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Gemeinderat, 50. Sitzung vom 24.11.2004, Wörtliches Protokoll  -  Seite 43 von 87

 

kurz eingehen.

 

Herr Schieder, Sie haben, wenn ich Sie jetzt etwas freier interpretieren darf, zu Beginn Ihrer Rede gemeint: Wozu regen sich denn die Oppositionsparteien überhaupt auf? Sie haben ja eh am Plan mitgearbeitet, und jetzt passt es ihnen nicht mehr. – Ich halte die Tendenz dieser Wortmeldung für besonders unfair und besonders kontraproduktiv, und zwar kontraproduktiv gegenüber dem Geist, der uns eigentlich alle hier, Regierungs- und Oppositionsparteien, einen sollte: Im besten Sinne, jeder auf seine Art und Weise, jeder vor dem Hintergrund seiner Ideologie, aber im besten Sinne zum Wohle dieser Stadt zu arbeiten. Wenn Sie so etwas sagen, nehmen Sie uns quasi dieses Recht, denn dann können wir uns nirgends mehr produktiv einbringen, können nirgends mehr mitarbeiten, denn dann heißt es nämlich nachher: Na, ihr ward ja eigentlich eh dafür, was regt ihr euch denn jetzt auf?

 

Und genau diese Befürchtung, die Sie jetzt auch wieder bestätigt haben, war der Grund, dass wir einer einmal kurz aufblitzenden Idee, vielleicht einzelne Kapitel eines Strategieplans außer Streit zu stellen, außer Frage zu stellen und ihnen zuzustimmen, von vornherein eine Absage erteilt haben.

 

Also ich bitte da wirklich, mit der Opposition sehr vorsichtig umzugehen. Herr Kollege Oxonitsch, Sie schütteln den Kopf. Wie war es denn gemeint? Vielleicht lesen wir es nach, wie es gemeint war. Jedenfalls: Nur weil wir mitarbeiten, bedeutet das keine Zustimmung und sollte bitte auch nicht so interpretiert werden. Das nimmt uns nicht das Recht, dass wir nachher kritisieren, was uns kritisierenswert erscheint, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Jetzt komme ich zum Strategieplan selbst. Im ersten Satz der Einleitung sagt der Herr Bgm Häupl, Wien hat Visionen – dieses Wort wurde heute ja auch schon des Öfteren gebraucht –, es gibt offensichtlich nur einen eklatanten Disput darüber, was dann wirklich als Vision dort drinnen steht und was nicht. Die Opposition kommt relativ geschlossen zu dem Ergebnis, dass kaum Visionen vorhanden sind. Ich glaube, man muss aber ein bisschen differenzieren. Das ist mir nämlich jetzt bei der Schieder-Wortmeldung aufgefallen.

 

Man muss differenzieren: Es gibt keine Visionen für die positive Entwicklung dieser Stadt in dem Strategieplan, aber es gibt sehr wohl gesellschafts- und parteipolitische Visionen. Das haben wir vorhin gerade gehört. Die Vision ist die integrierte Gesellschaft, wie der Vorredner von der Sozialdemokratie gesagt hat, aber es ist uns viel zu wenig die Vision enthalten, wo Wien in 15, in 20 Jahren stehen soll, was sich in dieser Stadt positiv weiterentwickeln soll.

 

Ich glaube, jeder Bereichssprecher und jedes Ausschussmitglied hat sich mit diesem Plan, mit diesem Papier sehr intensiv auseinander gesetzt, und es wird den anderen nicht unähnlich wie mir gegangen sein. Es ist wirklich extrem schwer, sich einzuarbeiten. Wie Thurnher sagt, man steht dem, zumindest als Laie, fast hilflos gegenüber. Und warum? Weil es eine Aufzählung von Kapiteln ist. Aber nicht nur eine Aufzählung von Kapiteln, denn wenn Sie es sich einmal unter einem anderen Gesichtspunkt anschauen, meine Damen und Herren, ich habe mir diesen – unter Anführungszeichen – "Spaß" gemacht und zähle Ihnen einmal ein paar Dinge aus dem Strategieplan auf: Centrope, Jordes, Ten, Central, SUM, ARC, LAMO, CSP, WWTF, LOGON, EDGATE, CER, CONVIBA, WIST, INTERREG, PAXIS, TECNOMAN, UTN, PRESUD, DIANE CCC, LISA, LAMO, FRECH und und und.

 

Das war jetzt keine außerirdische Sprachverirrung, sondern das waren die vielen, vielen Abkürzungen, die dort als Kapitelüberschriften und für die Projekte stehen. Das ist wirklich nicht gerade einfach, sich da hineinzuarbeiten, meine Damen und Herren.

 

Eine Schwalbe macht bekanntlich keinen Sommer, und 42 Einzelprojekte, meine Damen und Herren, seien es jetzt alte oder neue, machen noch längst keinen Strategieplan.

 

Dass es schwierig ist, steht übrigens schon vor der Einleitung auf der Seite 4: „Es ist allerdings zu beachten, dass viele der strategischen Projekte auch mit anderen Teilbereichen und auch mit anderen Strategiefeldern Querbezüge in Zielsystemen und in der Umsetzung unterhalten. Dies entspricht der Querschnittsorientierung und Synergiebildung im gesamten Strategieplan." Übersetzt jetzt ins umgangssprachliche Deutsch: Einfach ist es nicht zu lesen. Das steht schon auf Seite 4 des Planes selber drinnen. Kollege Schieder hat heute selbst gesagt, man braucht einen Dschungel von Lesezeichen, um die verschiedenen Kapitel überhaupt noch zu finden. – Also ob das sinnvoll ist, dass die Strategie die Verwirrung darstellt, das wage ich wirklich zu bezweifeln.

 

Ich möchte auf ein paar Beispiele noch eingehen. Ich meine, ein Kukuruzkraftwerk mag wirklich eine sinnvolle technische und umwelttechnologische Errungenschaft sein, aber das als Strategie zu bezeichnen? Das findet sich auch auf Seite 37, wie übrigens auch die Solaranlagen, die Chorherr heute schon zitiert hat. Letztere sind wenigstens an eine quantitative Größe gebunden, was einen Vorteil bietet. Aber das alles sind keine Strategien.

 

Das ist so ein Sukkus, wie auch heute schon mehrere Vorredner festgestellt haben: In Wien ist eh alles klass! Wozu müssen wir überhaupt etwas verändern? – Also wenn das die Strategie ist, dass eh alles klass ist, dann haben Sie allerdings Recht, dann würden wir theoretisch überhaupt nichts an Strategie brauchen.

 

Wenn Sie im Duden nachschlagen, meine Damen und Herren, wenn man das jetzt systematisch angeht, dann ist eine Strategie ein Plan, der aufgestellt wird, um mittels aufeinander einwirkender dynamischer Systeme ein Ziel zu erreichen. – So. Und welches Ziel steht jetzt wirklich, außer dem gesellschaftspolitischen, das ich vorhin erwähnt habe, da drinnen? Keines! Ein Ziel wäre gewesen, meine Damen und Herren, zum Beispiel zu sagen: Wien soll die führende Wirtschaftsmetropole im zentraleuropäischen Raum werden. Ein quantitatives Ziel wäre zum Beispiel gewesen: Wir wollen 15 000, 20 000, 25 000 zusätzliche Arbeitsplätze in den nächsten

 

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