Gemeinderat,
1. Sitzung vom 18.11.2005, Wörtliches Protokoll - Seite 39 von 56
Aber ich verstehe schon, dass die SPÖ-Vorsitzende die Meinung vertreten kann, wenn man lediglich 3 000 Stimmen verliert, man also an der Geschäftseinteilung, an der personellen Zusammensetzung nichts ändern muss, lassen wir den Probelauf weiterlaufen, schauen wir einmal, was in einem Jahr wird, warten wir auf die Nationalratswahl, warten wir auf das Ergebnis, warten wir auf die Konsequenzen, dass es dann vielleicht einen Ansatz zu einer Veränderung gibt, schauen wir einmal. Die SPÖ ist ja in ganz Wien weltberühmt dafür, kein Temposünder zu sein. Sie sind die Erfinder der politischen Tempo-30-Zone mit eingebauten Wiener Schwellen. Aber wir wissen, Stillstand bedeutet auch Rückstand. Das können wir uns keinesfalls leisten.
Ich denke, das ist jetzt ernsthaft und von den
Vorrednerinnen und Vorrednern schon angesprochen worden, wir haben in vielen
Bereichen einen gewaltigen Reformrückstau und wir müssen uns sozusagen alle auf
die Socken machen. Unsere Bereitschaft, von Seiten der Wiener Volkspartei, ist
da, an der Aufarbeitung dieses Rückstands zu arbeiten, jedenfalls in einer Art
und Weise, wo nicht eine Politik betrieben wird, die Probleme schafft, sondern
eine Politik, die Probleme löst.
Das ist ganz vorn und ganz wichtig das Thema der
Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik. Wir haben das im Wahlkampf hinreichend und
oft thematisiert. Es gibt sehr viele Ursachen für die Situation am Wiener
Arbeitsmarkt, die durchaus hausgemacht sind. Es sind nicht an allem und jedem
die Bundesregierung, die Globalisierung oder der Neoliberalismus oder das
schlechte Wetter schuld, sondern da gibt es ganz offenkundig schon eigene
Versäumnisse, die über die Jahre, ich möchte fast sagen, Jahrzehnte, erkennbar
sind und die sicherlich in einem Kontext stehen, wie Sozialdemokraten in
Wahrheit zu Markt- und zu Wirtschaftspolitik und zur Lösung wirtschaftlicher
Probleme stehen. Aber auch hier reichen wir Ihnen die Hand der erfahrenen
Marktwirtschafter, um die Dinge auf die Reihe zu bringen. (Beifall bei der ÖVP. - Heiterkeit bei Bgm Dr Michael Häupl.)
Auch wir sind serviceorientiert. (Bgm Dr Michael
Häupl: Super! Okay!)
Wir haben das Gesundheitswesen. Da habe ich mit
großem Erstaunen im Wahlkampf ein Plakat, das fast ein inhaltsschweres Plakat
war, gelesen, dass die SPÖ gegen eine Zweiklassenmedizin ist. Ehrlich gesagt,
müssen wir erstens einmal eingestehen, es gibt eine Zweiklassenmedizin.
Wesentlich dafür ist, würde ich einmal sagen, der Spitalserhalter. Und der
Spitalserhalter in vielen Bereichen in Wien ist nun einmal die Stadt. Es liegt
an Ihnen und an uns gemeinsam, aber Sie haben die Federführung, die politische
Verantwortung, hier Situationen zu verändern, Dinge weiterzuentwickeln, dass
zum Beispiel Operationswartezeiten zurückgehen, dass man die Dinge besser
organisiert, weil genau das sind die Ursachen, sind die Merkmale einer Zweiklassenmedizin,
die wir alle nicht wollen und wo wir ständig daran arbeiten müssen, dass sie
nicht wirklich stattfindet. Es liegt an uns, diese Dinge zu ändern.
