zur Kostenreduktion und zur Abgangssenkung, eine Sanierung und Attraktivierung als Konzept und nicht nur als Zufallsprodukt. Und was dieser neue Plan insgesamt, die Wiener Bäderstrategie, der seit wenigen Wochen vorliegt, ebenfalls zeigt: Es fehlt eine Kostenrechnung. Es ist das eine Auflistung von allen möglichen Überlegungen. Die Frau Vizebürgermeisterin hat das, man müsste fast sagen, sarkastisch so formuliert, indem sie gemeint hat: Ich will hier keine Wünsch-dir-was-Überlegung festschreiben, wir haben nicht Weihnachten, so nach dem Motto, da könnte man sich was wünschen. Ich frage mich nur: Wie macht es ein richtiger, ein guter Kaufmann, außer dass er schätzen muss, was das, was er gerne umsetzen möchte, auch tatsächlich kostet?

 

In Wahrheit drücken Sie sich vor der Verantwortung. In Wahrheit drücken Sie sich davor, hier klar zu sagen, dass es offenbar kein Geld für den Ausbau der Bäder gibt, weil man müsste zuerst sicherlich einmal ein Geld in die Hand nehmen – wieder eine Frage der Arbeitsplatzsituation, des Arbeitsmarktes. Man könnte auch hier wieder sehr deutlich und viel besser wirtschaften. Aber es wird ja noch besser, denn es wird ja dann auch noch das Defizit in diesem Konzept, das ich mit rund 40 Millionen EUR bezeichnet habe, sehr deutlich. Es heißt nämlich hier, und das muss man sich schon auf der Zunge zergehen lassen: "Aus oben genannten Gründen zeichnet sich eine hohe soziale Kompetenz der Wiener Bäder ab, und daher ist das oftmals angeprangerte Defizit als Zuschuss der Stadt Wien zur Aufrechterhaltung" – und jetzt kommt es – "der sozialen Kompetenz der Bäder zu sehen."

 

Nun, meine Damen und Herren, was heißt das, übersetzt in eine ideologisch saubere Sprache? Das heißt nichts anderes, als Sie werden bald einen erhöhten Besucherzulauf aus ganz anderen Gründen haben, wenn wir nämlich in Mitteleuropa das letzte Museum des Realsozialismus sind, wo man sich sozusagen über das Schuldenmachen eine soziale Kompetenz erwirtschaftet, indem man sagt, man geht nicht wie der Kaufmann vor, der sich fragt, wo kann ich sparen, wo kann ich dem Steuerzahler vor allem Geld ersparen, sondern wo man sagt, das ist mir vollkommen wurscht, die soziale Kompetenz besteht darin, dass wir dem Steuerzahler das Geld aus der Tasche nehmen und damit sozusagen etwas finanzieren, wo wir nicht einmal bereit sind, darüber nachzudenken, ob es hier nicht Sparpotentiale gäbe. Das tut man nicht. Und das, meine Damen und Herren, gab es zuletzt noch vor dem Fall des Eisernen Vorhangs bei den ehemaligen östlichen Nachbarn und in den Oststaaten, die mittlerweile alle zur EU gehören oder fast alle zur EU gehören und wo sie derartige Überlegungen ganz sicher in keinem Parlament mehr hören werden. (Beifall bei der ÖVP.) Aber ich wünsche Ihnen viel Glück zu dieser Idee.

 

Die nächste Frage, die ich eigentlich aufwerfen muss, ist: Wie ist es mit dem Bäderbus? Da gibt es seit zwei Jahren, glaube ich, einen so genannten Busshuttledienst für die Badegäste. Der wurde damals im Jahr 1999, glaube ich, es muss 1999 oder 2000 gewesen sein, erstmals eingerichtet: Und auf die damalige Diskussion und Frage, ob das nicht eigentlich eine Aufgabe der WIENER LINIEN sei und nicht sosehr eine Aufgabe der Bäder, hat der Leiter der MA 44 geantwortet: Wenn sich dieses System bewähren sollte, dann wird im nächsten Jahr versucht werden, mit den WIENER LINIEN einen entsprechenden Vertrag abzuschließen.

 

Jetzt gibt es für mich nur zwei Überlegungen: Entweder es hat sich nicht bewährt, dann müsste man es einstellen. Und wenn es sich bewährt hat, dann hat man offenbar vergessen, mit den WIENER LINIEN zu verhandeln. Meine Damen und Herren! Eines kann es jedenfalls nicht sein: Dass das auch das Bäderdefizit erhöht, obwohl es eine Leistung ist, die in einen ganz anderen Bereich hineingehört.

 

Nun zu einem weiteren Kapitel der Traurigkeit, das ist das Kapitel Sport. Es war das Jahr 2003 ganz sicher kein gutes Jahr für den Breitensport. Es gab überhaupt keine Sicherheit für die Dachverbände, was die finanzielle Situation betroffen hat. Manche Auszahlungen, die schon im ersten Vierteljahr fällig gewesen wären, sind für manchen Dachverband überhaupt erst im November und Dezember ausbezahlt worden. Es gab trotz verschiedener Anläufe keine Reform, keine Autonomie. Es gab eine winzig kleine Form der Aufteilung eines Geldes, das an und für sich zu einem Großteil von den Sportorganisationen selbst erwirtschaftet werden muss, was zugegebenermaßen noch von der Stadt Wien erhöht wird, aber nicht wirklich eine Kernkompetenz der Aufteilung darstellt, weil es so wenig Geld ist und so dringend benötigt wird, dass sie gar nicht nachdenken können, ob sie Projekte fördern, sondern in erster Linie paritätisch diese Aufteilung vornehmen, obwohl die Grundidee war, hier ausgleichend zu wirken für einen Irrtum, den die Stadt begangen hat. Sie hat nämlich ein System, noch dazu falsch, abgeschrieben, wie es in der BSO üblich ist. Sie hat dem Fußballverband in Relation zu den Dachverbänden eine viel zu sehr überhöhte Quote zuerkannt.

 

Aber wie auch immer, das war im Jahr 2003. Es gab im Jahr 2003, und das war ja wohl das sportliche Kuriosum schlechthin, einige Blüten der Beliebigkeit zur Vereinsförderung. Ich möchte da nur erwähnen den Drachenbootsverein, der damals, im Herbst 2003, den Wiener Inline-Marathon ausrichten musste. Also da kratzt sich wirklich die rechte Hand am linken Ohr, nach der Überlegung: Ich habe offenbar keinen passenden Partner, aber da gibt es jemanden, und da werden wir schon schauen. Und ich will dann gar nicht wissen, was da

 

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