Gemeinderat,
45. Sitzung vom 01.07.2004, Wörtliches Protokoll - Seite 43 von 93
benötigen.
Gerade die Suche nach den
Ursachen für Schwächen und Mängel im Bereich der geriatrischen Versorgung
dieser Stadt sowie die Klärung der Verantwortung dafür hat uns in den letzten
Monaten sehr, sehr eingehend beschäftigt. Für mich ist es klar, dass die
außerordentlich bedauerlichen, ja tragischen Vorfälle unter keinen Umständen
hingenommen werden können, ohne dass sofort notwendige kurzfristige
Konsequenzen zu ziehen sind, aber ich denke, das ist zu wenig. Wir müssen
mittelfristige Planungsvorgaben machen und wir müssen Eckpunkte der zukünftigen
Entwicklung vorgeben.
Sehr geehrte Damen und
Herren, ich bin sehr dankbar für die stattgefundene Aufarbeitung der
Vergangenheit durch die Untersuchungskommission. Ich bin froh, dass die
Untersuchungskommission sehr ergebnisorientiert gearbeitet hat und heute einen
Bericht vorlegt. Lieber wäre mir, ich verhehle nicht, das zu sagen, ein
gemeinsamer Bericht gewesen. Ich nehme zur Kenntnis, dass das nicht möglich
war. Es liegen zwei Berichte vor. Ich habe beide sehr aufmerksam gelesen. Für
mich jedenfalls steht im Zentrum, in die Zukunft zu blicken und für die Zukunft
zu arbeiten. (Beifall bei der SPÖ.)
In diesem Sinne war ich
auch ganz besonders von den Überlegungen der gemeinderätlichen
Geriatriekommission beeindruckt, die hier bereits sehr wesentliche und
qualitätsvolle Weichenstellungen für die Zukunft durchdacht hat. Und ich lade
Sie alle ein, blicken wir gemeinsam in die Zukunft und versuchen wir, die hier
angedachten Reformen bestmöglich umzusetzen!
Bei all den angedachten
Reformen und Veränderungen möchte ich folgende fünf Grundprinzipien zentral
einfließen lassen:
In unserem Reformvorhaben
sollten wir unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einbinden. Sie stellen das wesentliche
Kapital in all unseren Überlegungen dar. Trotz schwieriger Rahmenbedingungen in
den letzten Monaten sind Sie es, die unser Gesundheitssystem jeden Tag sichern.
Und es ist meine ganz, ganz feste Überzeugung, dass alle Veränderungen - und es
werden Veränderungen notwendig sein - nur gemeinsam mit den Betroffenen
durchzuführen sind. Und ich glaube, ich habe in meiner Vergangenheit als
Personalstadträtin bewiesen, dass das mein Stil ist, dass er erfolgreich ist
und ich verspreche Ihnen, dass ich diesen Stil auch nicht ändern werde. (Beifall
bei der SPÖ.)
Bei allen strukturellen
Überlegungen gilt es, die sich ändernden demographischen Tatsachen bezüglich
des Alters zu berücksichtigen, aber auch die unterschiedlichen Verteilungen auf
die einzelnen Regionen Wiens im Voraus zu berechnen und darauf zu reagieren.
Mit diesen Daten als Grundlage schaffen wir jene Reformen, mit denen unser
System auch langfristig zu den besten der Welt zählen wird.
Der dritte und
wahrscheinlich allerzentralste Punkt, der mir auch ein persönliches
Herzensanliegen ist, wäre: In den eigenen vier Wänden fühlen sich die Menschen
am wohlsten und zu Hause. Bei jeder Reform, gerade im Geriatriebereich, der die
Menschen in den Mittelpunkt stellt, muss der Grundsatz gelten, dass die Menschen
möglichst lange bei sich zu Hause in Würde und Selbstbestimmtheit leben können.
Das ist ein ganz, ganz wichtiger Grundsatz für mich. Die Menschen fühlen sich
zu Hause wohl und wir müssen alles daran setzen, dass das so lange wie irgend
möglich ist.
Dieses Prinzip hat
natürlich Konsequenzen für unser Angebot. Wir müssen einerseits die ambulanten
Dienste ausbauen, andererseits müssen wir aber dafür sorgen, dass in den
Geriatriezentren vor allem intensive Pflegefälle betreut werden können.
Und vierter wichtiger
Punkt ist, wir brauchen flexible Modelle für spezielle Gruppen. Die Gruppe „der
Alten“ gibt es nicht, sehr verehrte Damen und Herren! Das Spektrum reicht von
Menschen, die eine unendlich erfüllte aktive Lebensführung haben bis zu denen,
die rund um die Uhr betreut werden müssen. Die Lebenswelt der alten Menschen
ist heute sehr unterschiedlich und differenziert. Und so differenziert wie die
Lebensumstände der Menschen sind, so differenziert muss auch unser Angebot
sein. (Beifall bei der SPÖ.)
Deswegen brauchen wir
flexible Modelle statt einiger - nur beispielhaft angeführt -
Kurzzeitpflegeeinrichtungen, um akut auftretenden Pflegebedarf abzufangen
wiederum mit dem Ziel, unseren Kunden und Kundinnen das Wohnen in den eigenen
vier Wänden möglichst zu ermöglichen, Übergangspflegeeinrichtungen wiederum mit
dem konkreten Ziel des Nach-Hause-Gehens nach einem Akutereignis, also so eine
Art Training des Zu-Hause-Lebens und semistationäre Einrichtungen, die auch den
Menschen dabei unterstützen, möglichst lange zu Hause zu bleiben. Und wir
müssen kompetente Teams entwickeln, die sich auch um Fragen, die uns im ersten
Moment vielleicht nicht einfallen, wenn wir über Betreuung und Pflege sprechen,
nämlich dass wir uns um die Adaptierung der Wohnung kümmern, damit auch die
Anforderungen passen, wenn ältere Menschen, die nicht mehr so mobil sind,
länger zu Hause leben wollen.
Der Mensch - und das ist
der fünfte und ein ebenfalls sehr zentraler Punkt -, der Mensch im Mittelpunkt
heißt natürlich auch, dass wir die Sozialkontakte der Menschen möglichst lange
aufrecht erhalten, also Konsequenz: Kleinere, wohnnahe Einheiten, Kooperation
mit privatem Public Private Partnership, Modelle, die es schon gibt, sollen
weiter forciert werden, denn die bestehenden Modelle sind äußerst positiv.
All diese Reformen und
Veränderungen, deren Grundprinzipien ich versucht habe, hier zu skizzieren,
stehen aber vor einem Hintergrund, der an sich ein sehr erfreulicher ist, denn
die steigende Lebenserwartung ist ja positives Ergebnis von positiven
gesellschaftspolitischen Veränderungen. Die Menschen in unserer Stadt erwartet
eine steigende Lebenserwartung, was für die meisten älteren Menschen - und das
dürfen wir bitte nicht vergessen - auch ein Mehr an aktiven und gesunden Jahren
bedeutet.
Die
Zahl der Wiener und Wienerinnen, die älter als 75 Jahre sind, wird sich
dementsprechend nach den mir
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