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Gemeinderat, 47. Sitzung vom 22.10.2004, Wörtliches Protokoll  -  Seite 81 von 82

 

aber es wird sich noch über drei Minuten hinziehen. Soviel zur Zeiteinteilung. Vorher die grundsätzlichen Bemerkungen, dann die Klarstellungen.

 

Demokratie ist für uns alle hier, unabhängig von ideologischen Unterschieden, doch ein sehr hoher Wert. Jede und jeder von uns hält ihn sicherlich sehr hoch. Demokratie hat für uns nicht nur den Wert eines Wortes für formalrechtliche Gleichstellung, Demokratie hat auch einen materiellen Wert. Diese materielle Demokratie, um mit einem Konzept von Jürgen Habermas zu sprechen, bedeutet, dass gleichwertige Teilhabe an gesellschaftlichen Entscheidungen, Mitbestimmungsmöglichkeiten nur dann der Fall ist, wenn die Leute nicht nur formal gleiche Rechte haben, sondern gleichgestellt sind vor der Justiz und nicht manche gleicher sind, wenn es gleiche Chance gibt auf eine gute Bildung und nicht nur für die Reichen, wenn jeder und jede eine Chance am Arbeitsmarkt hat, wenn es Freiheit von Diskriminierungen gibt und wenn alle Menschen die Möglichkeit haben, ihre Interessen in der Öffentlichkeit zu artikulieren und wenn es einen freien und gleichen Zugang zu Informationen gibt. Für die letzten beiden Dinge brauchen wir eine pluralistische und offene Medienlandschaft. Und so eine pluralistische Medienlandschaft wird mit ORF, Ö3 und "Kronen Zeitung" nicht ganz auskommen. Damit eine pluralistische Mediengesellschaft so etwas schafft, nämlich dass alle, die in unserer Gesellschaft nicht so gut gestellt sind, Raum und Stimme haben, braucht es einen anderen, einen dritten Mediensektor.

 

Das hat in Österreich in den letzten 10°Jahren soweit seinen Start gefunden, ein bisschen später als zum Beispiel in Deutschland, wo diese Dinge in den 70-er Jahren gestartet sind. In diesen 10°Jahren ist aber sehr viel ordentliche Geschwindigkeit passiert. Da gibt es in jedem Bundesland Dinge, Radio Froh in Linz, Radio Freies Salzkammergut, die Radiofabrik in Salzburg und und und, und Radio Orange 94,0. Der hat es geschafft in diesen letzten 10°Jahren, mit einem relativen Schnellstart zum größten freien Radioprojekt im ganzen deutschsprachigen Raum zu werden.

 

Das trägt damit zu einer Medienvielfalt bei, von der ich vorher gesprochen habe, und hilft, die Freiheit der Meinungsäußerung zu wahren. Da arbeiten über 500 Leute mit, die schaffen Gelegenheiten für Frauen, MigrantInnen, Kinder und Jugendliche, Leute, die sonst nicht so die Gelegenheit haben, zu einem ORF-Interview zu kommen, Radio zu machen und sich Medienkompetenz anzueignen, und das trägt dazu bei, gemeinsam wie zum Beispiel das Projekt des offenen Fernsehkanals oder auch ganz viele weitere Einrichtungen im medienpädagogischen Bereich, dass Wien mittlerweile als Medienstandort im alternativen Bereich schlechthin sich positionieren konnte.

 

Jetzt zu den Dingen, die sich in diesem Akt unterscheiden oder die sich in der Zukunft unterscheiden. Der neue Vorsitzende oder das neue Herausgeberteam hat ein sehr ambitioniertes Programm vorgelegt. Es soll eine Relaunch geben, eine neue Programmierungsschiene, damit jeder genau weiß, wenn er am Donnerstag um 4°Uhr einschaltet, was dann ungefähr ist, Jugend oder eine bestimmte ethnische Sache oder Kulturschiene. Da geht es um eine kontinuierliche Betreuung der Radiomacherinnen und Radiomacher durch ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, durch eine Neuausstattung der Sendestrukturen, um eine Wartung und so weiter und so fort.

 

Es geht auch um eine Sanierung der Finanzen. Das wurde ganz gut recherchiert. Die brauchen mehr Geld. Das wurde super recherchiert in mehreren Beispielen von vorher. Es wurde nur nicht dazugesagt, warum die eine Sanierung der Finanzen brauchen. Denen wurde nämlich die Bundesförderung gestrichen. Das ist übrigens gar keine Wiener Eigenheit, so geht es allen freien Radioprojekten in ganz Österreich, so geht es allen Projekten der Netz-Kultur und der Medienkunst. Wir haben die Fragen immer wieder diskutiert, wo jetzt der Morak einen Brief geschrieben hat, sie können von weiteren Forderungen Abstand nehmen, es gibt jetzt nichts mehr.

 

Dem liegt meines Erachtens ein Bild von Medien zugrunde, das so ausschaut: Medien sind Schaltzentralen der Macht, da können die  Parteisekretäre von ÖVP und FPÖ anrufen, Berichte absetzen, sich bestellen lassen. Es geht darum, Mehrheiten in Kollegialorganen zu sichern, Intendantinnen und Intendanten irgendwie hineinzudrücken. Und es ist ganz klar, dass eine solche Logik mit freien Initiativen, wo ganz unterschiedliche Leute das Mikro selber in die Hand nehmen und Dinge machen, nicht ganz vereinbar ist. Ganz im Gegenteil, das ist ihnen suspekt. Genauso suspekt, wie ihnen eine offene partizipative Gesellschaft überhaupt ist. Deswegen sagen sie, das geht eigentlich nur ohne staatliche Finanzierung, weil sonst berichten die ja das, was die Politiker wollen. Da ist natürlich im Hintergrund jetzt vielleicht das Bild, wie Sie so mit Medien umgehen.

 

Grundsätzlich wäre ein offenes Medienprojekt, das sich ausschließlich über Sponsoring und Werbung und Product-Placement präsentiert, kein offenes Medienprojekt. Ein offenes Medienprojekt braucht staatliche Unterstützung. (Beifall bei der SPÖ.)

 

Dass Sie Angst haben vor Partizipation, haben Sie mehrmals bewiesen in unterschiedlichen Debatten. Stichwort: Wahlaktversendung. Uns macht Partizipation und die Vermittlung von Medienkompetenz nicht nur nicht Angst, das ist unser dezidiertes Ziel. Das betrifft jetzt zum einen diesen offenen Mediensektor wie Radio Orange oder den offenen Fernsehkanal. Das betrifft aber zum Beispiel auch das Medienzentrum, die Video- und Filmtage, das Kids Web, die Wahlaktversendung kurz angesprochen und und und.

 

Und nur eine kurze Bemerkung zum Antrag der GRÜNEN. Ja, wir stimmen einer Zuweisung gerne zu. Wir sollten im Kulturausschuss darüber diskutieren, wie man den offenen Mediensektor, wie man Medienvielfalt auch finanziell absichert. Da fallen mir auch ganz viele Dinge ein auf Bundesebene, wie zum Beispiel ein Bundesmediengesetz oder eine Presseförderung, die mit dazu beiträgt, dass "Zur Zeit" 2002 um die 75 000 EUR im Jahr gekriegt hat und 2003 64 000 EUR oder irgend

 

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