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Gemeinderat, 49. Sitzung vom 22.11.2004, Wörtliches Protokoll  -  Seite 66 von 123

 

nur Routinetätigkeiten zu erledigen hat, befreien möchte. Dann wird das Dokument bemerkenswert offen, was die Konstatierung der Missstände, die vorzufinden sind, betrifft. Denn der KAV hat nämlich die Ausbildung, die geboten wird, einer Analyse unterzogen und Befragungen gemacht und deren Ergebnisse sind desaströs, Frau Stadträtin.

 

Man stellt nämlich fest und zwar nicht etwa die Opposition oder bloß die Turnusärzte, sondern die Teilunternehmung selbst, dass die Einschulung der Turnusärzte völlig ungenügend ist. 77 Prozent der Turnusärzte und -ärztinnen werden von den scheidenden oder aktiven Turnusärzten und -ärztinnen eingeschult. 77 Prozent treffen, wenn sie sich hilfesuchend oder interessiert in ihrem neuen Wirkungsbereich umschauen, nur auf Turnusärzte und -ärztinnen, die ihnen erklären, wo es hier langgeht, das heißt, dass man Fehler, Zynismen, Resignationen, Bild von der Arbeit ausschließlich aus der Perspektive jener frustrierten, als Hilfskräfte abgewerteten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sieht. So nach dem Motto: Wir haben es hart, ihr habt es auch hart, ihr werdet das schon sehen. So stelle ich mir das vor, wie diese Einschulung sein kann, wenn sich die Turnusärzte und -ärztinnen als abgewertete Hilfsschanis in der Ausbildung fühlen und das sagen sie selbst und das kann ich Ihnen nachher zitieren. 77 Prozent werden also von anderen Turnusärzten und -ärztinnen eingeschult und 44 Prozent geben an, dass das Pflegepersonal sie einschult. Das wissen wir in der Bevölkerung. Jeder von uns, ich zumindest kenne Ärzte und Ärztinnen, die sagen: „Spritzen Geben habe ich von der Schwester gelernt.“ Dass es 44 Prozent sind, die sagen: „Mich schult das Pflegepersonal ein und ich sehe keinen Arzt, der das macht“ -, das muss Ihnen zu denken geben. Und nur 4,7 Prozent, Frau Stadträtin, werden von unseren hervorragend qualifizierten, noch viel hervorragender bezahlten Primarärzten und -ärztinnen eingeschult. 4,7 Prozent! Da sieht man, wie viel die Ausbildung der Mediziner und Medizinerinnen im KAV wert ist und an wen sie delegiert wird!

 

Dass sich daran nicht viel ändern wird, zeigt die resignative Ausrichtung dieses Papiers zur Einführung von Qualitätsstandards, denn in einem unglaublich arroganten Verständnis von Bildung wird hier wortwörtlich dokumentiert und sozusagen als Grundsatz dargelegt, dass die Ausbildung der Turnusärzte ein Holschuld ist! Eine Holschuld, das heißt die Turnusärzte, die hier als angestellte Mitarbeiter in der TU 1 tätig sind, müssen sich halt selbst kümmern, dass sie eine Ausbildung bekommen! Es kümmert sich niemand anderer darum, denn wir wissen, sie sehen ja nur andere Turnusärzte, die sich für das, was sie tun, interessieren. Das heißt, wenn man die Ausbildung als Holschuld qualifiziert, dann kapituliert man offensichtlich vor den Verhältnissen und ist nicht bereit, sie zu ändern!

 

Diese Einführung von Qualitätsstandards sagt auch wortwörtlich - und das sollten Sie sich, Frau Stadträtin, im Originalzitat anhören, damit Sie es glauben, denn sonst würde man es nicht glauben: „Die Tätigkeit eines Turnusarztes beinhaltet aber immer Tätigkeiten, die für die Ausbildung als nicht relevant erlebt werden. Das ist unter den jetzigen Voraussetzungen kaum zu ändern.“ Das Zitat ist noch nicht aus. „Es sei aber darauf hingewiesen, dass es Ärzte gibt, die jede Tätigkeit eines Turnusarztes als für die Ausbildung letztlich förderlich ansehen.“ Zitat Ende. Jede Tätigkeit ist super für die Ausbildung eines Turnusarztes! Sekretärinnen sind sie schon. Sie machen auch die Arbeit vom Pflegepersonal. Vielleicht geht im Krankenanstaltenverbund irgendwann einmal das Putzpersonal aus und dann ist jede Tätigkeit, auch die des Bodenwischens und des Mistkübel Ausleerens oder vielleicht hat man auch einmal nicht genug Personal, das Essen austrägt, sicher auch eine Tätigkeit, von der es Ärzte gibt, die sagen, das schadet auch nicht, wenn man das lernt.

 

Die Situation ist nicht etwa so, dass man hin und wieder arztfremde Tätigkeiten macht, sondern - und das ist auch wieder ein Originalzitat: „Häufig erlebt sich der Turnusarzt als medizinische Hilfskraft, als Systemerhalter, wobei die Ausbildungsfunktion in den Hintergrund tritt.“ Zitat Ende.

 

In welchen Gebieten die TU 1 ausbilden soll, weiß sie, sie gibt sie nämlich selbst in ihrem Papier zu den Qualitätsstandards an und nennt eine Menge Fixpunkte: Die Teilnahme von Turnusärzten und -ärztinnen an Visiten, an Operationen, sie reklamiert Bedside teaching als wichtige Ausbildungsform und die selbstständige Patientenführung durch Turnusärzte unter Aufsicht.

 

Das Papier gibt aber völlig ungerührt auf derselben Seite zu, dass die Befragung ergeben hat, dass gerade diese Tätigkeiten selten sind. Selten, meine Damen und Herren, denn die Turnusärzte und -ärztinnen haben keine Zeit, bei der Visite mitzugehen, bei der OP anwesend zu sein oder Bedside teaching zu konsumieren, denn sie müssen Patientenbriefe schreiben, LKF-Codierungen vornehmen oder schlicht und einfach Blut abnehmen oder Blutdruck messen und da kommen sie nicht dazu und werden offensichtlich auch gar nicht eingeladen, hier ordentliche Ausbildung in Anspruch zu nehmen.

 

Der Befund in dieser Einführung von Qualitätsstandards in diesem Dokument ist niederschmetternd und das Papier setzt dem Krankenanstaltenverbund ein Ziel, nämlich die Implementierung von Qualitätsstandards bis Sommer, also bis Ende des 2. Quartals 2004, also vergangenen Sommer.

 

Jetzt denkt man sich: Gut, wir haben festgestellt, es ist alles ziemlich schlimm, ab jetzt wird es besser. Ich kann Ihnen aber sagen, ich bin auf die Problematik durch ganz aktuelle Dokumente aufmerksam geworden und zwar durch einen Artikel, einen Hilfeschrei in “Doktor in Wien“ nicht etwa von vor drei Jahren, sondern von 9/2004, also vom September dieses Jahres. Hier heißt es: „Der Turnusarzt, der Spritzenschani. Der Obmann der Wiener Turnusärztekonferenz berichtet von der Ausbildungsmisere im Krankenanstaltenbereich. Originalzitat eines Arztes: Mein Wissen wird nicht genutzt, mein Einsatz nicht beachtet, meine Verantwortung ist minimal und irgendwann ist die Lust und Freude an der Arbeit weg.

 

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