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Gemeinderat, 45. Sitzung vom 01.07.2004, Wörtliches Protokoll  -  Seite 44 von 93

 

vorliegenden Expertenprognosen auch verändern, die von derzeit rund 129 000 im Jahr 2010 auf fast 140 000 steigen werden. Das ist eine Erhöhung von 8 Prozent und die Steigerung geht danach schrittweise weiter. Aufgrund der Altersstruktur der Bevölkerung steigt der Prozentsatz der über 75-Jährigen in einer ersten Phase zunächst in den Bezirken 1 bis 11 und im 20. Bezirk, in einer zweiten Phase nach 2016 im 21. und 22. Bezirk. Ich erinnere auch an diese Herausforderung der regionalen Verteilung, die ich vorhin in meinen Grundsätzen angesprochen habe. Danach müssen wir uns orientieren.

 

Es gilt einerseits, für die älteren Wiener und Wienerinnen angebotenen Leistungen in ihrer Qualität anzuheben und den absehbaren Bedarf auch quantitativ einzurichten und andererseits geht es darum, die Organisation unserer Altenbetreuung so weit zu verbessern, dass sie auch in der Lage ist, die weiteren quantitativen Entwicklungen im zweiten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts aufzufangen.

 

Dabei dürfen wir aber auch nicht übersehen, dass der Umgang mit den älteren Generationen in den letzten Jahren zum Teil auch eine unerfreuliche Entwicklung genommen hat. Beruflicher Leistungsdruck und die Entwicklung zur Singlegesellschaft haben gerade im großstädtischen Bereich zum Teil dazu geführt, dass Senioren aus dem Zentrum ihres Lebensinteresses verdrängt werden, vor allem dann, wenn die individuelle Mobilität unserer älteren Mitbürger und Mitbürgerinnen nachlässt. Ich glaube, dass wir uns das in Zukunft neben der menschlichen Seite auch einfach nicht mehr leisten können. Es geht darum, sich für die älteren Mitbürger und Mitbürgerinnen verantwortlich zu fühlen und nicht neben ihnen, sondern mit ihnen zu leben.

 

Aus meiner Sicht kommen daher Initiativen wie jener des KAV unter dem Motto „Helfen Sie uns helfen“ große und über die konkrete Hilfe hinausgehende, auch bewusstseinsbildende Bedeutung zu. Es ist ein Weg, den wir in Zukunft noch verstärkt gehen müssen wie auch viele andere neue innovative Modelle wie zum Beispiel intergenerative Wohnformen.

 

Wir haben gestern in der Rechnungsabschlussdebatte gehört, Wien ist eine Stadt der Vielfalt und damit knüpfe ich ein wenig an die Tätigkeit in meinem alten Ressort an. Eine Vielfalt, die zum einen aus dem friedlichen Zusammenleben von ÖsterreicherInnen und ZuwanderInnen besteht, aber auch aus dem Zusammenleben von Jung und Alt. Jede Gruppe bringt eine besondere Qualität in unsere Stadt ein. Gerade der Lebensabschnitt im Alter wird von immer mehr Menschen zunehmend und zu Recht als positiv gesehen. Genau darauf weist auch die Geriatriekommission dankenswerterweise hin und auf die Bedeutung der individuellen Vorbereitung auf das Alter. Wir müssen das Alter als einen gleichwertigen Lebensabschnitt wie etwa das Erwerbsleben ansehen, den man nicht wegleugnen, sondern aktiv annehmen soll, als einen Lebensabschnitt, der neue Perspektiven eröffnet, aber auch als einen Lebensabschnitt, auf den wir uns vorbereiten müssen. Körperliche und geistige Aktivität sind Schlüssel nicht nur zu einer Erhöhung der Lebenserwartung, sondern zu einer Anhebung der Lebensqualität. Unangenehme Begleiterscheinungen des Alters wie etwa Demenzerkrankungen sind bis zu einem gewissen Grad behandelbar, ein Umstand, der meiner Meinung nach in unserem Angebot bisher noch zu wenig Beachtung findet. Da, denke ich, wird eine meiner ersten Aufgaben sein, durch eine möglichst breite Aufklärung im Sinne der Früherkennung die Menschen rechtzeitig zu informieren.

 

Zum Glück aber bleiben schon jetzt die meisten älteren Menschen bis ins hohe Alter persönlich unabhängig und schon jetzt leisten sie einen wichtigen wirtschaftlichen und sozialen Beitrag zur gesellschaftlichen Weiterentwicklung. Werden sie von Betreuung abhängig, so erfolgt diese im hohen Ausmaß im familiären beziehungsweise im privaten Umfeld und zu Hause. Einen Schlüssel zur Lösung des Problems sehe ich primär darin, ob es gelingt, den älteren Wienerinnen und Wienern auch weiterhin im verstärkten Ausmaß ihre persönliche Unabhängigkeit der Mobilität zu erhalten und - ich wiederhole mich, aber es ist mir so unglaublich wichtig und auch ein so großes Anliegen - sie so lange wie möglich in der vertrauten Umgebung, am besten zu Hause, zu belassen. Professionelle Dienstleistungen sollen dabei unterstützend, fördernd und individuell abgestimmt helfen. Die Pflege älterer betreuungsbedürftiger Menschen muss nach ihrem Bedarf und soweit wie möglich nach ihren Wünschen erfolgen und nicht danach, welches Angebot gerade da ist. Das gilt vor allem für jene Menschen, die in ihrer Selbstbestimmung eingeschränkt beziehungsweise von einer laufenden pflegerischen Betreuung abhängig sind. Pflege zu Hause ist, jedenfalls so lange sie ohne Gesundheitsgefährdung möglich ist, jeder Form der stationären Pflege vorzuziehen. Das Prinzip ambulant für stationär gilt für mich uneingeschränkt.

 

Die deutlich verbesserte Wohnsituation der älteren Bevölkerung in den letzten Jahrzehnten ist eine Tatsache, die ich nicht näher ausführen muss. Die Menschen wollen heute einfach länger zu Hause bleiben und die Wohnsituation und die zum Beispiel dankenswerterweise gestern beschlossene Novelle der Bauordnung, die ganz besonders auf Behindertenfreundlichkeit Rücksicht nimmt, ist eine große Unterstützung bei diesem Ziel.

 

Bei der Betreuung zu Hause leisten die Angehörigen, aber auch die Nachbarn und Freunde - und das ist mir ganz wichtig zu sagen - geradezu Unglaubliches, unter anderem auch deswegen, weil es vor allem die Frauen sind, die diese Arbeit leisten. Sie nehmen dabei vieles an Mühe, aber auch an Beeinträchtigung der eigenen Lebensqualität in Kauf. Ich halte daher den in den letzten Jahren vorgenommenen Ausbau jener Einrichtung, die eine Entlastung der pflegenden Angehörigen mit sich bringt, für ganz wichtig. Und dazu kommt noch ein weiterer Aspekt, der nicht übersehen werden darf: Bedurfte eine Person in der Vergangenheit aufgrund ihres Zustands qualifizierter Pflegebetreuung oder musste sie aufgrund von Krankheit oder Unfall stationär medizinisch behandelt werden, so führte dies in der Folge sehr oft

 

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