«  1  »

 

Gemeinderat, 44. Sitzung vom 29.06.2004, Wörtliches Protokoll  -  Seite 20 von 95

 

Und dann steht im Akt: „Aufgrund geänderter politischer Rahmenbedingungen.“

 

Bei vielen Projekten frage ich mich, welchen Stellenwert die MA 18 hat. Welchen Stellenwert und welche Durchsetzungskraft haben jene und ja, ich gebe schon zu, 1 000-Hektar-Plan, eine langfristige Absicherung von Grün bringt keine Erträge und die Umwidmung von Grün auf Bauland hat einen entsprechenden wirtschaftlichen Hebel. Da ist aber die Aufgabe der Politik zu sagen, nein und das entsprechend anzukaufen. Aus Zeitgründen erspare ich mir jetzt eine Reihe weiterer Projekte wie zum Beispiel die Golfplatzerweiterung im Norden von Süßenbrunn und und und.

 

Die Stadt Wien forciert die Zersiedelung mit teilweise wirklich schlechten Widmungen, mit Widmungen, die auch von der städtebaulichen Qualität her sehr, sehr, sehr zu wünschen übrig lassen. Ich frage mich, Herr Stadtrat, was Sie den Leuten dann sagen werden, die heute irgendwie darauf bauen, es kommt eh irgendwann der Tunnel und es kommt eh irgendwann vielleicht die entsprechende Straßenanbindung - alles aus öffentlichen Mitteln finanziert -, wenn es dazu kommt, dass wirklich die Kosten von einem Liter Benzin wieder entsprechend in die Höhe gehen.

 

Noch einmal: Das ist nicht politisch gesteuert, sondern das geht einfach davon aus, dass die Zeiten unendlich verfügbaren günstigen Öls vorbei sind. Können Sie sich das vorstellen - und das möchte ich Ihnen jetzt nur noch von der Größenordnung her vermitteln -, wie wir auf einer Energiefettblase schwimmen. Alle sagen, die Chinesen brauchen so viel mehr Energie, 15 Prozent Ölverbrauchswachstum! China sauft quasi den Ölmarkt leer! Den Stahlmarkt im Übrigen auch. China war bis 1995 ein Nettoexporteur von Öl und ist heute der zweitgrößte Importeur. Die brauchen pro Kopf ein Achtel soviel Energie wie wir. Vielleicht kommen wir dann einmal drauf, wie sehr unser Lebensstil, dieser suburbanisierte Lebensstil nicht multiplizierbar ist.

 

Damit man seinen Körper mit 80, 85, 90 oder, weiblich einige Kilo weniger, 60 Kilo, von A nach B transportiert, kauft man sich einen SUV mit einer Tonne, der dann zwölf Liter Benzin braucht. Das ist kein Modell, auf das wir eine nachhaltige Gesellschaft bauen können. Dass der Zuwachs auch bei uns so zunimmt, ist beängstigend.

 

Da höre ich von der Planung, was mir gesagt wird: "Die Leute wollen ins Grüne. Was sollen wir machen? Besser innerhalb der Stadtgrenzen als außerhalb." Die am stärksten wachsende Region Österreichs ist knapp außerhalb Wiens, ist der Speckgürtel. Man kann ihn besser auch den Staugürtel nennen. Haben wir den Mut, dasselbe zu sagen wie im Garagenbau. Wir verbieten ihn nicht, aber wer einen Parkplatz sucht, hat eine gewisse wirtschaftliche Eigenverantwortlichkeit. Wer sich einbildet, aus welchen Gründen auch immer, und es gibt gute Gründe, im Umland wohnen zu wollen, hat auch das Recht, so viele staufreie Autobahnen angeboten zu bekommen bis es nicht mehr staut, ja oder nein? Da sagen wir: Nein, die Politik hat andere Prioritäten. Das sollten wir diskutieren. Das, finde ich, ist die Kernfrage.

 

Die zweite Kernfrage, die damit zu tun hat, die ich aber jetzt nur knapp streifen konnte, war die Frage der Nahversorgung. Denn da ist Politik sehr wohl gefordert sicherzustellen, dass im urbanen Umfeld, in halbwegs fußläufiger Entfernung eine Nahversorgung vorhanden ist, zu der nicht nur der Greißler oder der Billa gehören, sondern auch gewisse Lokale zum Ausgehen, Kino, Dinge wie diese, derentwegen Menschen die Stadt lieben. Da schätze ich einmal mehr Wien im Verhältnis zu US-amerikanischen Städten, denn die werden sich schön anschauen. Los Angeles mit 2 Dollar der Liter oder umgerechnet die Gallone. Die können ein paar Straßenbahnen führen. Wien ist, zumindest potentiell aus seiner geschichtlichen Entwicklung noch managebar. Ich halte das für die wichtigste Frage. Ich finde es bedauernswert, dass wir das nicht vehementer diskutieren und die Urbanität in Wien entsprechend weitertreiben.

 

Zweiter Bereich, auf den ich hinweisen möchte, wo ich ein sehr großes Defizit sehe, ist die Qualität von Freiräumen. Jetzt gebe ich einmal mehr zu, das ist nicht ausschließlich die Aufgabe der Planung. Wahrscheinlich sind sehr viele andere Geschäftsgruppen dafür mitverantwortlich, wie es am Schluss ausschaut, was zwischen den Häusern ist. Ein ganzer Wirtschaftszweig, die Wohnbauförderung, konzentriert sich darauf, wie die Häuser ausschauen. Dazwischen ist das, was übrigbleibt. Dann sehen wir immer die schönen Modelle von oben, jetzt habe ich schon einmal ein Beispiel gesagt, aus der berühmten Hubschrauberperspektive. Das schaut immer wahnsinnig elegant aus. Beispiel Wienerberg. Die wenigsten Leute kommen mit dem Hubschrauber. Es fahren ein paar mit dem Rad, es fahren viele mit dem Auto, es fahren viele mit den Öffentlichen, aber mit dem Hubschrauber fliegen relativ wenig. Also der Blick von oben ist einigen Wenigen vorbehalten. Der normale Blick ist der, der erdgeschoßig hineingeht, wo dann in der Hauptsichtachse, schön eineinhalb Meter hoch, die Garagenlüftung platziert wird, wo in der Jury stand, das ist die Hauptsichtachse. Und es kümmert sich niemand darum.

 

Gerade weil der StR Schicker jetzt nicht dafür zuständig ist, nicht einmal der Herr Kollege Görg, sondern sein Vorgänger, bringe ich noch einmal die Qualitäten des Freiraums am superprestigeträchtigen Wienerberg. Alle, die das so super finden, geht dort an einem Tag wie heute in die dritte und vierte Reihe und schaut euch das an! Das ist ein derartiger Zynismus, auf einem Südhang mit unglaublichem Grünbezug einen Neubau zu entwickeln, wo man an einem Tag wie heute keine Sonne sieht. Hat man dort neu gebaute Wohnungen im 2., 3., 4., 5., 6. Stock, hat man eine Garantie. Die sind garantiert sonnenfrei. Da gibt es nicht eine Stunde, wo man Sonne bekommt. Da muss man sich irgendetwas überlegen. Dahinter ist doch eigentlich ein Grünraum. Was ist da schuld, wie Städtebau funktioniert? Wer ist jetzt für Städtebau in Summe zuständig?

 

Ich habe mir das genau angeschaut. Da war der

 

«  1  »

Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular