Gemeinderat,
50. Sitzung vom 24.11.2004, Wörtliches Protokoll - Seite 84 von 87
kenne mich wirklich nur ein bisschen aus –, weiß, es ist nicht die Frage, ob etwas formell hoheitliche Zuständigkeit ist oder nicht, sondern natürlich nach ständiger Rechtsprechung der Obersten Gerichtshöfe und der außerordentlichen Gerichtshöfe auch eine materielle.
Es ist eine materielle Zuständigkeit, meine Damen und
Herren, und daher Behördenzuständigkeit, weil wir dafür ein eigenes
Landesgesetz haben, das Landesgesetz über die Vollziehung der
Grundversorgungsvereinbarung, in der ein Rechtsanspruch entsteht, weil hier
drinnen steht: „Leistungen nach diesem Gesetz werden an hilfs- und
schutzbedürftige Fremde erbracht." – Nicht vielleicht, nicht irgendwann,
sondern erbracht. Selbstverständlich. Dann steht auch noch, was die
Grundversorgung umfasst.
Und das ist Landeskompetenz und nicht
Gemeindekompetenz, und daher vollziehen es auch Behörden. Und selbst wenn der
formell keinen Bescheid bekommt, ist es materiell so und damit nach ständiger
Rechtsprechung so. Daher haben wir uns die Frage zu stellen, wer entscheidet,
ob einer materiell in die Grundversorgung hineinkommt, was eindeutig
Behördenzuständigkeit ist. Die Caritas, der FSW, die zuständige
Magistratsabteilung, wer immer? Das alles hat unser Herr Bürgermeister
verschwiegen.
Und ich sage jetzt, ich glaube, er weiß das. Ich
glaube, dass uns der am Schmäh hält. Ich glaube – und damit bin ich beim
zweiten Teil dieses Buches –, er weiß es, er hält uns am Schmäh, er will es uns
nicht sagen. Damals zu den Journalisten hat er das Richtige gesagt. Natürlich
ist das Behördenzuständigkeit. Hier heute im Gemeinderat hat er – und ich sage
das – wissentlich etwas anderes gesagt. Manch einer würde es als Unwahrheit
bezeichnen. (Beifall bei der FPÖ.)
Wenn er auf die Frage der
Grundversorgungsvereinbarung und des Asylwesens eingeht und dabei übersieht,
dass natürlich dieses Land Ziel Nummer eins oder Ziel Nummer vier oder wie auch
immer von Asylwerbern ist, obwohl sie woanders auch Asyl bekommen könnten,
nämlich in unseren aufrechten Nachbarländern, dann sagt er, damit haben die
Länder nichts zu tun. Wir können nichts dafür, wie die Verfahren sind. Und das
stimmt wieder in doppelter Hinsicht für ihn nicht.
Erstens: Es war dieses Land, es war Wien, das das
neue Asylsgesetz vor dem Verfassungsgerichtshof bekämpft hat, weil Sie
materiell mit den Bestimmungen nicht einverstanden waren. Dann soll er nicht
sagen, da hat Wien nichts damit zu tun. Weiß er nicht, was der Stadtsenat
beschließt? Ist er da auch nicht anwesend, ist er da auch woanders so wie hier
im Gemeinderat? Weiß er es nicht?
Das Zweite ist, er bezieht sich auf die lange Dauer
der Asylverfahren und wie furchtbar das ist. Warum ist das furchtbar? Weil im
alten Asylsgesetz in den Bestimmungen, die immer noch gelten, weil sie mit
Zweidrittelmehrheit beschlossen sind und daher zurzeit nicht verändert werden
können, diese langen Verfahren normiert sind. (Zwischenruf von GR Godwin Schuster.) Ja, aber dann muss er sich
dazu überwinden und sagen: Ja, wir sind bereit, die Frage des Bundesasylsenates
anzugehen. Das hätten wir uns von ihm erwartet, aber nicht zu sagen, dieses
Land hat nichts damit zu tun. Das stimmt einfach nicht. Es ist schon wieder
einmal etwas, was andere als Unwahrheit bezeichnen würden.
Und damit bin ich beim zweiten Teil dieses
interessanten Kapitels dieses Buches. Er hat uns vorgehalten, dass wir eine
Debatte geführt haben, die über ein Jahr gedauert hat und wir quasi ja eh schon
alles beantwortet bekommen haben. Ich frage mich nur – ich kann mich gut
erinnern, ich habe an diesen Debatten immer teilgenommen, aber in der
überwiegenden Zahl der Fälle war der Bürgermeister nicht anwesend –, warum
belehrt er mich über Debatten, die ich selbst geführt habe, wenn er nicht anwesend
war.
Und warum er nicht anwesend ist, darauf gibt uns
wieder Herbert Lackner eine Antwort. Er sagt nämlich zum Beispiel: „Stellen die
meisten anderen Politiker" – also bei Michael Häupl ist das eine
merkwürdige und beachtenswerte Eigenschaft – „in ungebrochenem Bemühen sich
ständig gescheiter dar, als sie tatsächlich sind, bemäntelt Häupl seine
Intellektualität durch ausgiebiges Durchexerzieren aller Rituale, die er wohl
als unerlässlich für sein Amt erachtet: Im April stellt der Bürgermeister symbolisch
den ersten Schanigarten auf den Graben, im Mai folgt mit dem üblichen
Armrudern, meist fährt man mit einem albernen Tretboot," – wirklich
bedauerlich – „die Eröffnung der Saison an der Alten Donau. Wird es Juni, sehen
wir Michael Häupl auf dem Donauinselfest mit Würstel und Bier. Im Juli
berichten Kommunalpolitikerseiten der Wiener Tageszeitungen, der Bürgermeister
habe sich zu seinem traditionellen Toskanaurlaub zurückgezogen. Im Herbst
schaut dann Kommissar Rex im Rathaus vorbei und bekommt eine Knackwurst. Und zu
eröffnen gibt es in dieser so schönen funktionierenden Stadt immer etwas."
Was im Frühwinter ist, weiß ich nicht. Ich habe
gemutmaßt, es ist ein Punsch-Standl. Lackner gibt uns keine Antwort, aber er
gibt uns Antwort über seine Intellektualität und auf die Frage, warum er das
macht: „Leute, die den Bürgermeister schon lange kennen, fragen sich mitunter,
ob ihm das genügt. Sie erinnern sich an Zeiten vor jetzt auch schon wieder
25 Jahren, als der Biologiestudent, der eben an einer Dissertation über
die Gesichtsmuskulatur einer seltenen Geckoart arbeitete, als eine Art
Alphatier einer Gruppe sozialistischer Studenten voranschritt, die sich auf den
anno 68 gewiesenen Marsch durch die Institutionen begeben hatten. Aus vielen
dieser Marschierer ist etwas geworden. Heute sind sie Klubobmänner und
Abgeordnete, Stadträte, Botschafter und Gemeindemandatare."
Unser Bürgermeister ist Bürgermeister geworden, und
er hat uns das heute wieder deutlich gezeigt bei dieser Anfragebeantwortung,
dass er mit all diesen Dingen, obwohl er sie weiß, nichts zu tun haben will,
dass er uns irgendetwas als Brocken hinwirft in der Hoffnung, wir schnappen das
nicht auf, lassen es gut sein und sind, so wie die Journalisten, beeindruckt
von dem, was er sagt, und glauben wie sie alles das, was er sagt.
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