Wir haben das große und weite Thema der
Stadtentwicklung oft genug angesprochen. Aspang, Aspern, Donaukanal, Prater.
Ich habe nur die Projekte genommen, die mindestens zehn, fünfzehn Jahre alt
sind, gar nicht die jüngeren Datums. Es zeigt sich also, mit welcher Hingabe
hier an der Stadtentwicklung nicht gearbeitet wird. (Bgm Dr Michael Häupl: Messe!)
Es ist das Thema Sicherheitspolitik anzusprechen. Da
habe ich, Herr Bürgermeister, in Ihrer Regierungserklärung einen Hinweis
vermisst, dass man vielleicht auch seitens der Stadt substanzielle Beiträge
leisten könnte. Es ist die Idee der Schaffung einer eigenen Stadtwache, die wir
heuer vielleicht noch weiterverfolgen können. Ich habe doch in dem einen oder
anderen Gespräch festgestellt, dass wir zumindest in der Frage der
Zusammenführung der blauen mit den weißen Kapperln, vielleicht in violett oder
was auch immer eine Facette entwickeln könnten. (Bgm Dr Michael Häupl: Das
ist ein konstruktiver Vorschlag!) Ich bin auch für rosa. Ich sehe da kein
Problem. Jedenfalls geht es darum, zwei Wachkörper als Nukleus einer echten
Stadtwache zusammenzuführen, die die Polizei entlastet und sie freischaufeln
kann, um ihrer eigentlichen Arbeit nachzukommen.
Das Thema Bildung wurde heute schon mehrfach
angesprochen. Mit großem Interesse habe ich Ihre Vorstellungen, Ihre
Bekenntnisse zur Universitätsstadt gehört. Dazu darf ich nur in Erinnerung
rufen, wir haben im Februar dieses Jahres, nicht ohne Grund, hier einen
Initiativantrag eingebracht, der die Zustimmung aller Parteien gefunden hat.
Dieser Antrag hat ein klares Bekenntnis zum Inhalt gehabt, die Förderung Wiens
als Universitäts-, Wissenschafts- und Forschungsstadt. Sie haben das heute im
Großen und Ganzen wiederholt.
Dann frage ich mich aber, warum kann etwas wie in den
letzten Tagen passieren, rund um die Diskussion einer zugegebenermaßen sehr
kleinen, aber letztlich auch relevanten geplanten Absiedlung der Bodenkultur
nach Tulln? Ich höre, Herr Vizebürgermeister, es hat zwei Tage vor der Wahl,
das wird auch kein Zufall gewesen sein, Ihrerseits ein relativ diffuses Angebot
für ein Dableiben gegeben. Ich kann Ihnen nur berichten, wir sind der Sache
nachgegangen. Die BOKU hat sich im Grunde nach Möglichkeiten offen gelassen,
den Beschluss zu revidieren. Aber es liegt an der Stadt, wirklich substanzielle
Vorschläge zu machen. Zu glauben, Großstadt und Universitätsstadt ist eins, ist
für alle Ewigkeit gültig, es gibt keine Konkurrenz und sei sie auch nur eine
Konkurrenz wie Tulln, ist eine Annahme, die im Jahr 2005 nicht mehr gültig
ist. Wir stehen in einem Wettbewerb und wir müssen leider zur Kenntnis nehmen,
dass offensichtlich momentan die Niederösterreicher in dieser Frage tougher,
engagierter sind (Bgm Dr Michael Häupl:
Jetzt übertreibe nicht!), weil sie sich offensichtlich bemühen, Teile von
Wien wegzuverlagern. (GR Harry Kopietz: Wider besseres Wissen behaupten Sie
das Falsche!) - Was heißt
"wider besseres Wissen"? Es sind nur die Fakten. Es würde mich sehr
freuen, wenn dieser Beschluss der BOKU revidiert wird, weil von Wien endlich
ein ordentliches Angebot kommt. (Beifall bei der ÖVP.)
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular